Alles anders – Konstant ist nur die Veränderung.

„Pflegende Mutter und Bloggerin“ so wurde ich vorgestellt bei der Podiumssiskussion zum Thema „Pflege und Beruf – Lehren aus der Corona-Pandemie“ vom BMFSF und dem unabhängigen Pflegebeirat. Dabei schreibe nur noch selten längere Blogbeiträge, doch wer mir auf Instagram folgt sieht weshalb: 

Denn ich bin inzwischen vom Texte produzieren mehr zum direkten Handeln übergegangen. Seit der Demo im Herbst 2019, bei der sich mein junger Verein und die neugegründete Selbsthilfegruppe „Teilhabe jetzt! “ für mehr Rechte von Menschen mit Behinderungen und die Sichtbarkeit von pflegenden Angehörigen eingesetzt hat, will ich mehr nach Außen gehen. Es geht mir darum nicht nur zu beschreiben was schief läuft, sondern versuchen gezielt Veränderungen zu erwirken! Nonverbalen Menschen, wie unserem Sohn, die selbst nicht lautstark öffentlich verständlich für ihre Bedürfnisse eintreten können eine Stimme geben. Und „meinen“ pflegenden Familien der SHG und mir selbst dabei helfen aus dieser verdammten Opferrolle rauszukommen. Denn da landen wird immer wieder dank Lobeshymnen während parallel systematische Diskriminierung Alltag ist. Immer an meiner Seite meine aktiven Inkluencerverbündeten und vor allem Tina, die mir nicht nur bei Hölder e. V. sondern auch privat zu einer großen Stütze, Motivatorin und Freundin geworden ist. Seit kurzen bringen wir uns auch als Duo bei wir pflegen e. V. für die Belange pflegender Eltern ein. ) Und dieser Zusammenhalt ist wichtig er denn je.

Denn die Pandemie hat die Missstände in vielen Bereichen verstärkt und mehrere Aktionstage und Demonstrationen im Reallife verhindert. Gleichzeitig hat die digitale Vernetzung zugenommen und online Veranstaltung ermöglicht, zu denen ich als pflegende Mutter in echt nur schwer hätte aufbrechen können. 

Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf war zeitweise in der Corona Krise im Lockdown für einige sogar einen Tick besser –  durch digitale Angebote wie Sprechstunden per Videocall und neue Arbeitsformen, wie Homeoffice oder mobiles Arbeiten. Denn da geht etwas Pflegetätigkeit nebenbei: Sondieren, Inhalieren, Windeln wechseln, wenn mal wieder im Plan keiner steht und das Recht auf Teilhabe mit der Lücke im Pflegeplan mit erlischt. Mehr Verständnis und Entgegenkommen ist jedoch kaum gegeben und endet vielerorts mit der Risikostufe zusammen. Andere Eltern vor allem Mütter haben ihre bezahlte Arbeit in der Pandemie aufgegeben oder wurden gegangen. Sobald man länger oder öfter ausfällt wankt der Job. Die häusliche Pflege ist unkündbar. Da hilft kein Klatschen oder Schulterklopfen. 

Auch Aktivismus ist nur bedingt zu realisieren als pflegende Mutter. Und ich bin stolz, dass ich es geschafft habe an der Videoaktion zum Lied „Pflege“ von Nadine Maria Schmitt und dem Podcast nebendir zu pflegenden Angehörigen und einer Radiosendung in der Reihe Mutmacher mitzuwirken. Ich konnte diesen Sommer eine weitere wichtige Petition zur Umsetzung der UN-BRK mit auf den Weg bringen und Gespräche zur Bundestagswahl mit Kandiat*innen organisieren und an einer weiteren Podiumsdiskussion zum Schwerpunkt Inklusion von meinem Freund und „Bruder im Geiste“ Antonio Florio unsere Standpunkte deutlich machen. 

Andere Hobbys sind daneben mir nur schwer möglich aktuel, mangels Zeit und Energie. Es war auch viel. Das liegt auch an meiner Torschlusspanik, die leide nicht von ungefähr kommt. 

Denn bald so befürchte ich muss ich mich mehr zurückziehen. Meine Kraftreserven sind nicht nur durch die fehlende Entlastung und Sorge um unseren Sohn – verschärft durch die Coronajahre – weiter ausgeblutet.

Es ist überhaupt seine gesundheitliche Situation, die nun nun lange stabil war für seine Verhältnisse. Neben seiner mehrfachen Behinderung durch den Sauerstoffmangel (vermutlich ausgelöst von einem Plazentadefekt) ist er leider auch chronisch Nieren krank. Diese Organschädigung stand ja in seiner Neugeborenen- und Kleinkindzeit stark im Vordergrund, während das Ausmaß seiner Behinderung uns erst Stück für Stück bewusst wurde. Als er eineinhalb Jahren alt war, arbeitete die eine verbleibende Niere gerade wieder gut genug, um ohne Dialyse klarzukommen. Nun ist es im letzten Jahr parallel zur Hüftoperation zum Einbruch der Werte gekommen. Noch geht es ohne die Bauchfelldialyse – aber die Nephrolog*innen wollen nun auch nicht mehr warten bis es kein zurück mehr gibt. Sondern sie möchten frühzeitig – also noch dieses Jahr – wieder mit der Heimdialyse beginnen. Noch sieht und merkt man in es Gott sei Dank nicht an. Er hat keine schlimmen Wassereinlagerungen und scheidet auch noch Harnstoff aus. 

Trotzdem eine Hiobsbotschaft für uns.

Nach über fünf Jahren ohne dieses Gerät, dem damit verbundenen Risiko für Bauchfellentzündungen, generell das nicht Funktionieren der Ersatztherapie und langfristig eben auch die nötige Organtransplantation. Wieder eine kleine Intensivstation zu Hause. 

Da wird Vieles und wir selbst wieder hinten anstehen müssen. Angst kommt hinzu. Vor allem dem was schief laufen kann. Und die kleine Schwester bekommt inzwischen alles voll mit und kann schwer ihre Bedürfnisse hinten anstellen – was wir auch nicht wollen. Doch es wird wohl zwangsläufig dazu kommen müssen. Wieder mehr Kliniktermine, jeden Tag Verbandswechsel, der Test auf Leukozyten… die Listung zur Organspende zieht ebenfalls einen Rattenschwanz nach sich. 

Deswegen haben wir auch unseren Mut zusammen genommen und sind diesen Sommer in den Urlaub gefahren. Ans Meer was sich unsere Tochter so sehr gewünscht hat. Wir alle haben es genossen auch wenn es mit den beiden nicht gerade erholsam war in der hübschen kleinen Ferienwohnung ohne Pflegedienst dafür mit Strand um die Ecke. Die Schwiegereltern sind auch mit von der Partie gewesen und halfen mit die kleine Wilde zu beschäftigen. Es war so schön, das blaue Wasser, die schroffe Küste und lila Heide. Mit Rehabuggy über Gelände, entlang von Stadtmauern und hoch auf eine Festung. 

Wir erinnerten uns an den letzten Urlaub in dieser Ecke. Damals noch im alten Leben, den Räubersohn noch sicher und fidel in meinem Bauch. Das hat mich schon aufgewühlt. Wir könnten uns so an Urlaube gewöhnen, Familiennormalität. Die kleine  Piratenprinzessin plant schon die nächsten Reisen – dein Wort in Gottes Ohr kleine Miss. 

Kaum zurück aus dem Urlaub, bekam ich wieder den Boden unter den Füßen weggezogen. Zu all der Unsicherheit und den knapp besetzen Pflegedienst wurde meine Anstellung nach zwei Jahren nicht mehr verlängert. Jetzt ich muss mich nun noch neu bewerben und arbeitslos melden. Die Arbeit – meine Auszeit, zum Kopf frei bekommen, produktiv sein und Ergebnisse sehen…wieder dahin. Es ist frustrierend. 

Dazu kommen meine Myalgien zurück. Immer wieder kann ich kaum den Kopf heben oder drehen. Rückenschmerzen, Schlafprobleme, Ängste. Keine Kontinuität. Keine Sicherheit. Wertschätzung? Fehlanzeige! Immer wieder Ärger, Kämpfen, sich erklären, Bangen.. Ich habe das alles so satt

Es sitzt mir einfach im Nacken und lastet auf meinem nun fast vierzigjährigen Schultern. Sieben Jahre Pflege, ein Kind das viel Nähe braucht und Versorgung wie ein Säugling mit mit über einem Meter Körpergröße und 20kg Gewicht.

 Alles auf einmal – wieder – natürlich. Veränderung als einzige Konstate und Rolle rückwärts oben drauf.

Deshalb wird es eher ruhig bleiben hier. Ich hoffe weiterhin aktiv sein zu können, wenn auch in geringerem Umfang. Vielleicht berappele ich mich und es kommt ein neuer Job bei dem endlich ich ankommen kann und geschätzt werde. Vielleicht klappt es gut mit der Dialyse und wir gewöhnen uns an die nun wieder neuen Abläufe. …Doch die Erinnerungen an Dauergepiepse und Geschrei nachts die belasten und verhallen nicht so schnell. 

Ich versuche zuversichtlich zu sein. 

Manchmal gelingt es mir. 

Und die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf? Wenn sie mir begegnen sollte, dann lasse ich es euch wissen. 

Wahnsinn, der nie endet. Systematische Diskriminierung im Musterländle.

„Wann ist dieser Wahnsinn endlich rum?“ fragen alle und keiner hat mehr Geduld für Corona. Nun selbst, wenn die Pandemie mal durchstanden ist, weiß ich eines gewiss: Für uns pflegende Familien gibt es auch dann keine Normalität!

In unserem Landkreis lag bis vor kurzem die Inzidenz bei +- 300. Doch die Kinderarztpraxis will unseren Räubersohn nicht im off-label-use impfen lassen auch die Tübinger Kinderklinik weigert sich. Dabei würden wir selbstverständlich einen Haftungverzicht unterzeichnen. Wir warten und hoffen noch eine Praxis zu finden, die uns hilft! Wir können auch seine Schwester nicht ewig zu Hause lassen. Im Kindergarten sind übrigens noch nicht mal Masken vorgeschrieben bei der „Arbeit am Kind, geimpft sind auch hier nur wenige, ähnlich wie bei unserem Pflegedienst und unseren Therapeutinnen. Immerhin soll Biontec bald für 12-Jährige frei gegeben werden. Eine schwere Erkrankung wie Covid wäre das Letzte was er nun bräuchte, denn leider sind die Blut- bzw Nierenwerte unseres Juniors wieder am schlechter werden. Das heißt wir nähern uns erneut der Dialyse und Listung. Nicht einmal die zweite Hüftoperation wird nun durchgeführt, zu groß die Sorge des Orthopäden, dass es das Zünglein an der Waage zum Kollaps der Nieren wäre.

Zurück zur Normalität, das gibt es bei uns nicht. Nur weniger Isolation, mehr Kontakte zu Freunden und Familie, ein paar kleine Auszeiten – das wäre so wichtig und würde mir helfen wieder mehr Kraft schöpfen zu können. Aktuell schlittere ich durch die Wochen. Reagiere satt agiere. Existiere. Meist müde und entnervt.

Unsere Gerichtsverhandlung wegen der Sondennahrung, die vor Beihilfe BW nur anteilig übernommen wird (wobei wir den Hauptbatzen tragen nämlich Jährlich 1440€ während sie nur ca. 180€ zahlen) hat übrigens tatsächlich stattgefunden inzwischen. Und wir sind kolossal gescheitert – denn das Beihilfegesetz stellt sich einfach über die UN-Behindertenrechtskonvention sowie das Grundgesetz. Warum sollen Minderjährige, Schwerkranke und mehrfach behinderte Menschen Spezialnahrung zuzahlungfrei erhalten? So ein unnötiger Luxus! Aktuell bekommt unser sechsjähriger Sohn, der chronisch verchleimt ist, noch nicht einmal seine Inhaltionslösung erstattet. Luft bekommen ist ja auch so ein Schnickschnack. Ja, man wird zynisch und verbittert. Und gelegentlich angriffslustig..

Letzte Woche habe ich dem LBV ein Foto des Schleimbergs geschickt, den unser Liebling mühsam abhustet jeden Tag. Wenn das wirkungslos bleibt, schicke ich gefüllte Moltontücher per Paket! Die Leiterin der Abteilung versteht uns hat sie uns inzwischen mitgeteilt, allerdings seien auch ihr die Hände gebunden. Es gibt seit diesem Jahr eine Regelung, dass schwerkranke Kinder ab 6 Jahren Inhaltationslösung erstattet bekommen – allerdings nur wenn diese an Mukoviszidose leiden. Kinder und Erwachsene mit COPD, Asthma, mehrfach Behinderung mit geringem Lungenvolumen oder andere Schwersterkrankte bekommen nichts erstattet. Und wir reden von 40€ pro Großpackung und Inhalieren muss man meist mehrmals täglich. Ein Unding und eine behördliche, systematische Diskriminierung ist das. Ableismus pur – nur wen interessiert es?

Wir werden – sobald es meine Kräfte zu lassen -gemeinsam mit anderen Eltern diese Zustände öffentlich machen und eine Landtagspetition starten. Denn weiterer Irrsinn liegt vor bei Hilfsmitteln wie bsw. Therapiestühlen, bei denen ein Eigenanteil anfällt und die nur partiell finanziert werden, andere bekommen keine Haushaltshilfe für die restliche Familie, wenn Mutter und Kind wochenlang in der Klinik oder Reha sind, bei Therapien wie Logopädie werden zu niedrige Stundensätze vorgegeben, so dass die Familien pro Rezept oft zwischen 150€ und 240€ drauf legen müssen und auch die Sätze der ambulanten Kinderpflegende werden vom Amt inzwischen angezweifelt.

Wir haben bereits vor Monaten den Lvkm sowie die Behindertenbeauftrage gebeten uns zu unterstützen, da die Beihilfe uns pflegenden Angehörigen das Leben immer schwerer macht. Doch da bei uns ja ein Verfahren anhängig war, durften sie sich nicht einmischen, vielleicht jetzt wo es verloren ist und es gibt ja wie gesagt noch genügend anderes, das uns Nerven kostet. Seit Neuestem gehen Widersprüche bei der Beihilfe auch nur noch postalisch – während die Ablehnungen wie am Fließband funktionieren, seit dem feste Sachbearbeiter*innen aufgehoben wurden. Auch wenn dicke Akten vorliegen zu all den Krankheiten, wird munter ablehnt ohne diese zur Kenntnis zu nehmen – es ist zu Durchdrehen!!

Willkommen in den 50iger Jahren! Mutti sitzt gerne zu Hause und tippt Briefe als unbezahlte Sekretärin. Danke für Nichts und das Leben schwer machen – mit einem Kind das unheilbar krank und viele auch lebenslimitierend erkrankt sind, haben wir Familien nichts besseres zu tun als Widersprüche zu schreiben und Spenden zu sammeln bei Ablehnung. Den der Gang vor Gericht bringt wie gesagt nichts diese Diskriminierung ist in Baden-Württemberg js legal!

Wenn unsere werte Landesregierung sich endlich mal formiert hat, nach zwei Monaten, haben wir hoffentlich endlich auch wieder Ansprechpartner*innen, der letzte, der Inklusions- und Behindertenbeauftrage von den Grünen, hatte im Wahlkampf leider keine Zeit für unsere Belange. Und sich danach auch nicht mehr gemeldet, nur zwischen durch verlauten lassen, wir sollen nicht weiter nachfragen, es sei in Arbeit. Bisher ohne Ergebnis.

Diese anhaltende Diskriminierung auf allen Ebenen. Ich habe es so satt! Ich bin gespannt was bezüglich des inklusiven Schulplatzes noch auf uns zu kommen wird. Das Elternwahlrecht wird in BW weiter unter den Teppich gekehrt bzw. regelrecht bekämpft. Wer berät bsw. zur Wahl des Schulplatzes? Richtig, die Beratungsstellen der Sonderschule! Denn hier im Landkreis Heilbronn läuft es so, dass es zwar ein Recht auf einen inklusiven Schulplatz gibt ABER nicht vor Ort! Während die Sonderschulen vergleichsweise nah liegen, kann ein Kind mit schwerer Behinderung sonst wohin geschickt werden, statt mit seinen Geschwistern oder Nachbarskinder zusammen in die Grundschule zu gehen!! Das ist keine Inklusion – das ist Fremdbestimmung und Willkür pur!! 12 Jahre nach in Kraft treten der UN-BRK.

Andersnacht: Genug vom Unsichtbar sein. Fazit zum Jahresende.

Was für ein seltsames Jahr war 2020 bitte? Mir kommt es vor wie mindestens zwei Jahre. Die zwei Monate vor Corona, dann der erste Lockdown, der seltsame Sommer der Unvernunft – und nun – die zweite Welle mit Lockdown zu Weihnachten. Adventszeit ohne Weihnachsmärkte und Feiern dafür mit Alkohol für die Hände, Tests to go und Quarantäne-„Gemütlichkeit“.

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Mittendrin – daneben. Sechs Jahre in der Anderswelt.

Wir gehören dazu. Doch zu wem? Es ist kaum begreifbar für uns, dass wir tatsächlich seit nun mehr sechs Jahren unseren bisherigen Orbit verlassen haben. Unglaublich, dass unser Liebling schon so alt ist. Und noch immer habe ich so viele widersprüchliche Gedanken und Gefühle zu ihm, zu mir und uns.

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Jetzt leben. Mit Herzblut dabei, ohne auszubluten.

Eigentlich mag ich den – leider inzwischen inflationär zitierten – „Pflücke den Tag“ Spruch sehr gern. Es ist auch eine der wichtigsten Regeln im Buddhismus, das im-Hier-und-Jetzt-Leben ohne zu sorgenvoll nach Vorne oder Zurück zu blicken. Nur was, wenn die Gegenwart nur wieder einmal wenig erbaulich ist? Dann braucht man doch Hoffnung darauf, dass es besser wird, oder?

Seit ich mich erinnern kann, habe ich mich immer wieder aufgerichtet in dem ich mir überlegt habe, worauf ich mich freuen kann. Wenn ich etwas zu bewältigen hatte, das mich gestresst hat und wobei ich keine Freude hatte, führte ich mir immer vor Augen, wozu es gut ist oder was danach Schönes auf mich wartet. Das hat gut gekappt, um mich für leidige Prüfungen, Ferienjobs und ähnliches zu motivieren. Sich selbst zu belohnen mit Dingen und Erlebnissen, die uns wirklich gut tun, vergessen wir als Erwachsene und – vor allem wir pflegenden Mütter – oft. Und es ist auch einfach nicht mehr so leicht mit all der Verantwortung, den nie endenden To Do’s.

Während den langen Corona Wochen habe ich kaum Pläne gemacht. Es gab ja nichts zu unternehmen und vieles von unserem normalen Familien- und Therapiealltag war hinfällig. Das hat uns in gewisser Weise entschleunigt und auch den Druck genommen mit dabei zu sein oder Sachen anzugehen, die eigentlich etwas zuviel sind. Das merke ich ganz deutlich, jetzt wenn wieder mehr an uns heran getragen wird und zahlreiche Termine anstehen. Obwohl wir beide zu Hause waren, ist uns in keiner Weise langweilig geworden. Ich habe neue Schreibaufträge bekommen und hatte noch mein übliches Homeoffice zu stemmen, während Kita und Kindergarten geschlossen waren und einiges ausfiel wie Therapien. Vor lauter um die Kids kümmern, vor allem die kleine Miss beschäftigen –  am liebsten neben Toben mit den 3 B’s: Basteln, Backen, Baden – die Kita-Freunde und die Förderung vom Räubersohn zu ersetzen, wurde uns auch nicht fade. Nur fehlte der Ausgleich. Zuerst konnte ich noch etwas Sport machen, dann ging immer mehr die Energie flöten zudem rückten wieder unschöne Termine näher.

Die Intensivpflegegenehmigung der Krankenkasse lief aus und auch die große Hüft-Op des kleinen Königs ist plötzlich zum Greifen nah. Und das alles während ich noch in der Probezeit bin bei meiner neuen Arbeit. Vieles, das wir gerne erledigt hätten dieses Frühjahr, blieb liegen. Aber zwei Dinge haben wir geschafft: Einen neuen Bus anzuschaffen, nach dem uns beide Autos vor dem Lockdown im Stich gelassen hatten, den wir dann auch Rolli tauglich umbauen werden…

Und – ich habe es ja schon angedeutet im letzten Beitrag – wir haben es gewagt und uns um einen Platz für unseren Junior in einem Regelkindergarten bei uns im Wohnort bemüht. Und jetzt kann ich es offiziell sagen, es hat geklappt! Wir haben die Zusage zur Eingewöhnung im gleichen Kindergarten in den auch seine wilde Schwester gehen wird! Das war ein Glücksmoment und sehr unverhofft, weil wir wirklich mit mehr Gegenwind gerechnet haben. Er wird von der Gruppenleitung als Bereicherung gesehen und sie hat wirklich Lust darauf die neue Gruppe inklusiv zu gestalten, genau was wir uns erträumt und erhofft haben!

Wir sind dankbar, weil wir wissen, dass das trotz UN-BRK Inklusion nicht selbstverständlich ist. Gerade in Baden-Württemberg, dem Musterland der Förder- bzw. Sonderschulen, denn während von Inklusion als Ziel benannt wird erhöht sich parallel die Quote der Kinder die in Sonderschule separiert sind.

Für’s Erste darf der kleine König also mit seinen Nachbarskindern zusammen und einer Gruppe sein und kommt um seine ungeliebten Busfahrten herum, nun kann er auch spontan heimgehen an schlechten Tagen. Leider bekommen wir auch von ein paar Seiten Kritik – aber das ist ja nichts Neues. Wie lange unser Junior jetzt einen Fuß breit die Anderswelt verlässt, wird sich zeigen. Denn spätestens zum Schulstart ist in Schwaben meist Ende mit inklusiven Modellen – gerade für mehrfach behinderte Kinder. Wir werden sehen … 

Auch von der Krankenkasse kam dieses Jahr das Ok für die Fortführung der Intensivpflege nur durch Einreichen der angeforderten Unterlagen. Das ist ebenfalls nicht selbstverständlich, denn wir waren vor zwei Jahren deswegen schon Wochen in der Luft gehangen und hatten schon einen Termin beim Anwalt. Eventuell auch ein Corona Nebeneffekt, denn gerade wird viel nach Aktenlage entschieden. 

Aber so richtig aufatmen können wir aus mehreren Gründen nicht (die ich aber nicht alle ausführen kann). Vieles ist einfach noch unsicher und der Pflegenotstand ist weiter spürbar.

Auch das leidige IPReG, das trotz vehementer Proteste und über 200 000 Unterschriften bei der Petition der Gegner*innen erlassen wurde, sorgt nicht gerade für Entspannung unter uns pflegenden Eltern von Kindern, die ein Leben lang auf professionelle Pflege angewiesen sind. Bereits gegen seinen Vorläufer das RISG bin ich im Namen der Pflegerebellen 2019 auf die Straße gegangen, wie viele selbst Betroffene sowie andere pflegende Angehörige. Unfassbar, dass dieser Menschen verachtende IPReG-Entwurf, der die Selbstbestimmung und Versorgung von beamteten und anderen Intensivpflege bedürftigen Menschen gefährdet, gerade während einer Pandemie von der großen Koalition durchgeboxt wurde, bei der auch kerngesunde Menschen plötzlich auf Beatmung angewiesen sein können. Leider kann nicht direkt eine Verfassungsklage gestartet werden – erst, wenn es belegte Verstöße im Bereich der Intensivpflege gibt – die könnt ihr hier melden beim IPReG-Briefkasten von Abilitywatch.

Und auch, wenn viele Menschen so tun, als sei Corona vorüber und als sei der Mundschutz eine Knebel, ist die zweite Welle relativ wahrscheinlich. Und das, wo wir schon bald stationär gehen und den ganzen Sommer in Klinik und Reha verbringen werden.

So bleiben wir trotz dieser beiden positiven Ereignisse weiter angespannt. Unser Sommerurlaub wird mangels nicht-Existenz also nicht durch Corona ruiniert. Wir waren auch schon ein paar Tage draußen. Mal wieder mit dem, von den Schwiegereltern geliehenen, Wohnmobil. Zwar nicht weit weg – aber doch ein kleiner nötiger Atmosphärewechsel wieder in einer unserer Lieblingsecken im Fränkischen. Das haben wir vier trotz anfänglichem Regen sehr genossen, diese kleine Familien-Auszeit zusammen.

Ich bin sehr froh, über diese guten Nachrichten, die kleinen Pausen und dass ich mich während der Ruhephase in der Pandemie, als in unserer Region kaum Neuansteckungen gab, etwas raus getraut habe. Und zwar raus im wirklichen Sinn auf eine schöne Terrasse mit anderen Mamas und mit ein paar Freunden in den Garten zum Verschnaufen und Abschalten. Das hat mir sehr gut getan. Auch die Großeltern haben die Krise bisher gut überstanden und sind wieder für uns da. Für all das Gute bin ich dankbar und rufe mir das auch immer wieder in ruhigen Momenten vor Augen. Diese Jetzt-Zeit genieße ich und versuche in schlechteren Tage davon zu zehren.

Kurz danach ging es schon wieder rund und leider auch bei einigen Bekannten auch ziemlich bergab. Immer wieder erleben ich wie pflegende Familien der vermeintlich sichere Boden unter den Füßen wegbricht. Plötzlich tauchen neue Probleme auf oder bereits lange ruhende Erkrankungen kommen mit voller Wucht zurück. Immer wieder stirbt ein Kind viel zu früh. Das macht mich sehr traurig und verunsichert, ja ängstigt mich. Eigentlich kann ja niemand in der Gewissheit leben, dass alles weiter läuft wie bisher – ein kleiner Unfall oder eine plötzlichen Krankheit kann alles aus den Angeln heben. Nur, dass Menschen, die ohnehin ein großes Päckchen zu tragen haben, dazu noch weitere Brocken aufgeladen bekommen, das erschreckt mich, ich fühle und leide auch mit.

Einige von diesen Eltern sind auch so engagiert und kämpfen wie ich mit Herzblut für die Rechte unserer Lieben aber auch unsere eigenen als pflegende Angehörige. Zu sehen wie sie leiden ist grausam. Und da kann ich mich schwer abschirmen. Empathie macht verletzlich. Ich habe beides entwickelt über die letzten Jahre: Einerseits dringt so manches nicht mehr zu mir durch, gleichzeitig bin ich dünnhäutiger geworden und kann mich oft schwer abgrenzen. Mir ist es bewusst, ohne dass ich es ändern kann. Es ist gefährlich auszubluten. Aber wie soll etwas ins Rollen kommen, wenn es halbherzig betrieben wird? 

So lange ich Kraft hab, setzte ich mich immer wieder ein für Dinge, die mir wichtig sind. Das gibt mir Sinn und Halt und das Gefühl, doch etwas zu bewegen zu können, so kommt manches an Energie auch zurück. Aktuell bin ich dabei Inklusionsaktivisten vorzustellen, z. B. Junge Inkluencer*innen, die in unserer Region engagiert sind (im aktuellen Stimmt! Magazin) oder wie Laura Mench und Sarah Georges gegen IPReG kämpfen (kommende Ausgabe der Beatmet leben).

Auch hier starte ich demnächst eine neue Reihe mit Kurzinterviews mit Inkluencer*innen und Aktivist*innen für Inklusion und Teilhabe!

Was ich sonst noch mache? Ich durfte auch für das MOMO Magazin darüber berichten, warum es mir so wichtig ist – neben meiner unbezahlten Carearbeit als pflegende Mutter – einer anderen Berufstätigkeit nach zugehen und werde im nächsten MOMO-Heft Eltern vorstellen, die das Beste aus ihrem neuen Leben in der Anderswelt gemacht haben und wie ich versuche mich in positive Aufwärtsspiralen zu bewegen und andere damit anzustecken.

Ihr seht, auch wenn es hier nur allen paar Monate etwas von mit zu lesen gibt, findet ihr meine Anderswelt-Berichte auch anderswo. Und so erreiche ich hoffentlich noch mehr.

Nun drückt unserem Räubersohn bitte alle eure Daumen und guten Gedanken für den anstehenden Eingriff – in einer unserer liebsten Kliniken – und die anschließenden Reha, dass unser Liebling im Herbst dann wieder gut „auf die Beine kommt“ und uns allen solange nicht die Puste ausgeht. 

Flashbacks – Leben auf dünnem Eis

Warum war es hier so still?

Es ist inzwischen bereits April und noch immer habe ich noch keinen Blogbeitrag über uns vier geschrieben. Aber viele andere Artikel, denn ich bekam die großartige Möglichkeit neben dem Momo-Magazin für die Fachzeitschrift für Intensivpflege „Beatmet Leben“ zu schreiben. Aus dem einen Beitrag hat sich hat jetzt eine zweite Kolumne entwickelt. Und obwohl ich – wie wohl die Mehrzahl aller freien Redakteur*innen – wohl kaum davon Leben könnte – bin ich stolz darauf. 

Gleichzeitig haben sie viele Erlebnisse überschlagen und es fällt mir doch immer wieder schwer mich abzugrenzen, gegenüber dem Leid anderer und auch meinen eigenen Dämonen.

Mein Blogbeitrag vom Frühjahr, den ich bereits geschrieben und doch nicht veröffentlicht habe, dreht sich um unsere erste Zeit nach den unendlich langen drei Monaten in mehreren Kliniken mit unserem damals noch neu geborenen Räubersohn. Auch darum wird es nun gehen: 

Wie geht es uns vier inzwischen? 

Mich katapultiert es immer wieder zurück in diese bange Zeit. Das kann ganz Verschiedenes sein was diese Flashbacks triggern: Allein die Jahreszeit oder wenn andere Paare von ihren Plänen für die Elternzeit berichten, die der MaPa und ich mit dem Eingewöhnen in die Heimdialyse und Erlernen von sterilen Verbandswechsel und Sonden legen verbracht haben.

Diesen Winter durfte ich auch einen kleinen Beitrag für die überarbeitete Neuauflage von Susanne Bürgers wunderbaren Begleitbuch für Eltern, deren Baby einen schweren Start ins Leben haben schreiben. Es heißt „Wenn das Leben intensiv beginnt„. Genau das haben wir erlebte, nur ist dieses Kapitel bei uns  nicht vorüber. Es bleibt intensiv und wir Leben eigentlich immer auf dünnem Eis. Nur, dass wir weitgehend gelernt haben damit umzugehen, um nicht hinter jedem kleinen Knirschen einen Einbruch zu erwarten. Doch noch vor Silvester kam einiges zusammen.. Erstmals waren die Werte unseres Lieblings wieder deutlich schlechter seit längerer Zeit. Dann die Bronchitis, die Obstruktion wurde und seine Sättigung abfallen ließ, so dass wir zur Sicherheit in die Klinik dem RTW fuhren und nur mit Kortison wieder heim durften. Und dann passierte das, wovor ich all die Jahre, in denen ich „meinmeine Mamas“ habe, große Angst hatte. Ein Kind unserer Gruppe ist plötzlich verstorben. Der Junge ist so alt wie unser Liebling und war schwer krank,  nichts desto trotz wurde und wird er geliebt und es war so plötzlich… Seine Familie leidet unglaublich unter seinem Verlust. Auch wenn Außenstehende gerne von Erlösung sprechen, wenn jemand, der schwer chronisch krank oder behindert ist, verstirbt – für seine Familie ist es ein Alptraum, gerade, wenn einem das Kind genommen wird. Die Liebe und Erinnerungen bleiben – aber der Schmerz auch … Ich habe sehr mit den Eltern mit gefühlt und wieder Angst bekommen davor, dass auch unser kleiner König womöglich nie groß wird, dass alle Sorgen über seine und unsere Zukunft, hinfällig sind.

Was macht die Pandemie mit uns? 

Und nun Corona, die Rede von Risikogruppen, zu denen er definitiv gehört. Wenn die Beatmungsgeräte knapp werden sollen gemäß Triage, vorrangig Menschen ohne schwere Erkrankungen, diese erhalten. Was für eine Horrorvorstellung! 

Und noch immer wollen viele nicht wahrhaben wie gefährlich Corvid-19 ist. Die neuen Lockerungen und Maskenpflicht in Baden-Württemberg suggerieren, dass der Normalzustand in Greifweite sei.

Die Quarantäne, die viele Familien, mit Homeschooling und Homeoffice, verständlicherweise Weise als große Belastung empfinden, führt bei uns auch zu ungewohnten Umständen: Unsere gefühlt dauernd rotierende „Dreheingangstür“ im Flur stand auf einmal still. Wir waren Wochen für uns. Und da wir das große Glück haben, dass ich ohnehin überwiegend im neuen Job im Homeoffice arbeiten kann und der MaPa als Berufsschullehrer nun auch komplett zu Hause ist und online unterrichtet, bekommen wir vier es eigentlich ganz gut gewuppt.

Natürlich fehlen alle unsere Helferlein, aber mir ist auch etwas Druck genommen fast keine Termine, auch die Therapien entfallen fast alle. Inzwischen kommen wieder wenige Pflegerinnen zur Unterstützung aber alle mit Mundschutz. 

Auch wir sind weitgehend sozial isoliert. Doch das sind wir auch sonst im Alltag leider ziemlich. Gehen Kinder mit Behinderungen in Sonderschulen oder Förderkigas fehlt oft der Bezug zu anderen Familien und Kindern, die man sonst im Kindergarten oder bei Vereinen wie dem Kinderturnen trifft – während wir eben zur Therapie gehen und selten von anderen Familien eingeladen werden. 

Nun sind auch sie isoliert, die „normalen“ Familien und Mitmenschen. „Willkommen in unserer Welt!“, möchte ich einigen von ihnen zurufen. Wäre schön, wenn sie durch diese Pandemie etwas Empathie entwickeln könnten, denn das vermissen wir oft noch. Auch bei Pädagogen, dieses eigentlich besser wissen müssten! 

Aber einige nehmen es sehr auf die lockere Schulter. Hoffen wir für sie und ihre Angehörigen, dass sie wirklich keine (evtl. unbekannten) Vorerkrankungen haben! Auch für Lungen- und andere Organschäden,  die Corona verursachen kann sind nicht ohne. Unglaublich, dass das geleugnet wird und krude Verschwörungstheorien statt dessen im Vormarsch sind.

Wir haben unseren Liebling wochenlang intubiert und beatmet auf Intensivstation begleitet. Diese Bilder werden wir nie aus dem Kopf bekommen, das Gepiepse und der Geruch auf der Intensiv. Das wollen wir niemals wieder erleben müssen! Und das wünschen wir wirklich keinem Menschen

Dazu habe ich auch ein Appell veröffentlicht zum 5. Mai dem Welttag der Menschen mit Behinderungen:https://www.facebook.com/ungehindert/videos/2452172581696020/?epa=SEARCH_BOX

Während die Piratenprinzessin ihre Kita-Freundinnen furchtbar vermisst, scheint der kleine König momentan geradezu zu erleichtert zu sein, nicht jeden Tag mit dem Bus weg zu müssen. Das hat uns auf eine kühne Idee gebracht… Lasst euch überraschen! 

Ihr Kinderlein kommet – besser nicht. Pläne – Sorgen-Wünsche.

Wieder einmal eine längere Pause, in der ich wenig von mir hören ließ. Bei uns ist viel passiert seit dem Herbst. Ich habe mehrmals hin und her überlegt von was ich berichten soll. (Ein paar meiner Gedanken fanden bereits den Weg in die Winterausgabe des Momo-Magazins). Und nun schreibe ich einfach ein Potpourri von all dem was mir durch den Kopf geht – und doch hat fast alles mit unseren lieben Kleinen zu tun.

Anfangen habe ich diesen Beitrag Anfang Dezember, genauer gesagt on der Nacht auf den vierten Dezember- auch als St. Barbara Tag bekannt. Als Kind liebte ich diesen Brauch, zu Ehren der katholischen Heiligen, Kirschzweige ins Wasser zu stellen, die dann bis Weihnachten zu blühen begann. Am Vortag, dem dritten Dezember, ist der Tag der Menschen mit Behinderung. Und ich frage mich, warum wir eigentlich einen Gedenktag für Lebende brauchen? Für Menschen wie dich und mich – nur mit der Eigenschaft einer, wie auch immer, gearteten Beeinträchtigung? Manche von uns pflegenden Angehörigen können die Floskel „Ich bin nicht behindert, ich werde behindert“ nicht leiden – ich kann das aber gut nachvollziehen. Schließlich fühle ich mich als Mutter eines schwer mehrfach behinderten Räubersohns, der dazu noch unheilbar nierenkrank ist, immer wieder massiv in meinem Leben eingeschränkt, oft regelrecht co-behindert.

Von langer Hand geplant wollte ich am 3. Dezember eigentlich mit meiner Freundin Popcorn im Kino essen und dabei den Dokumentarfilm 》MENSCHENSEIN – Was sind wir für einander?《 anschauen.

Statt dessen sitzen der Räubersohn und ich in der Kinderklinik. Meine Freundin durfte gleich zweimal stationär mit ihrem Großen, der wieder mehr Anfälle hat, seit einem Infekt. Sie verpasste unsere von kreative Mama-Auszeit, die wir auch schon vor Monaten ausgemacht hatten, ebenfalls. Und das erzähle ich nicht, um Mitleid zu erregen. Nein, jeder und jedem kann Unvorhersehbares passieren. Gerade mit kleinen Kindern kommt doch so oft etwas zwischen unsere Pläne und dem, was tatsächlich geschieht. Wie oft setzen, diverse Viren und Kinderkrankheiten, die oft gar nicht so ohne sind, reihum die ganze Familie schachmatt.

Auch bei uns ging es, nach dem „Geburtstagsmonat“ Oktober, los mit Grippe bei mir, dann der zweiten Bronchitis dieses Jahr beim Junior, anschließend Hand-Mund-Fuß bei der kleinen Miss, dann heftige Erkältungen und hartnäckiger Husten bei den Großeltern und dem MaPa und nun schließlich wieder Bronchitis bei unserem Räubersohn. Ein nicht wirklich lustiges Karussell… Denn dieses Mal war sie heftiger als in den Herbstferien. Seine Sättigung war nicht gut, er rang heftig um Luft und auch seine Ausscheidung funktionierte tagsüber nicht richtig. Deshalb gingen wir auf Nummer sicher und ließen uns noch nachts per Krankentransport in die Klinik bringen. Da er im Krankenhaus dann wieder anfing mehr zu Urin zu lassen und der Harnstoffwert etwas fiel, gab es erst mal Entwarnung. Auch das Kortison, das er nun sogar zusätzlich zum Inhalieren und Saft, venös bekam schlug gut an, vorerst zumindest. Wir waren nur wenige Tage in der Kinderklinik und ich bin dankbar, dass wir derzeit kein Dauergast auf Station sind.

Das ist nicht Selbstverständliches mit einem pflegebedürftigen Kind. Wie viele Mütter und auch einige Väter kenne ich, die immer wieder viele Wochen bis sogar Monate mit ihrem Liebling nicht zu Hause sind. Neben dem Bangen um die Gesundheit ihres Kindes, leiden sie oft auch unter der meist noch größeren Fremdbestimmung und fehlenden Privatsphäre im Krankenhaus. Und natürlich auch darunter von der restlichen Familie getrennt zu sein.

Es ist nahezu unmöglich mit einem Kind, das immer wieder schwere Infekte, aufwendige Op’s und ähnliches hat und dabei Begleitung benötigt, berufstätig zu sein. Gerade Das tut mir zur Zeit so gut. Ich habe, nach dem mein erstes befristetes Projekt nun ausläuft parallel dazu eine neue Stelle auf Honorarbasis angenommen, die sogar zu einer festen Teilzeitstelle werden soll. Dass ich einer bezahlten Arbeit nachgehe, erhöht unseren Stresslevel zu Hause und wir brauchen Hilfe – wie so oft von unseren Eltern. Zum Beispiel um den Pflegedienst des kleinen Räubersohns abzulösen bzw. zu vertreten oder die daueraktive Piratenprinzessin zur Kita zu bringen, dort abzuholen und nachmittags zu bespaßen. Auch als ich jetzt, Hals über Kopf, mit unserem Räubersohn abends in die spezialisierte Kinderklinik aufbrach, waren die Großeltern zur Stelle. Die Kleine blieb bei meinen Schwiegereltern über Nacht. Das stellte kein Problem dar, da sie sowieso gerne und regelmäßig bei ihnen ist.

Mit einem Geschwisterkind ist das machbar. Zwei wären für uns im Alltag neben den besonderen Bedürfnissen des großen, kleinen Königs wohl kaum zu bewältigen. Und in solchen Situationen würde es den Omas und Opas sicher zu viel abverlangen, die auch alle inzwischen um die siebzig sind.

So klar die Lage ist, so schade finde ich es trotz allem. Wie gut wäre es für unsere kleine Tochter, wenn sie noch jemanden zum spielen und kabbeln hätte, der ihr mehr Rückmeldung geben könnte. Auch ein Bruder oder eine Schwester, die uns helfen könnten, wenn wir älter werden und uns nicht mehr um den Räubersohn kümmern können oder selbst Unterstützung benötigen. All das lastet auf ihr. (Im Momo-Magazin schrieb ich in der Ausgabe 2019.09 darüber). Da wir beide Einzelkinder er sind, weiß ich welche Verantwortung da auf sie zu kommt.Auch wenn ihr Bruder wieder an die Dialyse muss oder sich seine Krankheiten verschlimmern und er vielleicht keine große Lebenserwartung hat – wer wird sie stützen, wenn es bergab geht? Es wäre schön zu wissen, dass sie nicht alleine da steht – egal was kommen wird.

Trotzdem viele Familien mit schwer kranken und behinderten Kindern entscheiden sich gegen ein weitetes Kind oder können sich höchstens ein Geschwisterchen vorstellen. Und ich verstehe es und ich selbst bin vom Kopf völlig d’acord

Special-needs-Eltern haben soviel gesehen und erlebt. Auch was alles passieren und schief gehen kann – von der Schwangerschaft bis ins Jugendalter – und es ist schwierig das beiseite zu schieben. Auch ich, die ich mich eigentlich über jedes zukünftige Baby im Freundeskreis freue, sorge mich. Ich sehe jede Schwangerschaft als bedrohlich an und bin jedes mal unglaublich erleichtert, wenn die Kleinen wohlbehalten gelandet sind.

Die Diskussion um die Kosten-erstattung pränataler Tests auf mögliche Beeinträchtigungen bzw. Gendefekte habe ich mit gespaltener Seele verfolgt. Fast alle werdenden Eltern, die ich kenne, haben sich für diesen Test entschieden. Doch was bringt es zu erfahren, ob vielleicht eine Trisomie vorliegt? Zumal die wenigsten Ärzte*innen, sie über die möglichen Ergebnisse eingehend aufklären und – wie es mir erscheint – sich auch größtenteils nicht wirklich gut auskennen mit den selten Formen T13 oder T18 sowie der Tatsache, dass es auch Mosaikformen davon gibt. Wem hilft ein solcher Test denn? Ist er unauffällig wiegt man sich in Sicherheit – die aber trügerisch sein kann Schließlich wird nur ein Bruchteil möglicher Erkrankungen und Behinderungen erfasst – zumal viele erst mit der Geburt oder danach entstehen. Und was, wenn der Test auffällig ist? Ohne den kleinen Menschen und Ausprägungsgrad seiner Beeinträchtigungen zu kennen, müssen die werdenden Mütter und Väter sich dann erscheinen, ob sie dieses Kind zur Welt kommen lassen oder einen Abbruch vornehmen.

– Dabei sind teilweise bereits auch Operationen im Mutterleib möglich! Beispielsweise bei manchen bestimmten Herzfehlern, wie es sie bei Trisomie21 häufig gibt, oder andere Eingriffe wie die Op eines offenen Rückens oder das Auffüllen von Fruchtwasser. Der Bundesverband für vorgeburtliche Erkrankungen e. V.berät dazu betroffene Familien. –

Auch das ist in Frauenarztpraxen nicht unbedingt bekannt. Ich verstehe aber auch Familien, die sich ein schwer behindertes Kind nicht zutrauen. Wie soll man sich auch ein Bild machen von dem Leben mit einem pflegebedürftigen Nachwuchs, wenn es doch in der Regel so wenig Kontakte von Menschen ohne Behinderung mit Menschen mit Behinderung und umgekehrt gibt. Wer hingegen schwer Behinderte oder Schwerkranke persönlich kennt, weiß auch um die Einschränkungen und nie endenden Kämpfe, die ein Leben als Angehöriger eines solchen erwarten. Es ist vertrakt.

Ein weiteres Kind mit Behinderung kann ich mir eigentlich auch nicht verkraften in unserem Leben. Ich wüsste nicht wie ich das bewältigen sollte. Gleichzeitig kann ich mir auch fast nicht vorstellen mich gegen ein Kind zu entscheiden. Doch zu dieser Frage sollte es nicht mehr kommen.

Auch bei uns ist kein weiteres Kind geplant. Ich packe alle die herzigen kleinen Babysachen zum Weitergeben in Kisten und Kartons.

Wir sind auch so unglaublich ausgelastet – wenn nicht sogar überlastet – und das in vielerlei Hinsicht. Momentan bin ich sehr froh endlich mal wieder zu Hause raus zu kommen, etwas anderes zu sehen uns zu hören. (Wobei mir auch hier bei den Bewerbungscoaching, die ich zurzeit gebe, immer wieder Young Carerers und junge Menschen mit Beeinträchtigungen begegne).

Einer bezahlten Berufstätigkeit nachzugehen, die meinen Fähigkeiten und meinem Studium zu mindest teilweise entspricht, ist das, was ich mir schon lange gewünscht habe. Ich wusste nur nicht wie ich das auch noch schaffen sollte.

Doch schließlich gibt mir genau diese Auszeit vom Mama- und Pflegealltag auch wieder Kraft. Zumal es mir auch regelmäßig Kopfzerbrechen bereitet, wenn ich an meine bisher spärliche Rentenbescheide denke und daran wie wir dauerhaft mit nur einem Einkommen zu viert hätten klar kommen sollen… „Ihr Kinderlein kommet“, singe ich mit der kleinen Miss und freue mich für meine schwangeren Freundinnen gerade zu Weihnachten – wo sich doch alles um Liebe uns Geburt dreht, wenn man es biblisch betrachtet und nicht nur die vielen Black Fridays davor als Feiertage ansieht.

Ko bin ich auch dieses Jahr und die vielen Aufgaben, Gefechte und so manche Zunftsorgen, lasten weiterhin auf meinen Schultern und bereiten mir nicht selten Unbehagen sowie schlaflose Stunden. Aber trotz allem bin ich endlich auch wieder etwas glücklicher seit langen. Und vorallem dankbar dafür, dass wir vier uns haben, für die Unterstützung durch unsere Familie, Freunde, die zu uns stehen und, dass der MaPa und ich uns weiter aushalten und in wichtigen Dingen zusammen halten. Das ist eigentlich mein größtes Geschenk.

P. S. Wenn ich mich noch nach etwas Kleinem sehne, gibt es langfristig höchstens ein Baby mir Pelz – einen Therapienhund. Aber erstmal müssen wir mindestens eines unserer kleinen Raubtierkinder „stubenrein“ bekommen. Unser nächstes Ziel. Kann man das auch so nennen, wenn man bei deinem Vorstellungsgespräch nach seinen Kurzzeitplänen gefragt wird?

Wenn pflegende Angehörige rebellieren.

Am Samstag 05.10.2019 fand unsere KREATIVE PROTESTAKTION mit Stellvertreter Demo in Heilbronn auf dem Kiliansplatz statt – hier für euch die Rede, die ich als erste Vorsitzende der „Hölder-Initiative für Kultur und Inklusion e. V. “ dort gehalten habe:
>>Unendliche Kämpfe, Fremdbestimmung und Pflege bis zum Umfallen:
Wir lassen es nicht mehr zu!
Willkommen – was Sie sehen all die Schuhe und Hilfsmittel – ist kein Flohmarkt, sondern Teil unserer kreativen Protestaktion pflegender Angehöriger und von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung.
Wir sind pflegende Angehörige aus Heilbronn und Umgebung und bekommen Unterstützung von den Vereinen „Hölder – Initiative für Kultur und Inklusion e.V.“ aus Lauffen am Neckar, „Solidaria e.V.“ und ihrem Projekt „Löwenkids für Geschwisterkinder“, sowie der neuen Selbsthilfegruppe „TEILHABE JETZT!“ Für pflegende Angehörige und Menschen mit chronischer Erkrankung und Behinderung. Angeregt wurde unsere Aktion von der Onlinebewegung „Die Pflegerebellen“ die mehr und mehr auch im realen Leben auf die Missstände in der Angehörigenpflege aufmerksam macht und auf derer Mitglieder zunehmend auf die Straße gehen.
Ich pflege seit 5 Jahren meinen schwerbehinderten und chronisch nierenkranken Sohn. Da auch meine Oma seit einigen Jahren pflegebedürftig ist, weiß ich was es bedeutet kranke Familienmitglieder aufopferungsvoll zu Hause zu versorgen. Diese Carearbeit ist ein Kraft zehrender Fulltimejob – nicht zuletzt wegen der nicht endenden Kämpfe um Rechte wie Teilhabe, Therapien und Selbstbestimmung. Selbst grundlegende Dinge wie Hilfsmittel und sogar Nahrung müssen oft erstritten werfen nicht selten sogar vor Gericht – unserem chronisch kranken Sohn wird bsw. vom Land BW nicht einmal seine Sondennahrung vollständig erstattet, die er über seine Magensonde erhält.
Wir pflegenden Mütter, Väter, Töchter und Söhne, Ehefrauen und -männer, Enkel, Lebensgefährt*innen und andere pflegende Angehörige und hauptberuflich Pflegenden- müssen endlich gehört werden.
Die im Sommer 2019 neu erlassenen Pflegegesetze müssten eigentlich PflegeSCHWÄCHUNGsgesetze heißen: Das RISG – das „Reha- und Intensivpflege-stärkungsgesetz“ -bedeutet eine Entmündigung der schwer kranken, pflegebedürftigen Menschen über 18 Jahren, die Beatmung benötigen und anderem Intensivpflegebedarf haben nun auf die Order des Gesundheitsministers in Heime abgeschoben werden sollen, um Kosten für ambulante Pflegedienste zu sparen. Dabei gibt es bereits jetzt zu wenig Heimplätze, die auf hohe Pflegegrade und ins Besondere junge Menschen ausgelegt sind. Ein absoluter „SPAHNsinn“, der jeglichen Realitätsbezug vermissen lässt und Achtung der Menschenwürde, sowie dem Recht auf Selbstbestimmung und Teilhabe entbehrt. Auch bei dem sogenannten „Angehörigenentslastungsgesetz„, geht um die Pflegebedürftigen, die in Seniorenheimen und anderen betreuten Einrichtungen leben. Es übergeht den größten Pflegedienst Deutschlands – das sind WIR! – Die pflegenden Angehörigen, die sich zu Hause um ihre Lieben kümmern!
Förderung der Berufspflege ist sehr wichtig – aber wir pflegenden Angehörigen tragen sehr viel Last – in den meisten Fällen die Hauptlast und immer viel Verantwortung.
Rund 400.000 Pflegebedürftige gibt es laut der Pflegestatistik 2017 des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg in Baden-Württemberg – rund 300.000 von ihnen werden zu Hause gepflegt! Nur knapp etwas mehr als die Hälfte bekommt dabei noch stundenweise Unterstützung eines Pflegedienstes – für uns passiert zu wenig. Auch im neuen Pflegestärkungsgesetzen ist der einzige Punkt, der sich auf uns pflegende Angehörige bezieht der, dass wir leichter eine Reha bekommen sollen. Die Grundbedingungen werden davon aber nicht berührt. Und das Recht, dass man seinen Pflegenden mit zur Reha nehmen kann, sehe ich als kontraproduktiv an. Das pausenlose Kümmern ist ja unsere „Arbeit“! Wie soll man sich da erholen und neue Kraft tanken, wenn man nebenbei weiter pflegt??
Wir! pflegenden Angehörigen und was wir brauchen bleiben fast immer außen vor. Wir leisten so viel und „Sonntags pflegen wir auch noch“ – deshalb rufen wir: „Wir lassen es nicht mehr zu!“ Wir haben uns online zusammen geschlossen zu „Die Pflegerebellen“ und wir fordern, dass es endlich ein Fürsorgegehalt, gibt ähnlich dem Elterngeld. Und ich verstehe auch nicht, warum unsere Arbeit als pflegende Angehörige so wenig wert ist. Für einen Pflegedienst stehen 1995€ im Monat zur Verfügung, wir erhalten beim höchsten Pflegegrad V gerade 901€!
Finden wir tatsächlich Unterstützung, sind die 125€ Entlastungsleistungen im Schnitt bereits nach 1,5h Stunden im Monat aufgebraucht. Dann wird das Pflegegeld gekürzt und die Rentenpunkte – was soll das für eine Entlastung sein? Selbst, wenn man sich nur stundenweise Hilfe für die Betreuung oder die Grundpflege holt, fällt man sofort in die Kombinationspflege – obwohl wir noch immer den Hauptteil alleine stemmen.
Die neue Pflegezeit ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein- es gut gemeint aber was nützen 10 Tage, zudem unbezahlte, wenn man sich dauerhaft um ein schwer krankes oder behindertes Familienmitglied kümmert? Genauso das Pflegedarlehen – wie soll man das ohne Einkommen abzahlen? In anderen Ländern wie Finnland und Schweden gibt es ein Assistenzgehalt für pflegende Angehörige! Es ist machbar! Die Krankenkassen erwirtschaften Überschüsse im Milliardenbereich! Pflegebedürftige, alte und kranke Menschen sind häufig multimorbid – das heißt sie leiden an vielen schweren ja Erkrankungen – dafür müssen die Krankenkassen aufkommen! Die Anteile von Pflege- und Krankenkassen müssen neu verteilt werden. Nicht nur der Klimawandel sollte uns in Angst und Schrecken versetzten auch der Pflegenotstand und die sich abzeichnende soziale Krise!
Durch den demographischen Wandel steuern wir auf eine noch nie da gewesenen Versorgungsmissstand zu! Bereits heute fehlen je nach Hochrechnung zwischen 30.000 und 50.000 Pflegekräfte in Deutschland – diese Zahlen werden sich in den nächsten 16 Jahren laut Hochrechnungen bis zu verzehnfachen. Für diese Situation es keine ausreichenden Heimplätzte oder Pflegefachkräfte! Es wird von uns PFLEGENDEN ANGEHÖRIGEN gestemmt werden müssen. Die Politik und Krankenkassen müssen JETZT handeln!
Auch bisherige Unterstützungsangebote greifen zu wenig! Die Kurzzeitpflege bei hohen Pfleggraden reicht nur für einen kurzer Urlaub von 10-15 Tagen! Das Jahr hat aber 365 Tage und wir pflegenden Angehörigen verbrennen!
Machen Sie sich selbst ein Bild: Wir haben 36!!! Erfahrungsberichten pflegender Angehöriger und von Menschen mit Behinderung und chronisch Kranken sowie hauptberuflich pflegender Fachkräfte zu gesandt bekommen – die Schuhe und Hilfsmittel sind Stellvertreter für all die, die durch ihre Pflegearbeit heute nicht hier sein können.
Unsere Demonstration in Heilbronn wurde angeregt von der freien Interessengemeinschaft die PFLEGEREBELLEN, die sich in den Social Media dieses Frühjahr gebildet hat. Es gab bereits Proteste in Berlin, Hamburg, Dülmen und Köln. Heute sind wir in Heilbronn!
Die Klopapierrolle ist das Symbol der Bewegung der Pflegerebellen, denn die Situation ist untragbar!!! WIR brauchen mehr unbürokratische Entlastung und Unterstützung für uns pflegende Eltern und andere pflegende Angehörige, ein würdiges Fürsorgegehalt, mehr Selbstbestimmung und bessere Versorgung sowie unbürokratische Unterstützung zur Gewährung von Teilhabe – auf die es die laut UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION ein Anrecht gibt – für Menschen mit Behinderung und chronisch Kranke !
WIR LASSEN ES NICHT MEHR ZU! BEGEHRT MIT UNS AUF!
Kommt deswegen am Freitag 18. Oktober 2019 nach Lauffen am Neckar zur Lesung von Arnold Schnittger dem Autor und Gründer der Pflegerebellen, der mit seinem schwerbehinderten Sohn Nico durch ganz Deutschland eine Protestwanderung unternommen hat: Er ließt ab 19Uhr im Café Lichtburg (Stuttgarter Straße 4, 74348 Lauffen a.N. ) seinem Buch: „Ich berühr den Himmel. Mit dem Rollstuhl durch Deutschland.“
Außerdem hat die Hölder-Initiative für Kultur und Inklusion eine SHG gegründet 》Teilhabe jetzt! Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige und Menschen mit Behinderung《 (und chronischer Erkrankung) – jeden Alters aus Heilbronn und Umgebung – Kontakt:
Hoelder.Initiative@gmail.com
Danke, allen, die heute gekommen sind: Den Ehrenamtlichen der Hölder-Initiative e.V., Solidaria e.V. – außerdem sind Vertreterinnen von Sirius e.V., der Familienherberge Lebensweg und FOXG1 Deutschland e.V. anwesend. Danke euch allen, euch Helfern und Helferinnen, unseren Familien und Männern, die sich zu Hause um unsere pflegebedürftigen Kinder kümmern, weil es leider zu schlechtes Wetter ist, um sie heute dabei zu haben.
Ich möchte schließen mit den Worten von Turid Müller der Chansoniere und Kabarettistin:

WÜRDE IST KEIN KONJUNKTIV WÜRDE SCHREIBT MAN GROSS!

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Kleine Freiheiten. Ausbrüche, Aufbrüche neue Herausforderungen.

Gestern habe ich meinen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben. Eine Dozentenstelle auf Honorarbasis für einen pädagogischen Job, der meinem Studienabschluss entspricht. Das Projekt ist leider befristet – aber immerhin ein Anfang. Ein Licht im Tunnel.

Endlich.

Endlich wieder unter Menschen kommen.

Meine letzte Arbeitstelle ist ja schon wieder ein gutes Stück her vor der Geburt der kleinen Miss. Sich mit anderen Dingen beschäftigen wie Arztterminen, Hilfsmitteln und Anträgen. Endlich nicht mehr zu Hause umgeben vom Sisyphos Aufgaben in Haushalt, der Schreibkram für Ämter und Krankenkassen und den üblichen Problemen mit Kindern in der „Autonomiephase“. Manchmal komme ich mir wirklich vor wie in einer dieser antiken Sagen. Wie in jener in der Herkules die riesigen Kuhställe des Zeus ausmisten muss und sofort wieder alles im Mist versinkt. Es ist so unbefriedigend dieses Schuften im Verborgenen ohne Honorar und mit wenig Anerkennung. Drinnen ohne Anschluss an die Außenwelt. Abgesehen von den Pflegerinnen, Therapeutinnen und Großeltern und ein paar Freundinnen, die mich in meinem trauten Heimkäfig besuchen. Zusammen eingesperrt mit meiner temperamentvollen Piratentochter, die inzwischen sogar Bücherregale erklimmt und immer eifersüchtiger auf den kleinen kuschelbedürftigen König wird. Denn raus zu kommen mit dem Junior ist weiterhin ein Organisations- und Kraftakt.

Eine wesentliche schöne Begegnung mit Kuhställen und anderen Tieren hatten wir gerade bei unserem gemeinsamen Familienurlaub in der fränkischen Schweiz. Auf dem Gottlhof bei Hollfeld hatte die kleine Miss gehörig Auslauf und viele pelzige und fedrige Gesellen zum Streicheln und etwas Jagen – mehr haben wir natürlich verhindert. Denn für einen Ausritt eignen sich weder Kaninchen noch Hühner. Aber sie durfte Eier suchen und auf dem großen Pferd Charly heim reiten, ganz ohne Sattel und das, mit ihren knapp zweieinhalb Jahren. Überhaupt war die Ferienwohnung von einem grünen Paradies umgeben, eine Insel der Ruhe in wunderschöner Natur. Ein Wasserrad plätschert an der Wiesent, Wildbienen summen um den lila Schmetterlingsflieder. Der kleine Räubersohn lauscht verzückt und genießt die vielfältigen Eindrücke zwischen Heugeruch, den Kontrasten unter den großen Blätterdach der Bäume und Kikerikii-Rufen.

Zum ersten Mal hatten wir von unserem neuen ambulanten Kinderintensivpflegedienst die Möglichkeit im Familienurlaub eine Schicht durch eine Kinderkrankenpflegerin abgedeckt zu bekommen. Unsere gute Seele, die uns vier begleitet hat, liebt den kleinen König und wir hatten bei kleinen Ausflügen Unterstützung dabei, weil sie sich um seine Medikamente und Hilfsmittel etc. gekümmert hat. An heißen Tagen oder wenn unser Liebling viele Anfälle oder Spastiken hatte, ließen wir ihn bei ihr für ein paar Stunden und unternahmen etwas nur mit der kleinen Miss. Denn ein Burg Besuch mit dem Tragling oder eine kühle, dunkle Höhle hätten wenig Verzückung bei unserem Spatz hervorgerufen.

Kaum vom Urlaub heimgekehrt war nicht nur mein Vorstellungsgespräch, sondern wir durften heute gleich nach Köln mit dem Räubersohn. Die kleine wurde nach der Kita vom Opa bespaßt. Gerade sind wir auf dem Rückweg von unserem Erstgespräch mit dem Team vom Queen Raina Center der Uniklinik. Sie haben zugestimmt, dass das Programm zu ihm passt. Das heißt, er darf in über einem Jahr dann am „Auf die Beine“ Intensivprogramm teilnehmen. Wahnsinn – diese Wartezeiten! Angemeldet haben wir ihn im Dezember 2018. Nun geht’s wirklich los im November 2020! Wir sind einmal gespannt. Und hoffen er bleibt stabil und dass weder Infekte noch Nierenprobleme dazwischen krätschen.

Der Herbst dieses Jahr hat auf jeden Fall auch so noch einiges für uns in Petto. Meine Eltern werden beide noch operiert z.T. mit Reha im Anschluss. Gottseidank keine großen riskanten Eingriffe. Hoffentlich geht alles gut. Die Sorge unserer Sandwich-Generation – dass man neben den Kids sich auch um die Eltern zu kümmern hat – wird nicht gerade geringer, dadurch, wenn man bzw. frau schon Pflegeerfahrung durch die Versorgung des chronisch kranken oder schwer behinderten Kindes hat. (Oder wie Außenstehende ohne Ahnung sagen „Sowie so schon daheim /Hausfrau ist“). Auch Einzelkind wie der MaPa und ich zu sein, ist da nicht wirklich beruhigend. Natürlich wollen wir für unsere Eltern da sein, aber defacto brauchen wir mit unserer Familienkonstellation und Pflegesituation eigentlich mehr ihre Unterstützung. Da kann einem schon flau im Magen werden. Immerhin wird unsere Kleine immer selbstständiger. Aber das Päckchen wollen wir ihr auch nicht einfach übergeben. (Darüber schreibe ich auch in meinem neuen BLICKPUNKTE-Beitrag im Momo-Magazin erscheint 09.2019).

Ich versuche zuversichtlich bleiben; noch läuft alles. Und nachdem ich mir endlich wieder therapeutische-medizinische Hilfe geholt habe, bin ich auch wieder mehr bei Kräften.

Das brauche ich auch, bei diesen Aussichten und Plänen. Denn neben Op’s, Job und üblichen Terminen des kleinen Königs steht im Oktober die Lesung mit Arnold Schnittger an, im Lauffener Café Lichtburg am Fr.18.10.2019 ab 19.00Uhr. Davor noch unser kreativer Pflegeprotest mit Stellvertreter-Demo auf dem Heilbronner Kiliansplatz am Sa., 05.10.2019 von 10.30-12.30Uhr (Mehr Infos unter http://www.hoelder-initiative.de oder Email: Hoelder.Initiative@gmail.com).

Weitere Termine zum Vormerken, Teilnehmen und gerne weitersagen:

Das Team U1K aus der Schweiz kommt auf ihrer Europatour am Do. 06.09.2019 mit ihren Vespas nach Kirchheim am Neckar zu den Weinterassen (ab 15.30 bis ca.18Uhr). Ihr Ziel ist es Spenden zu sammeln für die Erforschung des Gendefekts FOXG1, das der kleine Sohn einer der beiden Aktiven, sowie in unserer Region, Zwillinge einer Bekannten und der jährige Sohn einer guten Freundin von uns hat. Sie bewirtet bei dem Besuch in ihrem tollen Bohnita-Apemobil mit feinem Baristakaffee und leckerem Gebäck zu Gunsten des Fundraising von FOXG1 Deutschland e.V.

– Am Sa.,12.10.2019 lädt Solidaria e.V. zum zwei jährigen Jubiläum des gemeinnützigen Vereins und Einjahres-Feier der LebensRäume in der Wilhelmstr. 53 in Heilbronn. Es gibt den ganzen Tag ein tolles Programm für Familien mit Löwenkids (Geschwisterkinder) und Kindern mit Behinderung .

Wir wollten Normalität. Und bekamen Grippe.

Mit unserer kleinen Miss hat sich unglaublich viel geändert in den letzten beiden Jahren. Unglaublich ist auch, dass sie schon so lange da ist. Es kommt es uns vor, als wäre sie schon immer Teil von unserer Räuberbande.

Wir haben schon oft dieses Familiengefühl vermisst. Irgendwie waren wir oft mehr Case-of-Emergency-Manager und Pflegeteam als Eltern gewesen. Obwohl unserer Erstgeborener natürlich unser geliebtes “Goldstück” und  “kleiner König” ist, wie wir ihn auch heute noch nennen. Doch der Alltag mit dem Räubersohn ist leider so verschieden zu dem von anderen Kleinfamilien. Während andere Eltern über Kindergartenwahl und Streitereien erzählen, vom Kindertanzen oder Musikkursen – wir waren da raus. Wir können nur von Physio-, Logo– und Ergootherapie berichten. Nach dem PeKiP und Babyfitkurs (den ich mit ihm auch noch besuchte, als er schon fast zwei war) ist bei uns hier in der süddeutschen Provinz irgendwie Sense gewesen mit inklusiven Angeboten oder Möglichkeiten an typischen Familienaktivitäten teilzunehmen. Echt schade. So bekamen wir nur wenig Kontakte zu anderen Eltern an unsrem Wohnort.

Immerhin habe ich ja ein paar liebe Mamas aus meinem “besondere Mütter”  Netzwerk und wir beide noch treue Freunde, mit und ohne Kids, von früher. Aber unsere Lebenswirklichkeiten sind einfach so verdammt unterschiedlich. Gespräche über Kindergeburtstagsplanung, das beste Laufrad Modell oder Ideen für super Ausflüge oder Urlaube – wir konnten eigentlich nie richtig mitreden.

Mit unserer wilden Piratenprinzessin sind wir nun in rasantem Tempo in all das hinein katapultiert worden, was wir vorher vermissten. Von Kita-Eingewöhnung über Ernährung, Spielzeugauswahl und Erziehungsmethoden – alles plötzlich aktuell. Obwohl wir in manchen Dingen schon routiniert sind (z.B. Wickeln, Brei füttern, in Schlaf schaukeln) sind wir gleichzeitig auch blutige Anfänger in viele. Trotz drei Jahren Vorlauf im Elternsein. Sei es bei Smalltalk beim Abholen oder Durchhalten beim Eltern-Kind-Turnen.  Auch so manche Erkenntnis, wie anstrengend auch putzmuntere, kerngesund Kids sein können, haben wir gewonnen. Und, dass so manche Geschichte, die wir früher von befreundeten Müttern und Vätern hörten (u.a. von wegen nicht mal auf dem Klo alleine sein) nun mal pure Wahrheit und nicht übertrieben sind!

Und dann erst einmal diese unsäglichen Krankheitsphasen…Da unser Räubersohn kaum interagiert oder spielt, kommt er natürlich wenig in Kontakt mit anderen Kindern. Er kann auch nicht gezielt greifen oder sich etwas in den Mund stecken. Was einerseits traurig ist, hielt uns andererseits zumindest die meisten “Kindergarten-Seuchen” vom Hals.

Nicht so bei der kleinen Miss, die alles abschleckt, was nicht vor ihr sicher ist. Sie hat gleich im ersten Kita-Winter uns Magendarm als vorweihnachtliches Geschenk mitgebracht und solidarisch geteilt. Ob ihr Bruder es hatte, kann ich nicht einmal sagen, denn er kann sich ja aufgrund der Fundublikatio (Magenklappe) nicht mehr erbrechen und seine Verdauung spinnt sowieso fast immer. Mich hat es auf jeden Fall auch voll erwischt und die anfängliche Hoffnung, dass sie nur zuviel durcheinander beim Weihnachtsmarkt gefuttert hat, war dahin als ich drei Tage darauf nächtens vor der Toilette kniete. Und das, nachdem mir meine stressbedingte, wiederkehrende Innenaugenentzündung bereits ordentlich ein Bein gestellt hatte im Herbst, da mir das Kortison nicht nur auf den Magen, sondern auch auf die Psyche gegangen ist.

– Mit ein Grund warum das unperfekte  “Weniger ist mehr”-Prinzip bei mir nicht nur freie Wahl war.) Ich bin insgesamt auch einfach zu ausgebrannt gewesen, ob bei all dem drumherum im Advent auch noch Vollgas zu geben. Meine Energiespeicher sind noch immer ziemlich erschöpft – was sich wohl auch nicht so schnell ändern wird, deshalb auch der Brandbrief. (Zumal wir jetzt tatsächlich gegen den Arbeitgeber des MaPa vor Gericht ziehen müssen, da das Land Baden-Württemberg in seiner Beihilfeverordnung nicht vorsieht die verordnete, spezielle vollbilanzierte Sondenkost unseres ohnehin zu leichten und zu kleinen chronisch kranken Lieblings vollständig zu erstatten. Mit ihr wird er wegen seiner Schluckstörung mit Asphyxiegefahr über die PEG-Magensonde ernährt. Sondenkost ist übrigens selbstverständliche Kassenleistung und wird auch vom Sozialamt erstattet, wenn entsprechende Bedürftigkeit vorliegt. Wirklich blamabel für so ein reiches Bundesland! Für uns ein Ärgernis mehr, neben den seit Monaten ausstehenden Arztberichten zur Verlängerung der Intensivpflegeverordnung und die nächsten anstehenden Kliniktermine auswärts.

Doch zurück zu der Viren-Welle:

Im neuen Jahr war nur kurz Ruhe und jetzt haben wir vier gerade fünf Wochen abwechselnde Krankheiten – hoffentlich – hinter uns. Begonnen hat unser kleiner König mit einer Bronchitis, die über Nacht obstruktiv wurde, und uns beinahe eine “Suite” in der Klinik beschert hätte. Nur da wir zur Zeit viele Pflegestunden von unserem Kinderintensivpflegedienst abgedeckt bekommen, und auch mit Stethoskop, einem Pulsoximeter und Absauggerät zu Hause ausgestattet sind, konnten wir mit ihm hier bleiben. Nachdem der Killercocktail aus Kortison, Antibiotika und Lungen erweiternden Medis gut gewirkt hat. Ich war zum ersten Mal seit langem froh,  soviel Medizintechnik daheim zu haben. Auch neben seinem Bett zu sitzen während er schläft, das gab es schon länger nicht mehr (stundenlanges abends auf dem Arm halten und wiederholtes Umlagen nachts haben wir ohnehin genug). Dann bekamen der MaPa und ich Grippe und zum krönenden Abschluss unsere kleine Maus noch Scharlach. Wenig Essen am Tag, nur Fläschchen zum Trinken gingen zwischendurch und ein furchtbar anhängliches Mama-Baby war sie wieder. Nachts viele Tränen, großer Durst und unglaublich hohes Fieber, trotz Wadenwickel und Zäpfchen. Ich dachte ich werde verrückt, die Sorge um sie ließen mich neben ihr auf der Gästematratze umherwälzen.

Bei ihrem Bruder war ich, wenn ich mich richtig erinnere, entspannter. Denn im Vergleich zur Intensivstation kam mir das bei ihm ziemlich pillepalle vor. Voll Überzeugung das Richtige zu tun, ließen wir ihn erst etwas fiebern und gaben dann abwechselnd Paracetamol und Ibuprofen Zäpfchen oder Saft. So wie wir es im Baby Erste Hilfe Kurs gelernt hatten. Beides war falsch, bei nierenkranken Kindern (Temperatur nicht über 39° kommen lassen und nie Ibo geben, weil es über die Niere abgebaut wird).  Nur da es uns keiner der Nierenärzte mitgeteilt hatte, wussten wir das als Neulinge in diesem Gebiet natürlich nicht! In der Klinik, als er das erste mal einen grippalen Infekt hatte, während den Dauer-stationären drei ersten Neugeborenen Monaten, musste ich sogar darum betteln das Zubehör zum Inhalieren zu bekommen. Er war später zu Hause – nicht zuletzt wegen des Pflegepersonalmangels – wirklich besser umsorgt.

Nur bei der kleinen Miss kommen mir nun all die Horrorstorys wieder hoch, die ich kennenlernen durfte im Ronald Mc Donald Elternhaus, den Kliniken und bei der Reha. Windpocken, die das Gehirn schädigen, Entzündungen der Blase oder Atemwege, die lebensbedrohlich wurden und vieles Grausliches mehr. Die Sorge, sie könnte auch chronisch krank werden. Ich habe echt meine Lässigkeit ziemlich eingebüßt bei so etwas normalen entspannt zu bleiben. Dementsprechend bin ich zusätzlich erledigt.

Aber auch ohne diese, von unserer Vorgeschichte getriggerten Ängste, ist die Verantwortung für diese kleinen Würmchen doch ganz schön groß. Auch das ist Familiennormalität. Danach hatten wir ja gerufen und prompt kassiert. So sind wir nun bedient wie die anderen Familien, die Infekt-Pingpong spielen. Nur, dass bei uns dann plötzlich noch Krankenpflegerinnen mit Mundschutz herum springen und wir sogar Kinderurinbeutel im Haushalt vorrätig haben.

Nun freuen wir uns auf den Frühling. Das erste aufgeschürfte Knie hat sich das wilde Monstermädchen, just nach seiner Genesung, gestern bereits beim Spaziergang zu den Nachbarpferden geholt.  Das kann ja noch heiter werden.

Mehr Entlastung für pflegende Eltern – mein Leserbrief an die StZ

In der Stuttgarter Zeitung stand (StZ) an Silvester ein Bericht zu der fehlenden Entlastung pflegender Angehöriger und der P17 Petition.

Mich hat es in den Fingern gejuckt und ich habe diesen Leserbrief am Neujahrstag geschrieben, der nun am 11.01.2019 in der StZ erschienen ist.

Ich hoffe er hilft etwas beim sichtbar werden von uns pflegenden Eltern und dabei, dass wir mehr Aufmerksamkeit  bekommen, um langfristig eine Verbesserung unserer Situation zu erwirken.

Traut euch Stellung zu beziehen! Wenn auch ihr Leserbriefe und ähnliche Aufrufe verfasst habt – schickt sie mir, ich veröffentliche sie gerne!

Sehr geehrte Redaktion der StZ,
sehr geehrter Herr Reiners,

Ich bedanke mich, dass Sie zum Jahreswechsel auf die katastrophale Situation, der pflegende Angehörige ausgesetzt sind, aufmerksam gemacht haben.
Ihr Bericht trifft ins Schwarze und übersieht doch, dass es noch schlimmere Missstände gibt.
Denn einige Untergruppen der pflegenden Angehörigen werden  sowohl von der Gesetzgebung, als auch medial kontinuierlich übergangen.
Ich bin selbst pflegende Mutter eines chronisch kranken bzw. schwer mehr behinderten kleinen Sohns. Die P17 Petition habe ich selbst verständlich unterschrieben. Auch wir haben jahrelang nach Entlastung gesucht, doch die großen Anbieter dieser Leistungen sind meist ausgebucht zudem überfordert von einem pflegebedürftigen Kind wie unserem derzeit Dialyse pflichtigen Kleinkind das über Sonde ernährt wird und viele Medikamente benötigt.
Wir hatte kurzzeitig eine Hilfe über einen kirchlichen Anbieter, doch sie halfen ausschließlich stundenweise im Haushalt, unseren Sohn zu betreuen, dazu hatten sie, laut ihrer Aussage, kein Personal. Abgesehen davon, dass dieser Dienstleister horrende Summen verlangte (ca. 20€ pro Viertelstunde!!! Also 80€ /h), so dass es nur für eine sehr kurze und seltene Putzhilfe ca. 1x Monat gereicht hat – was bei wechselndem älteren Reinigungskräften und angesichts unserer ohne sehr belasteten Situation nicht wirklich zu Entlastung führte…)
Es kommt hinzu, dass diese zusätzlichen Entlastungsleistungen nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Denn wir Eltern von schwer kranken oder behinderter Kinder müssen – meist sogar mit Anwalt – um die medizinisch-pflegerische Versorgung unserer Kinder kämpfen.
Hilfsmittel werden nicht übernommen oder nur im langwierigen Widerspruchsverfahren, Therapien werden angezweifelt und Zuzahlungen gefordert, Unterlagen der Kranken- und Pflegekasse zum Teil „zufällig“ verloren… doch am Schlimmsten ist: Rezeptierte Behandlungspflege und Intensivpflege wird von den Krankenkassen meist nur befristet gewährt und oft ohne Vorwarnung komplett gestrichen. (So auch bei uns als wir aufgrund der verschlechtertem Zustand unseres 4 jährigen Sohnes, neben einer Tetra-Cerebralparese, epileptischen Anfällen, chronischer Niereninsuffizienz und massivem sekundärer arterieller Hypertonie hat er nächtliche Schmerzzustände mit Schreiattacken und Atemaussetzern, um die Erhöhung gerade Stundenzahl der Intensivpflege baten, wurde diese zunächst komplett gestrichen inzwischen durch massiven Druck und viele ärztlich Gutachten verlängert und erhöht aber wieder befristet bis Frühjahr 2019!)
Hinzu kommt, dass viele ambulante Kinderpflegedienste massiv unterbesetzt sind. Doch dazu muss die medizinische Pflege erst gewährt werden! Besonders hart trifft das uns Familien, die wir gerade wegen der krankheitsbedingten Situation immer im Ausnahmezustand leben zwischen Arzttermine, Reha und Klinikaufenthalten. Besonders unglaublich ist die unmenschliche Streichpolitik, die auch bei lebenslimitierend erkrankten Kindern leider Gang und Gäbe ist. Dabei werden Aussagen getroffen wie: „Sie hat zu wenig Anfälle“ „Er wird ohnehin nicht alt“ das ist mehr als menschenverachtend und wider alle Würde. Der Öffentlichkeit sind diese eklatanten Missstände leider so gut wie unbekannt und die Familien kämpfen meist allein und im Verborgenen aus Sorge weiter unter Druck zu geraten.
Durch meine Socialmedia Seite Anderswelt und meinen Blog https://sophiesanderswelt.wordpress.com bin ich im Austausch zu mehreren betroffenen Familien und kann gerne einen Kontakt herstellen.

Freundliche Grüße
Verena Sophie *
P. S. Wir bekommen inzwischen Entlastungsleistungen über den jungen gemeinnützigen Verein Solidaria e. V., der sich auf Familien mit behinderten Kindern spezialisiert hat.
Die erste Vorsitzende* wird ihnen gerne über ihre ehrenamtliche Arbeit berichten www.solidaria-ev.de kontakt@solidaria-ev.de

(Der Leserbrief wurde geringfügig abgeändert, u.a. *Nachname gestrichen)

Kreisel, Kreisel dreh dich. Es geht immer weiter.

Die kleine Piratenprinzessin tanzt herum und singt in ihrer Da-da-Sprache. Ich summe das Kinderlied „Dreh dich kleiner Kreisel.“

Der Kreisel dreht sich weiter. Ich sehe verschwommen was um mich herum ist vorbei ziehen. Höre die klingende Melodie und taumele. Nur nicht umkippen. Weitermachen.  Im Lot bleiben.  Doch das Schlingern ist Teil des Kreiselstanz.

Dieses Bild sehe ich vor mir, so fühle ich mich seit einer Weile immer wieder. Mir ist schwummrig. Viel ist passiert im letzten Monat: Wir waren zum vierten Mal dieses Jahr stationär, was ziemlich anders ablief und uns, auch wenn der Aufenthalt nur 8 Tage dauerte, echt einiges an Nerven abverlangt hat.

Der kleine König ist vier geworden und wir haben ihm einen goldenen Festtag bereitet, so gut das einen Tag nach Entlassung geht. Wir waren beim ersten Kindergeburtstag in der Nachbarschaft eingeladen. Elternabende, Sitzungen, Termine bei Ämtern. Schöne Momente und geballter Alltag der Elternpflichten, denen wir nicht alleine hinterher hetzen. Nur verteilt sich als pflegende Eltern die Konzentration auf so Vieles. Und was man selbst als wichtig ansieht, kommt zu oft zu kurz, da die anderen am längeren Hebel sitzen.

Es hat sich einiges geändert und ist trotzdem irgendwie fast beim Alten geblieben. Das ist alles so verwirrend, irritierend. Es geht immer weiter – oder drehen wir uns im Kreis? Ist das etwas Positives? Das Leben geht immer weiter. Oder: Show must go on. Wir funktionieren. Ich möchte mich nicht nur fügen, abhaken was andere mir vorsetzen. Ich möchte mich gerne und aufmerksam um mein zwei Schätze kümmern. Aber es ist so oft ein Erledigen von To Do’s.  Die verdammte Liste wird nicht kürzer. Egal wieviel ich hinter mich gebracht habe, sie wächst weiter, rollt sich am Boden noch auf.

Und das alles zum Jahresende. Dabei hatten wir schon seit Frühjahr massiven Ärger mit der Versicherung und den Ärzten,  der die Energiereserven kontinuierlich leer gesaugt hat.

Die Kraft ist lange schon aufgebraucht. Doch der Kreisel dreht sich. Hilfsmittelanträge wollen bewilligt, Rechnungen bezahlt, Verordnungen besorgt, Arzttermine koordiniert werden. Dazwischen Laterne laufen und andere nette Familienaktionen im Kindergarten? Ich schlafe schon beim Abendessen fast ein. Selbst meine wenigen Hobbys, die doch auch Freude und Entspannung bringen sollen, stressen mich. Blöde Krankheiten kommen im unpassendsten Moment zurück.

Und das Komische – eigentlich haben wir gute Nachrichten bekommen. Doch fühlt es sich (noch) nicht so richtig danach an:

Wir haben tatsächlich noch in diesem Jahr einen Kinderintensivpflegedienst gefunden, der mehr Kapazität als unser bisheriger hat. Nur wollen sie nicht kooperieren – das bedeutet Ex oder Hopp. Wir können mehr Stunden bekommen,  auch weniger Lücken in der Versorgung, wenn wir unser altbewährtes Team opfern. Liebevolle Kinderkrankenpflegerinnen, die den kleinen Räubersohn teilweise schon über Jahre kennen und mir zur Seite gestanden sind. Da gibt es keinen guten Mittelweg. Das war eine so eine schwere Entscheidung und doch hatten wir keine Wahl. Wir haben gewechselt und sind jetzt noch lange von Normalität entfernt, weil das mehr ist als einfach ein Unternehmen gegen ein anderes zu ersetzen. Die Frauen fehlen auch als Menschen. Einziger Trost: Ich bin mir sicher das neue Team ist auch sehr gut und wird sich ebenso reinhängen. Und was mich auch betrübt: So schnell und plötzlich bekommt man bei einem Pflegedienst nur einen Platz, wenn ein anderes Kind verstirbt. Natürlich ist im Prinzip nichts anderes wie, wenn ein Angehöriger  durch die Organspende eines anderen weiterleben kann. Dankbarkeit mit traurigem Beigeschmack. Zumal wir mehrere Familien mit Lebenszeit limitierend erkankten Lieblingen kennen. – Das kann ich nicht täglich ausblenden.

Alles ist neu und wirkt befremdlich.  Alles muss sich einspielen. Nebenher soll der Alltag laufen und ich stehe oft neben mir,  fühle mich erdrückt, manchmal versteinert von all dem was noch zu tun ist. Es geht weiter…tröstlich? Oft beunruhigend. Ich verfalle zeitweise in Schockstarre.

Auch mein Herzensprojekt, das ich zu Jahresbeginn mit aus den Angeln hob, es hat sich sehr gewandelt.  Und doch finde ich Vieles daran richtig gut. Wir haben nun kein Buchcafé eröffnen können, dafür aber einen tollen kleinen Verein gegründet. Eine Initiative, die sich für Inklusion und Kultur einsetzt in Hölderlins Geburtsstadt. Und unsere erste Lesung gestern mit Marian Grau („Bruderherz. Ich hätte dir so gern die ganze Welt gezeigt“) war unglaublich. Dieser junge Kerl gibt mir soviel Mut, Vieles an ihm erinnert mich an mich selbst nur früher. Beim Moderieren des Gesprächs hatte ich das Gefühl seit langem einmal etwas zu tun, das richtig „meins“ ist. Mich für etwas einzusetzen das von Bedeutung ist und das auch gut zu machen. Ein Zuhause Gefühl.

Und heute bin ich wieder etwas wehmütig, hier daheim zwischen Wäschebergen, mit fieberndem König und hustender kleiner Miss, die trotzdem herum springt. Ich bin irgendwie wieder im Standby-Modus auf Sparflamme, weil die Energie einfach weg ist. Drehe mich weiter nur, weil es eben weiter gehen muss.