Alles anders – Konstant ist nur die Veränderung.

„Pflegende Mutter und Bloggerin“ so wurde ich vorgestellt bei der Podiumssiskussion zum Thema „Pflege und Beruf – Lehren aus der Corona-Pandemie“ vom BMFSF und dem unabhängigen Pflegebeirat. Dabei schreibe nur noch selten längere Blogbeiträge, doch wer mir auf Instagram folgt sieht weshalb: 

Denn ich bin inzwischen vom Texte produzieren mehr zum direkten Handeln übergegangen. Seit der Demo im Herbst 2019, bei der sich mein junger Verein und die neugegründete Selbsthilfegruppe „Teilhabe jetzt! “ für mehr Rechte von Menschen mit Behinderungen und die Sichtbarkeit von pflegenden Angehörigen eingesetzt hat, will ich mehr nach Außen gehen. Es geht mir darum nicht nur zu beschreiben was schief läuft, sondern versuchen gezielt Veränderungen zu erwirken! Nonverbalen Menschen, wie unserem Sohn, die selbst nicht lautstark öffentlich verständlich für ihre Bedürfnisse eintreten können eine Stimme geben. Und „meinen“ pflegenden Familien der SHG und mir selbst dabei helfen aus dieser verdammten Opferrolle rauszukommen. Denn da landen wird immer wieder dank Lobeshymnen während parallel systematische Diskriminierung Alltag ist. Immer an meiner Seite meine aktiven Inkluencerverbündeten und vor allem Tina, die mir nicht nur bei Hölder e. V. sondern auch privat zu einer großen Stütze, Motivatorin und Freundin geworden ist. Seit kurzen bringen wir uns auch als Duo bei wir pflegen e. V. für die Belange pflegender Eltern ein. ) Und dieser Zusammenhalt ist wichtig er denn je.

Denn die Pandemie hat die Missstände in vielen Bereichen verstärkt und mehrere Aktionstage und Demonstrationen im Reallife verhindert. Gleichzeitig hat die digitale Vernetzung zugenommen und online Veranstaltung ermöglicht, zu denen ich als pflegende Mutter in echt nur schwer hätte aufbrechen können. 

Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf war zeitweise in der Corona Krise im Lockdown für einige sogar einen Tick besser –  durch digitale Angebote wie Sprechstunden per Videocall und neue Arbeitsformen, wie Homeoffice oder mobiles Arbeiten. Denn da geht etwas Pflegetätigkeit nebenbei: Sondieren, Inhalieren, Windeln wechseln, wenn mal wieder im Plan keiner steht und das Recht auf Teilhabe mit der Lücke im Pflegeplan mit erlischt. Mehr Verständnis und Entgegenkommen ist jedoch kaum gegeben und endet vielerorts mit der Risikostufe zusammen. Andere Eltern vor allem Mütter haben ihre bezahlte Arbeit in der Pandemie aufgegeben oder wurden gegangen. Sobald man länger oder öfter ausfällt wankt der Job. Die häusliche Pflege ist unkündbar. Da hilft kein Klatschen oder Schulterklopfen. 

Auch Aktivismus ist nur bedingt zu realisieren als pflegende Mutter. Und ich bin stolz, dass ich es geschafft habe an der Videoaktion zum Lied „Pflege“ von Nadine Maria Schmitt und dem Podcast nebendir zu pflegenden Angehörigen und einer Radiosendung in der Reihe Mutmacher mitzuwirken. Ich konnte diesen Sommer eine weitere wichtige Petition zur Umsetzung der UN-BRK mit auf den Weg bringen und Gespräche zur Bundestagswahl mit Kandiat*innen organisieren und an einer weiteren Podiumsdiskussion zum Schwerpunkt Inklusion von meinem Freund und „Bruder im Geiste“ Antonio Florio unsere Standpunkte deutlich machen. 

Andere Hobbys sind daneben mir nur schwer möglich aktuel, mangels Zeit und Energie. Es war auch viel. Das liegt auch an meiner Torschlusspanik, die leide nicht von ungefähr kommt. 

Denn bald so befürchte ich muss ich mich mehr zurückziehen. Meine Kraftreserven sind nicht nur durch die fehlende Entlastung und Sorge um unseren Sohn – verschärft durch die Coronajahre – weiter ausgeblutet.

Es ist überhaupt seine gesundheitliche Situation, die nun nun lange stabil war für seine Verhältnisse. Neben seiner mehrfachen Behinderung durch den Sauerstoffmangel (vermutlich ausgelöst von einem Plazentadefekt) ist er leider auch chronisch Nieren krank. Diese Organschädigung stand ja in seiner Neugeborenen- und Kleinkindzeit stark im Vordergrund, während das Ausmaß seiner Behinderung uns erst Stück für Stück bewusst wurde. Als er eineinhalb Jahren alt war, arbeitete die eine verbleibende Niere gerade wieder gut genug, um ohne Dialyse klarzukommen. Nun ist es im letzten Jahr parallel zur Hüftoperation zum Einbruch der Werte gekommen. Noch geht es ohne die Bauchfelldialyse – aber die Nephrolog*innen wollen nun auch nicht mehr warten bis es kein zurück mehr gibt. Sondern sie möchten frühzeitig – also noch dieses Jahr – wieder mit der Heimdialyse beginnen. Noch sieht und merkt man in es Gott sei Dank nicht an. Er hat keine schlimmen Wassereinlagerungen und scheidet auch noch Harnstoff aus. 

Trotzdem eine Hiobsbotschaft für uns.

Nach über fünf Jahren ohne dieses Gerät, dem damit verbundenen Risiko für Bauchfellentzündungen, generell das nicht Funktionieren der Ersatztherapie und langfristig eben auch die nötige Organtransplantation. Wieder eine kleine Intensivstation zu Hause. 

Da wird Vieles und wir selbst wieder hinten anstehen müssen. Angst kommt hinzu. Vor allem dem was schief laufen kann. Und die kleine Schwester bekommt inzwischen alles voll mit und kann schwer ihre Bedürfnisse hinten anstellen – was wir auch nicht wollen. Doch es wird wohl zwangsläufig dazu kommen müssen. Wieder mehr Kliniktermine, jeden Tag Verbandswechsel, der Test auf Leukozyten… die Listung zur Organspende zieht ebenfalls einen Rattenschwanz nach sich. 

Deswegen haben wir auch unseren Mut zusammen genommen und sind diesen Sommer in den Urlaub gefahren. Ans Meer was sich unsere Tochter so sehr gewünscht hat. Wir alle haben es genossen auch wenn es mit den beiden nicht gerade erholsam war in der hübschen kleinen Ferienwohnung ohne Pflegedienst dafür mit Strand um die Ecke. Die Schwiegereltern sind auch mit von der Partie gewesen und halfen mit die kleine Wilde zu beschäftigen. Es war so schön, das blaue Wasser, die schroffe Küste und lila Heide. Mit Rehabuggy über Gelände, entlang von Stadtmauern und hoch auf eine Festung. 

Wir erinnerten uns an den letzten Urlaub in dieser Ecke. Damals noch im alten Leben, den Räubersohn noch sicher und fidel in meinem Bauch. Das hat mich schon aufgewühlt. Wir könnten uns so an Urlaube gewöhnen, Familiennormalität. Die kleine  Piratenprinzessin plant schon die nächsten Reisen – dein Wort in Gottes Ohr kleine Miss. 

Kaum zurück aus dem Urlaub, bekam ich wieder den Boden unter den Füßen weggezogen. Zu all der Unsicherheit und den knapp besetzen Pflegedienst wurde meine Anstellung nach zwei Jahren nicht mehr verlängert. Jetzt ich muss mich nun noch neu bewerben und arbeitslos melden. Die Arbeit – meine Auszeit, zum Kopf frei bekommen, produktiv sein und Ergebnisse sehen…wieder dahin. Es ist frustrierend. 

Dazu kommen meine Myalgien zurück. Immer wieder kann ich kaum den Kopf heben oder drehen. Rückenschmerzen, Schlafprobleme, Ängste. Keine Kontinuität. Keine Sicherheit. Wertschätzung? Fehlanzeige! Immer wieder Ärger, Kämpfen, sich erklären, Bangen.. Ich habe das alles so satt

Es sitzt mir einfach im Nacken und lastet auf meinem nun fast vierzigjährigen Schultern. Sieben Jahre Pflege, ein Kind das viel Nähe braucht und Versorgung wie ein Säugling mit mit über einem Meter Körpergröße und 20kg Gewicht.

 Alles auf einmal – wieder – natürlich. Veränderung als einzige Konstate und Rolle rückwärts oben drauf.

Deshalb wird es eher ruhig bleiben hier. Ich hoffe weiterhin aktiv sein zu können, wenn auch in geringerem Umfang. Vielleicht berappele ich mich und es kommt ein neuer Job bei dem endlich ich ankommen kann und geschätzt werde. Vielleicht klappt es gut mit der Dialyse und wir gewöhnen uns an die nun wieder neuen Abläufe. …Doch die Erinnerungen an Dauergepiepse und Geschrei nachts die belasten und verhallen nicht so schnell. 

Ich versuche zuversichtlich zu sein. 

Manchmal gelingt es mir. 

Und die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf? Wenn sie mir begegnen sollte, dann lasse ich es euch wissen. 

Wahnsinn, der nie endet. Systematische Diskriminierung im Musterländle.

„Wann ist dieser Wahnsinn endlich rum?“ fragen alle und keiner hat mehr Geduld für Corona. Nun selbst, wenn die Pandemie mal durchstanden ist, weiß ich eines gewiss: Für uns pflegende Familien gibt es auch dann keine Normalität!

In unserem Landkreis lag bis vor kurzem die Inzidenz bei +- 300. Doch die Kinderarztpraxis will unseren Räubersohn nicht im off-label-use impfen lassen auch die Tübinger Kinderklinik weigert sich. Dabei würden wir selbstverständlich einen Haftungverzicht unterzeichnen. Wir warten und hoffen noch eine Praxis zu finden, die uns hilft! Wir können auch seine Schwester nicht ewig zu Hause lassen. Im Kindergarten sind übrigens noch nicht mal Masken vorgeschrieben bei der „Arbeit am Kind, geimpft sind auch hier nur wenige, ähnlich wie bei unserem Pflegedienst und unseren Therapeutinnen. Immerhin soll Biontec bald für 12-Jährige frei gegeben werden. Eine schwere Erkrankung wie Covid wäre das Letzte was er nun bräuchte, denn leider sind die Blut- bzw Nierenwerte unseres Juniors wieder am schlechter werden. Das heißt wir nähern uns erneut der Dialyse und Listung. Nicht einmal die zweite Hüftoperation wird nun durchgeführt, zu groß die Sorge des Orthopäden, dass es das Zünglein an der Waage zum Kollaps der Nieren wäre.

Zurück zur Normalität, das gibt es bei uns nicht. Nur weniger Isolation, mehr Kontakte zu Freunden und Familie, ein paar kleine Auszeiten – das wäre so wichtig und würde mir helfen wieder mehr Kraft schöpfen zu können. Aktuell schlittere ich durch die Wochen. Reagiere satt agiere. Existiere. Meist müde und entnervt.

Unsere Gerichtsverhandlung wegen der Sondennahrung, die vor Beihilfe BW nur anteilig übernommen wird (wobei wir den Hauptbatzen tragen nämlich Jährlich 1440€ während sie nur ca. 180€ zahlen) hat übrigens tatsächlich stattgefunden inzwischen. Und wir sind kolossal gescheitert – denn das Beihilfegesetz stellt sich einfach über die UN-Behindertenrechtskonvention sowie das Grundgesetz. Warum sollen Minderjährige, Schwerkranke und mehrfach behinderte Menschen Spezialnahrung zuzahlungfrei erhalten? So ein unnötiger Luxus! Aktuell bekommt unser sechsjähriger Sohn, der chronisch verchleimt ist, noch nicht einmal seine Inhaltionslösung erstattet. Luft bekommen ist ja auch so ein Schnickschnack. Ja, man wird zynisch und verbittert. Und gelegentlich angriffslustig..

Letzte Woche habe ich dem LBV ein Foto des Schleimbergs geschickt, den unser Liebling mühsam abhustet jeden Tag. Wenn das wirkungslos bleibt, schicke ich gefüllte Moltontücher per Paket! Die Leiterin der Abteilung versteht uns hat sie uns inzwischen mitgeteilt, allerdings seien auch ihr die Hände gebunden. Es gibt seit diesem Jahr eine Regelung, dass schwerkranke Kinder ab 6 Jahren Inhaltationslösung erstattet bekommen – allerdings nur wenn diese an Mukoviszidose leiden. Kinder und Erwachsene mit COPD, Asthma, mehrfach Behinderung mit geringem Lungenvolumen oder andere Schwersterkrankte bekommen nichts erstattet. Und wir reden von 40€ pro Großpackung und Inhalieren muss man meist mehrmals täglich. Ein Unding und eine behördliche, systematische Diskriminierung ist das. Ableismus pur – nur wen interessiert es?

Wir werden – sobald es meine Kräfte zu lassen -gemeinsam mit anderen Eltern diese Zustände öffentlich machen und eine Landtagspetition starten. Denn weiterer Irrsinn liegt vor bei Hilfsmitteln wie bsw. Therapiestühlen, bei denen ein Eigenanteil anfällt und die nur partiell finanziert werden, andere bekommen keine Haushaltshilfe für die restliche Familie, wenn Mutter und Kind wochenlang in der Klinik oder Reha sind, bei Therapien wie Logopädie werden zu niedrige Stundensätze vorgegeben, so dass die Familien pro Rezept oft zwischen 150€ und 240€ drauf legen müssen und auch die Sätze der ambulanten Kinderpflegende werden vom Amt inzwischen angezweifelt.

Wir haben bereits vor Monaten den Lvkm sowie die Behindertenbeauftrage gebeten uns zu unterstützen, da die Beihilfe uns pflegenden Angehörigen das Leben immer schwerer macht. Doch da bei uns ja ein Verfahren anhängig war, durften sie sich nicht einmischen, vielleicht jetzt wo es verloren ist und es gibt ja wie gesagt noch genügend anderes, das uns Nerven kostet. Seit Neuestem gehen Widersprüche bei der Beihilfe auch nur noch postalisch – während die Ablehnungen wie am Fließband funktionieren, seit dem feste Sachbearbeiter*innen aufgehoben wurden. Auch wenn dicke Akten vorliegen zu all den Krankheiten, wird munter ablehnt ohne diese zur Kenntnis zu nehmen – es ist zu Durchdrehen!!

Willkommen in den 50iger Jahren! Mutti sitzt gerne zu Hause und tippt Briefe als unbezahlte Sekretärin. Danke für Nichts und das Leben schwer machen – mit einem Kind das unheilbar krank und viele auch lebenslimitierend erkrankt sind, haben wir Familien nichts besseres zu tun als Widersprüche zu schreiben und Spenden zu sammeln bei Ablehnung. Den der Gang vor Gericht bringt wie gesagt nichts diese Diskriminierung ist in Baden-Württemberg js legal!

Wenn unsere werte Landesregierung sich endlich mal formiert hat, nach zwei Monaten, haben wir hoffentlich endlich auch wieder Ansprechpartner*innen, der letzte, der Inklusions- und Behindertenbeauftrage von den Grünen, hatte im Wahlkampf leider keine Zeit für unsere Belange. Und sich danach auch nicht mehr gemeldet, nur zwischen durch verlauten lassen, wir sollen nicht weiter nachfragen, es sei in Arbeit. Bisher ohne Ergebnis.

Diese anhaltende Diskriminierung auf allen Ebenen. Ich habe es so satt! Ich bin gespannt was bezüglich des inklusiven Schulplatzes noch auf uns zu kommen wird. Das Elternwahlrecht wird in BW weiter unter den Teppich gekehrt bzw. regelrecht bekämpft. Wer berät bsw. zur Wahl des Schulplatzes? Richtig, die Beratungsstellen der Sonderschule! Denn hier im Landkreis Heilbronn läuft es so, dass es zwar ein Recht auf einen inklusiven Schulplatz gibt ABER nicht vor Ort! Während die Sonderschulen vergleichsweise nah liegen, kann ein Kind mit schwerer Behinderung sonst wohin geschickt werden, statt mit seinen Geschwistern oder Nachbarskinder zusammen in die Grundschule zu gehen!! Das ist keine Inklusion – das ist Fremdbestimmung und Willkür pur!! 12 Jahre nach in Kraft treten der UN-BRK.

Wir wollten Normalität. Und bekamen Grippe.

Mit unserer kleinen Miss hat sich unglaublich viel geändert in den letzten beiden Jahren. Unglaublich ist auch, dass sie schon so lange da ist. Es kommt es uns vor, als wäre sie schon immer Teil von unserer Räuberbande.

Wir haben schon oft dieses Familiengefühl vermisst. Irgendwie waren wir oft mehr Case-of-Emergency-Manager und Pflegeteam als Eltern gewesen. Obwohl unserer Erstgeborener natürlich unser geliebtes “Goldstück” und  “kleiner König” ist, wie wir ihn auch heute noch nennen. Doch der Alltag mit dem Räubersohn ist leider so verschieden zu dem von anderen Kleinfamilien. Während andere Eltern über Kindergartenwahl und Streitereien erzählen, vom Kindertanzen oder Musikkursen – wir waren da raus. Wir können nur von Physio-, Logo– und Ergootherapie berichten. Nach dem PeKiP und Babyfitkurs (den ich mit ihm auch noch besuchte, als er schon fast zwei war) ist bei uns hier in der süddeutschen Provinz irgendwie Sense gewesen mit inklusiven Angeboten oder Möglichkeiten an typischen Familienaktivitäten teilzunehmen. Echt schade. So bekamen wir nur wenig Kontakte zu anderen Eltern an unsrem Wohnort.

Immerhin habe ich ja ein paar liebe Mamas aus meinem “besondere Mütter”  Netzwerk und wir beide noch treue Freunde, mit und ohne Kids, von früher. Aber unsere Lebenswirklichkeiten sind einfach so verdammt unterschiedlich. Gespräche über Kindergeburtstagsplanung, das beste Laufrad Modell oder Ideen für super Ausflüge oder Urlaube – wir konnten eigentlich nie richtig mitreden.

Mit unserer wilden Piratenprinzessin sind wir nun in rasantem Tempo in all das hinein katapultiert worden, was wir vorher vermissten. Von Kita-Eingewöhnung über Ernährung, Spielzeugauswahl und Erziehungsmethoden – alles plötzlich aktuell. Obwohl wir in manchen Dingen schon routiniert sind (z.B. Wickeln, Brei füttern, in Schlaf schaukeln) sind wir gleichzeitig auch blutige Anfänger in viele. Trotz drei Jahren Vorlauf im Elternsein. Sei es bei Smalltalk beim Abholen oder Durchhalten beim Eltern-Kind-Turnen.  Auch so manche Erkenntnis, wie anstrengend auch putzmuntere, kerngesund Kids sein können, haben wir gewonnen. Und, dass so manche Geschichte, die wir früher von befreundeten Müttern und Vätern hörten (u.a. von wegen nicht mal auf dem Klo alleine sein) nun mal pure Wahrheit und nicht übertrieben sind!

Und dann erst einmal diese unsäglichen Krankheitsphasen…Da unser Räubersohn kaum interagiert oder spielt, kommt er natürlich wenig in Kontakt mit anderen Kindern. Er kann auch nicht gezielt greifen oder sich etwas in den Mund stecken. Was einerseits traurig ist, hielt uns andererseits zumindest die meisten “Kindergarten-Seuchen” vom Hals.

Nicht so bei der kleinen Miss, die alles abschleckt, was nicht vor ihr sicher ist. Sie hat gleich im ersten Kita-Winter uns Magendarm als vorweihnachtliches Geschenk mitgebracht und solidarisch geteilt. Ob ihr Bruder es hatte, kann ich nicht einmal sagen, denn er kann sich ja aufgrund der Fundublikatio (Magenklappe) nicht mehr erbrechen und seine Verdauung spinnt sowieso fast immer. Mich hat es auf jeden Fall auch voll erwischt und die anfängliche Hoffnung, dass sie nur zuviel durcheinander beim Weihnachtsmarkt gefuttert hat, war dahin als ich drei Tage darauf nächtens vor der Toilette kniete. Und das, nachdem mir meine stressbedingte, wiederkehrende Innenaugenentzündung bereits ordentlich ein Bein gestellt hatte im Herbst, da mir das Kortison nicht nur auf den Magen, sondern auch auf die Psyche gegangen ist.

– Mit ein Grund warum das unperfekte  “Weniger ist mehr”-Prinzip bei mir nicht nur freie Wahl war.) Ich bin insgesamt auch einfach zu ausgebrannt gewesen, ob bei all dem drumherum im Advent auch noch Vollgas zu geben. Meine Energiespeicher sind noch immer ziemlich erschöpft – was sich wohl auch nicht so schnell ändern wird, deshalb auch der Brandbrief. (Zumal wir jetzt tatsächlich gegen den Arbeitgeber des MaPa vor Gericht ziehen müssen, da das Land Baden-Württemberg in seiner Beihilfeverordnung nicht vorsieht die verordnete, spezielle vollbilanzierte Sondenkost unseres ohnehin zu leichten und zu kleinen chronisch kranken Lieblings vollständig zu erstatten. Mit ihr wird er wegen seiner Schluckstörung mit Asphyxiegefahr über die PEG-Magensonde ernährt. Sondenkost ist übrigens selbstverständliche Kassenleistung und wird auch vom Sozialamt erstattet, wenn entsprechende Bedürftigkeit vorliegt. Wirklich blamabel für so ein reiches Bundesland! Für uns ein Ärgernis mehr, neben den seit Monaten ausstehenden Arztberichten zur Verlängerung der Intensivpflegeverordnung und die nächsten anstehenden Kliniktermine auswärts.

Doch zurück zu der Viren-Welle:

Im neuen Jahr war nur kurz Ruhe und jetzt haben wir vier gerade fünf Wochen abwechselnde Krankheiten – hoffentlich – hinter uns. Begonnen hat unser kleiner König mit einer Bronchitis, die über Nacht obstruktiv wurde, und uns beinahe eine “Suite” in der Klinik beschert hätte. Nur da wir zur Zeit viele Pflegestunden von unserem Kinderintensivpflegedienst abgedeckt bekommen, und auch mit Stethoskop, einem Pulsoximeter und Absauggerät zu Hause ausgestattet sind, konnten wir mit ihm hier bleiben. Nachdem der Killercocktail aus Kortison, Antibiotika und Lungen erweiternden Medis gut gewirkt hat. Ich war zum ersten Mal seit langem froh,  soviel Medizintechnik daheim zu haben. Auch neben seinem Bett zu sitzen während er schläft, das gab es schon länger nicht mehr (stundenlanges abends auf dem Arm halten und wiederholtes Umlagen nachts haben wir ohnehin genug). Dann bekamen der MaPa und ich Grippe und zum krönenden Abschluss unsere kleine Maus noch Scharlach. Wenig Essen am Tag, nur Fläschchen zum Trinken gingen zwischendurch und ein furchtbar anhängliches Mama-Baby war sie wieder. Nachts viele Tränen, großer Durst und unglaublich hohes Fieber, trotz Wadenwickel und Zäpfchen. Ich dachte ich werde verrückt, die Sorge um sie ließen mich neben ihr auf der Gästematratze umherwälzen.

Bei ihrem Bruder war ich, wenn ich mich richtig erinnere, entspannter. Denn im Vergleich zur Intensivstation kam mir das bei ihm ziemlich pillepalle vor. Voll Überzeugung das Richtige zu tun, ließen wir ihn erst etwas fiebern und gaben dann abwechselnd Paracetamol und Ibuprofen Zäpfchen oder Saft. So wie wir es im Baby Erste Hilfe Kurs gelernt hatten. Beides war falsch, bei nierenkranken Kindern (Temperatur nicht über 39° kommen lassen und nie Ibo geben, weil es über die Niere abgebaut wird).  Nur da es uns keiner der Nierenärzte mitgeteilt hatte, wussten wir das als Neulinge in diesem Gebiet natürlich nicht! In der Klinik, als er das erste mal einen grippalen Infekt hatte, während den Dauer-stationären drei ersten Neugeborenen Monaten, musste ich sogar darum betteln das Zubehör zum Inhalieren zu bekommen. Er war später zu Hause – nicht zuletzt wegen des Pflegepersonalmangels – wirklich besser umsorgt.

Nur bei der kleinen Miss kommen mir nun all die Horrorstorys wieder hoch, die ich kennenlernen durfte im Ronald Mc Donald Elternhaus, den Kliniken und bei der Reha. Windpocken, die das Gehirn schädigen, Entzündungen der Blase oder Atemwege, die lebensbedrohlich wurden und vieles Grausliches mehr. Die Sorge, sie könnte auch chronisch krank werden. Ich habe echt meine Lässigkeit ziemlich eingebüßt bei so etwas normalen entspannt zu bleiben. Dementsprechend bin ich zusätzlich erledigt.

Aber auch ohne diese, von unserer Vorgeschichte getriggerten Ängste, ist die Verantwortung für diese kleinen Würmchen doch ganz schön groß. Auch das ist Familiennormalität. Danach hatten wir ja gerufen und prompt kassiert. So sind wir nun bedient wie die anderen Familien, die Infekt-Pingpong spielen. Nur, dass bei uns dann plötzlich noch Krankenpflegerinnen mit Mundschutz herum springen und wir sogar Kinderurinbeutel im Haushalt vorrätig haben.

Nun freuen wir uns auf den Frühling. Das erste aufgeschürfte Knie hat sich das wilde Monstermädchen, just nach seiner Genesung, gestern bereits beim Spaziergang zu den Nachbarpferden geholt.  Das kann ja noch heiter werden.

Nach Adeli: Sommertief statt unbetrübten Urlaub. Wie wir als pflegende Eltern hängen gelassen werden.

Eigentlich hatten ich euch versprochen noch über die Adeli Therapie zu berichten – aber schon in den Tagen der Hinfahrt war absehbar, dass zu Hause massiver Ärger auf uns wartet. Leider überschattet der Krieg mit der Krankenkasse um die dringend nötige intensive Behandlungspflege unseres chronisch kranken und schwer mehrfach behinderten Räubersohns unseren gesamten Sommer.

Zunächst noch die – zugegeben komprimierte – Zusammenfassung zur intensiv Rehabilitation, dem Babymed in Piestany – Adeli II:

Nun mit regelmäßigen Blutdruckkontrollen vor und nach dem Physiotraining und häufiger Gabe des Bedarfmedikaments, durften wir das Adeli-Programm weiterführen. Das heiße Wetter war natürlich zusätzlich eine Hürde und der kleine König ist oft recht lasch gewesen. Laut Arzt und Physiotherapeuten absolvierte der Junior nur circa ein Fünftel des regulären Programms. Aber hey – es ist schließlich kein Wettkampf! Wenn das reicht, ist das doch in Ordnung. Wir kamen nicht mit dem Ziel ihn laufend mit nach Hause zu bekommen. Nein, wir wollten ihm etwas Gutes tun, seine Beweglichkeit wieder mehr herstellen nach der Faszien- und Sehnen-Op. Und man höre und staune: Das gelang tatsächlich ein gutes Stück. Der tapfere Knirps gewöhnte sich ans Durch bewegen á là Adeli im synchronen Modus mit einer netten Dame zur Linken und Rechten. Er meckerte nur selten und spürte wohl, dass seine Spastiken weniger wurden. Die Massagen – bis zu drei am Tag – hat er so genossen! Als es etwas abkühlte machte unser Liebling sogar aktiv mit, ein bisschen zumindest etwas Kopf halten und stützen. Wir waren etwas ernüchternd durch die Kommentare des Arztes vor Ort aber eigentlich sehr stolz wie sich der junge Herr doch berappelt hat nach diesem Frühjahr. Bei der Logopädie, die leider nur selten angesetzt war, schoss er den Vogel ab. Besser gesagt den Wurm. Eben solchen kaute er ohne würgen aus Fruchtgummi. Irre! Das hätten wir ihm nie zugetraut mit seiner Dysphagie und sonstiger Abneigung gegen saurer Dinge. Anstrengend war es auch für uns. Auch psychisch – viele Familien mit stark beeinträchtigten Kiddies auch inzwischen erwachsenen Kindern, die zum Großteil heftige Geschichten durchgemacht haben und noch immer am Kämpfen sind, ob mit der Krankheit oder den Kostenträgern. Eltern, die all ihr Geld und Freizeit in Therapien stecken. Und ich gar nicht wusste, ob ich das überhaupt richtig finden kann. Rastlos waren viele, Kette rauchend. Andere wieder sehr vergnügt, optimistisch, aufgeschlossen, lebensfrohe Leute aus ganz Europa tranken zusammen abends Bierchen zu den WM Spielen. Auch ein bisschen das Gefühl von Ferien war mit dabei.

Doch das Schlafen viel mir schwer. Ich bekam von meinem Vater netter Weise das unsäglich bescheidene Gutachten (nicht das erste,  das unqualifizierte bzw. unerfahrene Gutachtern mit angestaubten Dr.-Titel des privaten medi-Prüfunternehmen bei uns gehörig verbockt wurde)  zum angeblich nicht vorhandenen Pflegebedarf per Mail geschickt und wusste daheim erwartet mich das ätzende Widerspruchsverfahren.

Status quo:

Denn wie gesagt, als wäre es nicht genug, dass Dank Pflegenotstand immer wieder der ambulante Pflegedienst ausfällt, sollen wir laut unserer privaten Krankenversicherung mit dem großen D jetzt möglichst alleine klar kommen. Wir hatten tatsächlich gewagt uns mehr Behandlungspflegestunden verordnen zu lassen seit dem wir seit 1,5 Jahren trotz Verschlimmerung der Krankheitsbilder und damit auch Pflegesituation nicht um Erhöhung baten. Getraut hatten wir uns das, da es zwischendurch kurz besser aussah bei unserem Pflegedienst – aber es kam mal wieder anders. Statt neuer Pflegekräfte unter Vertrag zu bekommen, kündigten Weitere (und der andere Kinderpflegedienst in der Nähe kann uns auch nicht übernehmen). Dabei sind wir beide MaPa und ich ziemlich kaputt, gehen schon lange auf dem Zahnfleisch. Die schlaflosen Nächte, ein Kindergartenkind das Fürsorge wie ein Säugling und medizinische Versorgung wie ein älterer, hilfsbedürftiger Mensch benötigt (plus ein Baby bzw. Kleinkind) und die anhaltenden Gefechte mit der Versicherung seit fast vier Jahren schlauchen uns nachhaltig.

Und nun: Aus unser Bitte um mehr nächtliche Unterstützung resultiert solch ein katastrophales Gutachten voller Fehler und die komplette Streichung. Wir sind noch immer fassungslos.

An Verreisen ist nicht zu denken. Was hab ich nicht geträumt im Winter…Jetzt war Adeli unsere einzige quasi-Auszeit. Ein bisschen Urlaubscharakter hat es ja bekocht zu werden und am therapiefreien Wochenende ein paar Ausflüge zu machen. Und was uns auch Aufwind gibt die ganze Zeit ist die kleine Miss, die auf dem Hinweg ein Jahr alt wurde und so fröhlich und draufgängerisch ist, dass es eine wahre Freude ist. Auch der große, kleine Bruder liebt ihre Knutschüberfälle bei denen sie sich auf ihm wirft. Natürlich ist es auch kräftezehrend, dem Wusel hinterher zu rennen gerade in diesem Jahrhundert Sommer. Was uns außerdem glücklich macht: Der Räubersohn ist noch immer aufmerksamer und auch daheim weniger spastisch. Er schlief eine Weile sogar manchmal im Liegen (statt hoch gelagert) und einen Tick besser. Wir versuchen ihn weiter möglichst täglich durch zu bewegen aber zu zweit bekommen wir das eigentlich nicht hin. Außerdem probieren wir uns langsam wieder an UK mit Metacom-Symbolen und PC Augensteuerung. Beides mit noch nicht absehbarer Anwendbarkeit.

Weiterhin schnürt uns die nicht gelöste Frage wie der Räubersohn künftig weiter betreut und medizinisch versorgt wird weiter die Kehle zu. Die angebliche „unabhängige Beratung“ die uns aufs Auge gedrückt wurde, entpuppte sich als weitere Begutachtung – nun durch eine Psychologin. Und ein paar unser Ärzte lieferten ihr teilweise Haar sträubende Aussagen, die sich ungünstig auswirken können. Wir müssen uns erklären. Dinge klar benennen, die jeder Laie sieht.

Alles ist in der Schwebe. Nur wir sind am Boden. Nun müssen wir wohl einen Anwalt einschalten auch Regional TV und Zeitung habe ich kontaktiert. Es ist einfach zum k***** ich kann es nicht beschönigen. Wieder ein Kampf, dessen bloße Existenz niemand mit Verstand und einem Hauch Empathie nachvollziehen kann. Dass man als pflegende Eltern so hängen gelassen wird. Nach 3 3/4 Jahren sollen wir auf einmal ohne professionelle Hilfe zurechtkommen? Und der Kindergarten auch? Das ist nicht machbar!

Ein Kind das regelmäßig aspiriert, nachts stundenlang weint um Atem ringt, diverse epileptische Anfälle zeigt und unzählige Medikamente für den heftigen Bluthochdruck (bedingt durch die Niereninsuffizienz) benötigt, schlimme Schmerzzustände durchlebt – all das käme uns nur subjektiv so schlimm vor?!

Ich bin fassungslos, sauer, müde. Und nach wie vor gilt: Mit letzter Kraft die Hand zur Faust ballen. Für ihn, für uns. Wir lassen uns nicht nehmen was uns zusteht, was wir alle brauchen. Er zum Überleben und wir zum Weiterleben.

„…dass ihm auch nicht eines fehlet.“ Die oft (noch) nicht bekannte Chance von pränatalen Operationen. Der dritte Teil der Miniserie über das Weitertragen.

Ich möchte euch im dritten Teil der Miniserie über das Weitertragen eine so dramatische wie außergerwöhnliche Geschichte erzählen – oder besser gesagt, die Eltern selbst zu Wort kommen lassen in diesem Gastbeitrag.

Wir kennen uns von Facebook aus der Nierenkinder-Gruppe. Während unser Räubersohn erst durch die Geburtskomplikationen mehrfach behindert und chronisch Nierenkrank wurde, erfuhren die Eltern dieses kleinem Jungen bereits in zweiten Schwangerschaftstrimester von seiner schweren Nierenfehlbildung und dem dadurch ausgelösten Fruchtwassermangel.

Den werdenden Eltern wurde keinerlei Hoffnung gemacht, dass ihr Baby leben könnte. Doch sie gaben nicht auf, wollten ihr Wunschkind mit aller Konsequenz austragen (- wie die beiden anderen bereits vorgestelltenen Familien). Und: Sie fanden einen mutigen Arzt, der sie unterstütze und mit mehreren pränatalen Eingriffen das Leben ihrers ungeborenen Sohnes rettete. Hier berichet das Elternpaar über ihre Erlebnisse, „düstere  Zeit“ und wie sie heute durch ihren Verein „Bundesverband zur Begleitung von Familien vorgeburtlich erkrankter Kinder“ (bfvek)Familien in ähnlichen Situationen helfen möchten:


Am 02.01.2017, in der 19. SSW hatten wir einen Routine-Ultraschall bei unserer Frauenärztin in Würzburg. Der erste, an dem ich als Vater teilnehmen konnte. Wir waren sehr gespannt und hofften das Geschlecht des Kinders zu erfahren. Die Ärztin schallte meine Freundin und sagte dann, dass etwas wenig Fruchtwasser vorhanden sei und ihr Chef noch einmal schallen sollte. Wir wurden nervös und erhielten letztendlich die Diagnose „Fruchtwassermangel“. Aufgrund defekter bzw. kaum im Ultraschall darstellbarer Nieren produzierte unser Kind kein Urin, wodurch kein Fruchtwasser mehr entstand. Das Schlucken des Fruchtwassers ist aber wichtig für die Lungenentwicklung des Kindes.

Wir wurden an die lokale Universitätsklinik weiterüberwiesen. Diese hatte aber erst in zwei Tagen einen Termin für uns. Wir googelten sehr viel, fanden uns aber nicht wirklich mit unserer Diagnose wieder. Das was wir lasen, führte immer zum Tod des Kindes spätestens bei Geburt. Die Ultraschallspezialistin der Klinik war noch im Weihnachtsurlaub, so dass ein Oberarzt die Diagnose bestätigte. Weitere fünf Tage später voller schlafloser Nächte, wurde uns letztendlich von der Ultraschallspezialistin in einem persönlichen und professionellen Gespräch die Optionen „Abtreibung“ und „Stille Geburt“ dargelegt. Wir rechneten schon aufgrund unserer eigenen Recherchen damit, aber es war trotzdem unglaublich hart, es wieder zu hören.
Ein unbeschreiblich großer Schock, da unser Kleines auch noch das langersehnte Ergebnis einer langwierigen Kinderwunschbehandlung war. Wir klärten noch kurz für uns wichtige Punkte mit den Ärzten ab: ist das Leben der Mutter gefährdet – nein. Geht es dem Kind im Mutterleib soweit gut – ja, da die Mutter die Aufgaben der Nieren des Kindes übernimmt. Bis wann sollten wir uns entscheiden – okay.
Betroffen verließen wir gemeinsam das Gebäude der Uniklinik, die Hand auf dem kleinen Schwangerschaftsbauch und nah bei unserem Kind. Wir setzten uns in unser Auto und brachen wieder in Tränen aus, wie schon so viele Male die Tage davor. Ein Lebewesen, dass unschuldiger nicht sein könnte, sollte keine Chance auf ein Leben haben. Ist das gerecht? Warum wir? Warum es? Viele Fragen. Ohne Antworten.
Wir sprachen kurz über die Situation und waren uns sehr schnell einig: wir möchten kein Leben unseres Wunschkindes beenden, wenn es dem Kind gut geht und die Mutter ungefährdet ist. Damit würden wir viel schwerer klarkommen, als mit einer stillen Geburt. Das Kind soll selbst entscheiden wann es gehen will oder nach der Geburt in unseren Armen „einschlafen“ und sich für einen kurzen Moment von seinen Eltern geliebt fühlen.

Wir begannen ein Erlebnistagebuch zu führen, Babybauchabdrücke zu machen und möglichst viel Zeit bewusst und „zusammen“ mit unserem ungeborenen Baby zu verbringen. Wir machten Ausflüge, die man sonst mit Kindern unternimmt: Ponyreiten, ins Playmobilland, ins Kino etc. Wir besuchten die Sternenkindergruppe der Malteser Würzburg (https://www.facebook.com/maltesersternenkinder/) und informierten uns über die Möglichkeiten einer Beerdigung. Meine Freundin begann im Weitertragen-Forum aktiv zu werden. Um auch unsere Familien einzubeziehen organisierten wir einen Familienultraschall bei unserem Frauenarzt, bei dem alle zuschauen konnten. Als hätte unser Kleines es gewusst, sah es auch kurz so aus, als würde es uns im Ultraschall zuwinken. Bei jedem Ultraschall ließen wir Fotos ausdrucken und klebten diese in unser Erlebnistagebuch, dass heute zusammen mit verschiedenen Geschenken und selbstgebastelten Erinnerungen in einer großen Schatztruhe lagert. Sehr bedrückend war es, wenn meine Freundin auf ihren sichtbaren kleinen Schwangerschaftsbauch angesprochen wurde. Oft wurden wir auch mit Unverständnis konfrontiert: „Wie, ihr müsst das Kind jetzt austragen?“. So hart die Worte im ersten Moment waren, so wissen wir doch, dass das weder böse gemeint war oder „auf die Schnelle“ eine adäquate Reaktion einfach ist, noch dass jeder wie wir entscheiden würde. Insofern waren wir hier nie nachtragend – außer gegenüber dem ärztlichen Personal, von dem Professionalität erwartet werden kann. Wir wollten auch das Kind nicht durch ein „neues ersetzen“ oder „tauschen“.

Und so verging die Zeit.

Hier könnte die Geschichte nun vorhersehbar und traurig enden. Das tut sie aber nicht. Denn zwei Wochen nach der Erstdiagnose fanden wir über Bekannte mit Professor Kohl vom DZFT (www.dzft.de) doch noch einen Arzt, der versuchen wollte uns zu helfen. Er garantierte nichts, wir tauschten die 0%-Überlebenschance unseres Kleinen gegen einen Funken Hoffnung ein. Egal wie gering die Chance ist, wer nicht kämpft, hat schon verloren. Das Ergebnis der 6 operativ durchgeführten Fruchtwasserauffüllungen, vieler Schlafloser Nächte, Sorgen, Ängste vorm Blasensprung, einer Frühgeburt und viel viel Daumen drücken heißt Paul, ist heute 8 Monate alt und ein zufriedenes Baby, das auf eine Nierentransplantation hinarbeitet. Bei der ersten Fruchtwasserauffüllung spürte meine Freundin die Bewegungen des Kleinen zum ersten Mal strampeln, er hatte Platz zum Planschen und wir hatten das positive Gefühl, seine (pränatale) Lebensqualität gesteigert zu haben.

Wenn wir heute zurückblicken auf diese Zeit, ist alles sehr weit weg, aber doch irgendwie nahe, da viele der Termine und Ereignisse nun genau ein Jahr vergangen sind. Gerade jetzt als ich diesen Bericht schreibe, waren wir damals so verzweifelt, wie noch nie in unserem Leben. Wir hatten das Glück dieselbe Meinung zu haben, dass wir das Baby weiter austragen und eine positive Zeit als kleine Familie verbringen wollen. Noch viel mehr Glück hatten wir, das unsere Geschichte ein happy end hat.
Heute wissen wir, dass man bei vielen pränatalen Diagnosen etwas Positives bewirken kann. Auch nicht jede Diagnose erweist sich letztendlich als richtig. Und man sollte nicht direkt der ersten Arztmeinung folgen. Es sollte jedes Paar selbst entscheiden, was für sie und das Kind gangbar ist im Kontext der Krankheit des Kindes, der medizinischen Möglichkeiten und der eigenen Ressourcen. Denn auch eine vorgeburtliche Behandlung bedeutet leider nicht ein happy end. Wichtig ist aber immer – und das blieb uns verwehrt – eine unvoreingenommene und umfassende Aufklärung durch die Ärzte. Uns wurde letztendlich von der Behandlung, die unser Kind rettete, abgeraten. Im Nachhinein wurde uns bewusst, dass die Ärzte keinerlei Vorstellungen hatten, wie die Methode funktioniert oder anzuwenden ist. Das müssen sie im Detail auch nicht, dafür gibt es Spezialzentren der höchsten Stufe. Die notwendige Überweisung dorthin fand allerdings nicht statt.

Um Situationen wie du unsrige zukünftig zu vermeiden und betroffenen Eltern zu helfen, haben wir daher einen gemeinnützigen Verein gegründet: den Bundesverband zur Begleitung von Familien vorgeburtlich erkrankter Kinder e.V. (www.bfvek.de / https://www.facebook.com/BFVEK-eV-348044295614894/ )


Danke, dass wir hier unsere Geschichte erzählen und für unsere Sache werben dürften. 

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Wer in Kontakt zu der jungen Familie treten möchte, kann dies über den Verein tun. Außerdem leite ich Nachrichten an sie gerne weiter.

Meine INKLUSIVE Sammlung: Fachbücher, Zeitschriften, Homepages

Lange angekündigt endlich habe ich es geschafft…Meine inklusive Literaturliste. Es war doch mehr Aufwand als gedacht. Denn wenn ich mich mit einem neuen Thema auseinander setze oder mich etwas besonders beschäftigt, bin ich ein Bücherfresser und Informationssauger. Da die Themen Behinderung und chronische Erkrankung  – mit all ihren Nebenschauplätzen wie Pflegestufen/grade und co – nicht gerade ein kleines Feld darstellen, habe ich einiges zusammen getragen. Diese Stapel wälzte ich jetzt in den freien Tagen. – Einen Auszug davon möchte ich gerne mit euch teilen:

TEIL 1:  FACHBÜCHER, ZEITSCHRIFTEN, HOMEPAGES

 

FACHBÜCHER /RATGEBER

HEILPÄDAGOGIK: medizinische und psychologische Fragen

• Hans-Joachim Schmutzler: Handbuch Heilpädagogisches Grundwissen. Die frühe Bildung und Erziehung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder. Herder 2006. (Ca. 30€) 

=> Wirklich sehr, sehr empfehlenswert. Gerade am Anfang, wenn man sich von den medizinischen Diagnosen und Begrifflichkeiten überrollt fühlt. (Was heißt überhaupt behindert Sicht der verschiedenen Disziplinen?) Ich habe vor allem sehr viel nachgeschlagen in Kap.6 „Behinderungen und Störungsbilder“  u.a. zu Zerebrale Schädigungen und Bewegungsstörungen, Epilepsie etc. dabei fand ich die weiterführenden Literatur und die Vorschläge zu Therapien sehr hilfreich.

FRÜHFÖRDERUNG / PÄDAGOGISCHE RATGEBER  

Walter Straßmeier: Frühförderung konkret. 260 lebenspraktische Übungen für Kinder mit Entwicklungsverzögerungen und Behinderungen. Reinhardt 2015. (Ca. 30 €)

=> Da PEKiP und co. bei unseren Kindern mit Handicap nur bedingt anwendbar sind, bin glücklich auf dieses tolle Buch zur Frühförderung (von  3 Monate bis 5 Jahre alten  Kindern) gestoßen zu sein. Folgende Bereiche werden thematisiert: A: Selbstversorgung und Sozialentwicklung; B: Feinmotorik; C: Grobmotorik; D: Sprache; E: Denken und Wahrnehmung. Bei unserem Sohn mit seiner massiven Bewegungseinschränkung und globalen Entwicklungsverzögerung können wir zwar bisher „nur“ auf den untersten Stufen arbeiten, wer sich davon aber nicht deprimieren lässt, findet hier ein paar schöne Anregungen. Auf einiges könnte man auch selbst kommen, aber im Alltagsstress geht das doch als unter, um so besser ab und zu mal wieder in das tolle Buch rein zu stöbern.

Judith Loseff Lavin / Claudia Sproedt (Hrsg.): Besondere Kinder brauchen besondere Eltern – Behindert oder chronisch krank: Wie Sie ihr Kind beschützen und es unterstützen können. Oberstebrink 2004.( antiquarisch ab 6€)

=> Ich stehe zwigespalten zu dem Buch: Die ersten drei Kapitel über die Trauerphase und die Probleme in der Familie, einschließlich der Großeltern, sowie die Entwicklungsphasen fand ich spannend, wenn auch etwas knapp. Den Rest empfand ich als ziemlich willkürlich zusammen getragen – vielleicht hilft er anderen Familien mehr, z.B. die Themen Schmerzen, Haarersatz und Prothesen betreffen uns Gott sei Dank zur Zeit nicht direkt. Bei anderen Vorschlägen merkt man, dass das Buch aus den USA stammt, sie sind nicht eins zu eins in Deutschland anwendbar.

• Jesper Juul: Unser Kind ist chronisch krank: Ein Ratgeber für Eltern. Kösel 2005. (Antiquarisch ca. 5€).   

=> Ich fand diesen Ratgeber, des von mir sonst geschätzten „Erziehungsgurus“ Jesper Juul nur bedingt hilfreich. Er stellt die Familie in den Fokus, wie sie mit der Belastung durch die chronische Erkrankung als Gemeinschaft umgehen kann. Wie man lernen kann diese unabänderliche Situation zu akzeptieren oder Anleitungen, um aus negativen Gefühlen heraus finden, gibt es hier aber nicht. (Das neuere Buch Juuls (2014) mit dem ähnlichen Titel  „Unser Kind ist chronisch krank: Kraftquellen für die ganze Familie“ bekam bereits online dermaßen schlechte Kritiken, dass ich es erst gar nicht angeschafft habe.) Die meisten Autobiografien fand ich wesentlich besser zur Bekämpfung meiner „Kopfgespenster“… – Wer ein brauchbares Sachbuch oder einen guten Ratgeber weiß – bitte teilt es mir mit!

RECHT

•  Jürgen Greß: Recht und Förderung für mein behindertes Kind. Elternratgeber für alle Lebensphasen – alles zu Sozialleistungen, Betreuung und Behindertentestamen. dtv Beck 2014. (ca. 17 €).

=> Ein nützlicher Ratgeber für alle Lebensphasen von Geburt bis zur Volljährigkeit und Erwachsenen-alter, mit dem Scherpunkt auf Familien mit älteren Kindern. Praktisch beim Streit mit der Kranken/Pflegekasse oder den Ämtern Kap. 2. mit Auszügen aller relevanten Gesetztestexte. Achtung: Stand 2014 – Aktuelle Neuerungen wie das Pflegestärkungsgesetz 2017 und das neue Bundesteilhabegesetz muss man nach wie vor anderweitig z.B. online (siehe Homepages) nachsehen.

NIEREN

Johannes Mann: Nierenkrankungen. Was ihre Nieren schützt und stärkt. Trias 2015. (ca. 25 €, gebrqucht ab ca. 17 €)

=> Verständlich wird hier Medizinisches zu dem lebenswichtigen Organ erklärt, auch auf den Zusammenhang mit anderen Erkrankungen wie dem Bluthochdruck geht der Autor ein. Das Kapitel zur Ernährung fand ich gut , v. a. die Tabellen (es gibt ja zahlreiche Broschüren und Nieren-Kochbücher). Für den Umfang von ca. 150 S. wäre ein niedrigerer Preis nur angemessener.

FACHZEITSCHRIFTEN: (ICP, Niereninsuffizienz, Behinderung allgemein)

• not. Fachmagazin für Schädel-Hirnverletzte und Schlaganfall-Patienten sowie deren Angehörige, Pflegekräfte, Therapeuten, Ärzte, Akut-Kliniken, Rehabilitationseinrichtungen, Therapie- und Pflegeheime.

=> Alle zwei Monate kommt ein neues Magazin heraus. Hier werden Therapien und Einrichtungen sowie Veranstaltungen vorgestellt. Sowohl den Namen als auch die Optik (z.B. sabbernde Menschen mit Behinderung) finde ich persönlich nicht sehr glücklich gewählt und wenig ansprechend, ich kenne bisher aber nichts Vergleichbares. (Online auf www.not-online.de gibt es Leseproben der aktuellsten sowie früherer Ausgaben)

HANDICAP. Das Magazin für Lebensqualität. Für Menschen mit Behinderungen und ihre Freunde.

=> Das Magazin erscheint vierteljährlich, die Berichte der Vorjahre ( ab 2014 rückwärts) sind auch online nach zu lesen. Das Magazin richtet sich von den Themenschwerpunkten eher an Erwachsene z.B. Reisen, Sexualität.(Probeheft möglich) Auf www.handicap.de gibt es auch ein Forum, bei dem man sich informieren kann.

DER NIERENPATIENT.

Diese Zeitschrift erscheint achtmal im Jahr. Als Zielgruppe werden genannt: „Dialysepatienten, Nierentransplantierte, Nierenkranke, deren Freunde, Bekannte und Familienangehörige.“ In den Artikeln überwiegen Berichte zur Blutdialyse und zu Senioren. Aber auch Neues aus der Forschung sowie über Fachtagungen wird vorgestellt. (Probeheft möglich)

HOMEPAGES zum Thema – Pflege:

www.pflege-durch-angehoerige.de

=> Absolut empfehlenswert, in der Regel aktuell und mit zahlreichen Unterverlinkungen findet ihr hier zu fast jedem Aspekt der Pflege – Gesetzesänderungen, Entlastung, Sachleistungen etc. –  Antworten auf eure Fragen.

www.reha-kids.de

=> Hier könnt ihr euch über alle Aspekte der Pflege eurer Lieblinge mit anderen betroffenen Eltern austauschen, unverzichtbare Pflichtlektüre VOR der Begutachtung durch den MDK o. ähnl. die PFLEGEFIBEL: http://www.rehakids.de/phpBB2/ftopic7006.html

Coming soon –

TEIL 2 – AUTOBIGRAPHIEN,  KINDERBÜCHER, FILME zu den Themen: Behinderung, Anders sein, Chronische Krankheit

TEIL 3 – HILFE und UNTERSTÜTZUNG – Inklusionsinitiativen, Vereine und Selbsthilfegruppen v.a. Süddeutschland / BW

P.S. Übrigens – auch unser Räuberssohn LIIIIEBT seine Bücher bereits hieß und innig – er kann stundenlang verzückt und ganz entrückt die bunten Streifen (Bücherregale) im Wohnzimmer betrachten 🙂 ich zeige euch bald mal ein Foto davon.