Matrix Reloaded – zusammen ist man auch allein

Kann man am Jahresanfang schon am Ende sein? Ja, in der Tat – aber noch lange nicht bereit aufzugeben!

Im Dezember hatte ich so darauf gewartet und gehofft, dass endlich wieder die Schule und Kindergarten schließen. Als die Fallzahlen erneut nach oben geschnellt sind, wurde mir wirklich Bange. Ich war so erleichtert, als wir alle wieder zu Hause bleiben konnten. Über die verlängerten Weihnachtsferien war das alles auch eine Weile ganz gut zum Aushalten. Wir haben uns dieses Mal auch nicht komplett isoliert aber die Kontakte auf ein nötiges Minimum reduziert. Die Großeltern trafen wir zuerst noch bzw. die kleine Miss darf auch noch jetzt zu ihnen. Nur zwei Personen dürfen uns jetzt ja laut der BW Corona Verordnung schon länger nicht mehr besuchen. So sind wir doch ziemlich allein. Die Pflichten bleiben, die schönen Dinge fehlen. Wie ein grauer, zäher Kaugummi ziehen sich die Tage.

Mein Energielevel war zunächst am Jahresbeginn noch ganz gut. Zusammen mit Ursula Hoffmann von Rückenwind e. V. habe bei einem Appellbrief an die Bundesfamilienministerin und weitere Politiker*innen mitgewirkt. Wir fordern darin zusammen mit vielen Vereinen, Verbänden, Pflegediensten und mehr, dass endlich pflegende Familien sichtbar gemacht werden müssen. Denn weder auf offiziellen Seiten noch in Broschüren zu Familie oder Pflege tauchen wir inhaltlich – oft auch nicht mal in den Bildern – auf. Das anstehende Wahljahr hat mich motiviert für unsere Ziele einzustehen und beispielsweise das Eckpunktepapier zu der neuen Pflegereform 2022 zu kippen. (Dazu könnt ihr meinen Beitrag in der Beatmet Leben 02/2021 lesen.) Wann, wenn nicht jetzt? Mehrere online-Sitzung machten mir Mut, dass die Vernetzung von engagierten pflegenden Eltern – und generell pflegenden Angehörigen und Menschen mit Behinderungen – vorwärts geht. Verschiedene Gespräche mit Verbänden folgten…Auch die Einladung von Antonio Florio von Selbstbestimmt Leben im Landkreis Ludwigsburg e. V. hat mich sehr stolz gemacht. Es freut mich wieder etwas mit ihm auf die Beine zu stellen! Es ist so wichtig, dass wir in Erscheinung treten! Nicht über, sondern mit uns!

Dann kam der Bescheid vom Verwaltungsgericht, auf den wie seit über zwei Jahren warten. Es geht dabei um die Nichterstattung bzw. den zu hohen Eigenanteil bei der verordneten Sondenahrung. Und nebenher gab es neue Probleme Hickhack mit Hilfsmittelanträgen, selbst Wartungen von Geräten und Standard Medizinprodukte wurden plötzlich angezweifelt und mussten belegt werden. Generell haben wir bei der Verhandlung bzgl. der Sondenahrung wohl wenig Aussicht auf Erfolg… Denn Gesetz ist Gesetz – auch wenn die Beihilfeordnung von Baden-Württemberg in vielen Punkten diskriminierend ist und gegen die UN-BRK verstößt.

Aber das ist ja nichts Neues für’s Ländle. Denn auch in Sachen schulischer Inklusion bleibt die Rüge der Aufsichtsbehörde ziemlich effektlos. Wo kein Kläger ist, passiert wohl nichts!?

Manches wie körpernahe Hilfsmittel laufen bei uns eine Weile recht gut, dann plötzlich wird wieder etwas gestrichen eine Eingegenbeteilung für Gerätewartung verlangt, ein Buggy nur ohne nötigen Zubehör bewilligt, der Hustenassistent genehmigt – die Inhaltationslösung für ein chronisch verschleimtes Kind abgelehnt. Jede gesetzliche Krankenversicherung zahlt anstandslos verordnete Spezialnahrung – die Beihilfe BW erwartet ungeachtet dessen, dass unser Sohn, der minderjährig, schwer mehrfach behindert ist eine Selbstbeteiligung von 1440€ im Jahr, den Sondierautomat erstatteten sie dafür. Sondenkost ist kein Luxusmittel, sondern überlebenswichtig für Schwerstkranke unfassbar, wenn dies verwehrt wird. Es steht in keinster Weise im Einklang mit der Fürsorgepflicht des Dienstherren gegenüber seiner Angestellten und deren schwer kranken oder behinderten Angehörigen. Viele andere Bereiche sind auch unwürdig, ich habe eine ganze Liste zusammen. Denn ich kenne inzwischen viele Betroffene.

Doch wer geht mit mir auf die Barrikaden? Manche haben Angst es sich mit der Beihilfe zu verderben, andere sind zu ausgelaugt oder was weiß Ich. Ich habe wieder versucht Unterstützer*innen zu finden, Politiker*innen, andere pflegende Eltern, Menschenrechtsaktivist*innen.. Einzelne wie Antonio stehen uns zur Seite. Doch irgendwie passiert fast nichts. Immerhin kommt eine Journalistin einer größeren Zeitung. Doch alles andere versandet. Zu mindestens fühlt es sich so an. Und ich zweifel sehr daran, dass etwas vorwärts geht, wenn man nicht immer wieder nachhakt.

Das alles hat mich ganz schön ausgebremst. Neben dem Lockdown der kleinen Madame, die ungebremst am Rumrennen und Fordern ist. Ständig nach dem Kindergarten fragt. Dazu die anhaltende Angst, um unseren Liebling, für den es als chronisch kranke Minderjähriger keine Impfung gibt ( die Aktion Risikogruppenkind will das ändern!) und all die Angst triggernden Nachrichten. Die Intensivtherapie auf die wir seit Jahren warten haben wir not gedrungen verschoben. Die große zweite Hüftoperation werden wir nicht aufschieben können. Gerade bin ich sehr „ausgelutscht“. Vermisse Positives an dem ich mich aufrichten kann. Dabei wären wir auch ohne Kultur- und Gastroschließung wohl kaum unterwegs. Zuerst hat es mich erleichtert, dass dieses „wir könnten doch mal wieder“ weg gefallen ist. Aber gelegentlich haben wir es ja schon in den Tierpark, ein Cafe oder ähnliches geschafft.

Es wäre wirklich an der Zeit raus aus dieser Matrix, diesem Pandemiestatus. Ich versuche jeden Sonnenstrahl einzufangen. Aber der Bleiklotz lastet schwer auf mir. Ich möchte dankbar sein, dass wir bisher relativ gut durch die Krise gekommen sind. Trotzdem bin ich einfach so erschöpft. Dinge, die mir sonst Kraft geben und Freude machen werden zur Belastung. Ich hoffe ich kann das Ruder bald wieder rum reißen. Nächste Woche geht der MaPa wieder in die Schule, die Kleine wohl in den Kindergarten. Den Räubersohn behalten wir weiter zu Hause. Ich muss dann noch mehr funktionieren. Die Mutanten machen mir Sorge… Vielleicht entspannt sich alles, dass unsere Anderswelt-Normalität sich wieder langsam einstellt. Noch kann ich es nicht ganz glauben. Aber was bleibt übrig müssen abwarten.

Wer – Privatperson oder Vereine etc. – sich mit dafür einsetzen will, dass die B-W Beihilfeordnung überarbeitet wird, melde sich bitte bei mir per Mail: sophiesandersweltblog@gmail.com – Wir haben noch nicht aufgegeben!