Mittendrin – daneben. Sechs Jahre in der Anderswelt.

Wir gehören dazu. Doch zu wem? Es ist kaum begreifbar für uns, dass wir tatsächlich seit nun mehr sechs Jahren unseren bisherigen Orbit verlassen haben. Unglaublich, dass unser Liebling schon so alt ist. Und noch immer habe ich so viele widersprüchliche Gedanken und Gefühle zu ihm, zu mir und uns.

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Jetzt leben. Mit Herzblut dabei, ohne auszubluten.

Eigentlich mag ich den – leider inzwischen inflationär zitierten – „Pflücke den Tag“ Spruch sehr gern. Es ist auch eine der wichtigsten Regeln im Buddhismus, das im-Hier-und-Jetzt-Leben ohne zu sorgenvoll nach Vorne oder Zurück zu blicken. Nur was, wenn die Gegenwart nur wieder einmal wenig erbaulich ist? Dann braucht man doch Hoffnung darauf, dass es besser wird, oder?

Seit ich mich erinnern kann, habe ich mich immer wieder aufgerichtet in dem ich mir überlegt habe, worauf ich mich freuen kann. Wenn ich etwas zu bewältigen hatte, das mich gestresst hat und wobei ich keine Freude hatte, führte ich mir immer vor Augen, wozu es gut ist oder was danach Schönes auf mich wartet. Das hat gut gekappt, um mich für leidige Prüfungen, Ferienjobs und ähnliches zu motivieren. Sich selbst zu belohnen mit Dingen und Erlebnissen, die uns wirklich gut tun, vergessen wir als Erwachsene und – vor allem wir pflegenden Mütter – oft. Und es ist auch einfach nicht mehr so leicht mit all der Verantwortung, den nie endenden To Do’s.

Während den langen Corona Wochen habe ich kaum Pläne gemacht. Es gab ja nichts zu unternehmen und vieles von unserem normalen Familien- und Therapiealltag war hinfällig. Das hat uns in gewisser Weise entschleunigt und auch den Druck genommen mit dabei zu sein oder Sachen anzugehen, die eigentlich etwas zuviel sind. Das merke ich ganz deutlich, jetzt wenn wieder mehr an uns heran getragen wird und zahlreiche Termine anstehen. Obwohl wir beide zu Hause waren, ist uns in keiner Weise langweilig geworden. Ich habe neue Schreibaufträge bekommen und hatte noch mein übliches Homeoffice zu stemmen, während Kita und Kindergarten geschlossen waren und einiges ausfiel wie Therapien. Vor lauter um die Kids kümmern, vor allem die kleine Miss beschäftigen –  am liebsten neben Toben mit den 3 B’s: Basteln, Backen, Baden – die Kita-Freunde und die Förderung vom Räubersohn zu ersetzen, wurde uns auch nicht fade. Nur fehlte der Ausgleich. Zuerst konnte ich noch etwas Sport machen, dann ging immer mehr die Energie flöten zudem rückten wieder unschöne Termine näher.

Die Intensivpflegegenehmigung der Krankenkasse lief aus und auch die große Hüft-Op des kleinen Königs ist plötzlich zum Greifen nah. Und das alles während ich noch in der Probezeit bin bei meiner neuen Arbeit. Vieles, das wir gerne erledigt hätten dieses Frühjahr, blieb liegen. Aber zwei Dinge haben wir geschafft: Einen neuen Bus anzuschaffen, nach dem uns beide Autos vor dem Lockdown im Stich gelassen hatten, den wir dann auch Rolli tauglich umbauen werden…

Und – ich habe es ja schon angedeutet im letzten Beitrag – wir haben es gewagt und uns um einen Platz für unseren Junior in einem Regelkindergarten bei uns im Wohnort bemüht. Und jetzt kann ich es offiziell sagen, es hat geklappt! Wir haben die Zusage zur Eingewöhnung im gleichen Kindergarten in den auch seine wilde Schwester gehen wird! Das war ein Glücksmoment und sehr unverhofft, weil wir wirklich mit mehr Gegenwind gerechnet haben. Er wird von der Gruppenleitung als Bereicherung gesehen und sie hat wirklich Lust darauf die neue Gruppe inklusiv zu gestalten, genau was wir uns erträumt und erhofft haben!

Wir sind dankbar, weil wir wissen, dass das trotz UN-BRK Inklusion nicht selbstverständlich ist. Gerade in Baden-Württemberg, dem Musterland der Förder- bzw. Sonderschulen, denn während von Inklusion als Ziel benannt wird erhöht sich parallel die Quote der Kinder die in Sonderschule separiert sind.

Für’s Erste darf der kleine König also mit seinen Nachbarskindern zusammen und einer Gruppe sein und kommt um seine ungeliebten Busfahrten herum, nun kann er auch spontan heimgehen an schlechten Tagen. Leider bekommen wir auch von ein paar Seiten Kritik – aber das ist ja nichts Neues. Wie lange unser Junior jetzt einen Fuß breit die Anderswelt verlässt, wird sich zeigen. Denn spätestens zum Schulstart ist in Schwaben meist Ende mit inklusiven Modellen – gerade für mehrfach behinderte Kinder. Wir werden sehen … 

Auch von der Krankenkasse kam dieses Jahr das Ok für die Fortführung der Intensivpflege nur durch Einreichen der angeforderten Unterlagen. Das ist ebenfalls nicht selbstverständlich, denn wir waren vor zwei Jahren deswegen schon Wochen in der Luft gehangen und hatten schon einen Termin beim Anwalt. Eventuell auch ein Corona Nebeneffekt, denn gerade wird viel nach Aktenlage entschieden. 

Aber so richtig aufatmen können wir aus mehreren Gründen nicht (die ich aber nicht alle ausführen kann). Vieles ist einfach noch unsicher und der Pflegenotstand ist weiter spürbar.

Auch das leidige IPReG, das trotz vehementer Proteste und über 200 000 Unterschriften bei der Petition der Gegner*innen erlassen wurde, sorgt nicht gerade für Entspannung unter uns pflegenden Eltern von Kindern, die ein Leben lang auf professionelle Pflege angewiesen sind. Bereits gegen seinen Vorläufer das RISG bin ich im Namen der Pflegerebellen 2019 auf die Straße gegangen, wie viele selbst Betroffene sowie andere pflegende Angehörige. Unfassbar, dass dieser Menschen verachtende IPReG-Entwurf, der die Selbstbestimmung und Versorgung von beamteten und anderen Intensivpflege bedürftigen Menschen gefährdet, gerade während einer Pandemie von der großen Koalition durchgeboxt wurde, bei der auch kerngesunde Menschen plötzlich auf Beatmung angewiesen sein können. Leider kann nicht direkt eine Verfassungsklage gestartet werden – erst, wenn es belegte Verstöße im Bereich der Intensivpflege gibt – die könnt ihr hier melden beim IPReG-Briefkasten von Abilitywatch.

Und auch, wenn viele Menschen so tun, als sei Corona vorüber und als sei der Mundschutz eine Knebel, ist die zweite Welle relativ wahrscheinlich. Und das, wo wir schon bald stationär gehen und den ganzen Sommer in Klinik und Reha verbringen werden.

So bleiben wir trotz dieser beiden positiven Ereignisse weiter angespannt. Unser Sommerurlaub wird mangels nicht-Existenz also nicht durch Corona ruiniert. Wir waren auch schon ein paar Tage draußen. Mal wieder mit dem, von den Schwiegereltern geliehenen, Wohnmobil. Zwar nicht weit weg – aber doch ein kleiner nötiger Atmosphärewechsel wieder in einer unserer Lieblingsecken im Fränkischen. Das haben wir vier trotz anfänglichem Regen sehr genossen, diese kleine Familien-Auszeit zusammen.

Ich bin sehr froh, über diese guten Nachrichten, die kleinen Pausen und dass ich mich während der Ruhephase in der Pandemie, als in unserer Region kaum Neuansteckungen gab, etwas raus getraut habe. Und zwar raus im wirklichen Sinn auf eine schöne Terrasse mit anderen Mamas und mit ein paar Freunden in den Garten zum Verschnaufen und Abschalten. Das hat mir sehr gut getan. Auch die Großeltern haben die Krise bisher gut überstanden und sind wieder für uns da. Für all das Gute bin ich dankbar und rufe mir das auch immer wieder in ruhigen Momenten vor Augen. Diese Jetzt-Zeit genieße ich und versuche in schlechteren Tage davon zu zehren.

Kurz danach ging es schon wieder rund und leider auch bei einigen Bekannten auch ziemlich bergab. Immer wieder erleben ich wie pflegende Familien der vermeintlich sichere Boden unter den Füßen wegbricht. Plötzlich tauchen neue Probleme auf oder bereits lange ruhende Erkrankungen kommen mit voller Wucht zurück. Immer wieder stirbt ein Kind viel zu früh. Das macht mich sehr traurig und verunsichert, ja ängstigt mich. Eigentlich kann ja niemand in der Gewissheit leben, dass alles weiter läuft wie bisher – ein kleiner Unfall oder eine plötzlichen Krankheit kann alles aus den Angeln heben. Nur, dass Menschen, die ohnehin ein großes Päckchen zu tragen haben, dazu noch weitere Brocken aufgeladen bekommen, das erschreckt mich, ich fühle und leide auch mit.

Einige von diesen Eltern sind auch so engagiert und kämpfen wie ich mit Herzblut für die Rechte unserer Lieben aber auch unsere eigenen als pflegende Angehörige. Zu sehen wie sie leiden ist grausam. Und da kann ich mich schwer abschirmen. Empathie macht verletzlich. Ich habe beides entwickelt über die letzten Jahre: Einerseits dringt so manches nicht mehr zu mir durch, gleichzeitig bin ich dünnhäutiger geworden und kann mich oft schwer abgrenzen. Mir ist es bewusst, ohne dass ich es ändern kann. Es ist gefährlich auszubluten. Aber wie soll etwas ins Rollen kommen, wenn es halbherzig betrieben wird? 

So lange ich Kraft hab, setzte ich mich immer wieder ein für Dinge, die mir wichtig sind. Das gibt mir Sinn und Halt und das Gefühl, doch etwas zu bewegen zu können, so kommt manches an Energie auch zurück. Aktuell bin ich dabei Inklusionsaktivisten vorzustellen, z. B. Junge Inkluencer*innen, die in unserer Region engagiert sind (im aktuellen Stimmt! Magazin) oder wie Laura Mench und Sarah Georges gegen IPReG kämpfen (kommende Ausgabe der Beatmet leben).

Auch hier starte ich demnächst eine neue Reihe mit Kurzinterviews mit Inkluencer*innen und Aktivist*innen für Inklusion und Teilhabe!

Was ich sonst noch mache? Ich durfte auch für das MOMO Magazin darüber berichten, warum es mir so wichtig ist – neben meiner unbezahlten Carearbeit als pflegende Mutter – einer anderen Berufstätigkeit nach zugehen und werde im nächsten MOMO-Heft Eltern vorstellen, die das Beste aus ihrem neuen Leben in der Anderswelt gemacht haben und wie ich versuche mich in positive Aufwärtsspiralen zu bewegen und andere damit anzustecken.

Ihr seht, auch wenn es hier nur allen paar Monate etwas von mit zu lesen gibt, findet ihr meine Anderswelt-Berichte auch anderswo. Und so erreiche ich hoffentlich noch mehr.

Nun drückt unserem Räubersohn bitte alle eure Daumen und guten Gedanken für den anstehenden Eingriff – in einer unserer liebsten Kliniken – und die anschließenden Reha, dass unser Liebling im Herbst dann wieder gut „auf die Beine kommt“ und uns allen solange nicht die Puste ausgeht. 

Ihr Kinderlein kommet – besser nicht. Pläne – Sorgen-Wünsche.

Wieder einmal eine längere Pause, in der ich wenig von mir hören ließ. Bei uns ist viel passiert seit dem Herbst. Ich habe mehrmals hin und her überlegt von was ich berichten soll. (Ein paar meiner Gedanken fanden bereits den Weg in die Winterausgabe des Momo-Magazins). Und nun schreibe ich einfach ein Potpourri von all dem was mir durch den Kopf geht – und doch hat fast alles mit unseren lieben Kleinen zu tun.

Anfangen habe ich diesen Beitrag Anfang Dezember, genauer gesagt on der Nacht auf den vierten Dezember- auch als St. Barbara Tag bekannt. Als Kind liebte ich diesen Brauch, zu Ehren der katholischen Heiligen, Kirschzweige ins Wasser zu stellen, die dann bis Weihnachten zu blühen begann. Am Vortag, dem dritten Dezember, ist der Tag der Menschen mit Behinderung. Und ich frage mich, warum wir eigentlich einen Gedenktag für Lebende brauchen? Für Menschen wie dich und mich – nur mit der Eigenschaft einer, wie auch immer, gearteten Beeinträchtigung? Manche von uns pflegenden Angehörigen können die Floskel „Ich bin nicht behindert, ich werde behindert“ nicht leiden – ich kann das aber gut nachvollziehen. Schließlich fühle ich mich als Mutter eines schwer mehrfach behinderten Räubersohns, der dazu noch unheilbar nierenkrank ist, immer wieder massiv in meinem Leben eingeschränkt, oft regelrecht co-behindert.

Von langer Hand geplant wollte ich am 3. Dezember eigentlich mit meiner Freundin Popcorn im Kino essen und dabei den Dokumentarfilm 》MENSCHENSEIN – Was sind wir für einander?《 anschauen.

Statt dessen sitzen der Räubersohn und ich in der Kinderklinik. Meine Freundin durfte gleich zweimal stationär mit ihrem Großen, der wieder mehr Anfälle hat, seit einem Infekt. Sie verpasste unsere von kreative Mama-Auszeit, die wir auch schon vor Monaten ausgemacht hatten, ebenfalls. Und das erzähle ich nicht, um Mitleid zu erregen. Nein, jeder und jedem kann Unvorhersehbares passieren. Gerade mit kleinen Kindern kommt doch so oft etwas zwischen unsere Pläne und dem, was tatsächlich geschieht. Wie oft setzen, diverse Viren und Kinderkrankheiten, die oft gar nicht so ohne sind, reihum die ganze Familie schachmatt.

Auch bei uns ging es, nach dem „Geburtstagsmonat“ Oktober, los mit Grippe bei mir, dann der zweiten Bronchitis dieses Jahr beim Junior, anschließend Hand-Mund-Fuß bei der kleinen Miss, dann heftige Erkältungen und hartnäckiger Husten bei den Großeltern und dem MaPa und nun schließlich wieder Bronchitis bei unserem Räubersohn. Ein nicht wirklich lustiges Karussell… Denn dieses Mal war sie heftiger als in den Herbstferien. Seine Sättigung war nicht gut, er rang heftig um Luft und auch seine Ausscheidung funktionierte tagsüber nicht richtig. Deshalb gingen wir auf Nummer sicher und ließen uns noch nachts per Krankentransport in die Klinik bringen. Da er im Krankenhaus dann wieder anfing mehr zu Urin zu lassen und der Harnstoffwert etwas fiel, gab es erst mal Entwarnung. Auch das Kortison, das er nun sogar zusätzlich zum Inhalieren und Saft, venös bekam schlug gut an, vorerst zumindest. Wir waren nur wenige Tage in der Kinderklinik und ich bin dankbar, dass wir derzeit kein Dauergast auf Station sind.

Das ist nicht Selbstverständliches mit einem pflegebedürftigen Kind. Wie viele Mütter und auch einige Väter kenne ich, die immer wieder viele Wochen bis sogar Monate mit ihrem Liebling nicht zu Hause sind. Neben dem Bangen um die Gesundheit ihres Kindes, leiden sie oft auch unter der meist noch größeren Fremdbestimmung und fehlenden Privatsphäre im Krankenhaus. Und natürlich auch darunter von der restlichen Familie getrennt zu sein.

Es ist nahezu unmöglich mit einem Kind, das immer wieder schwere Infekte, aufwendige Op’s und ähnliches hat und dabei Begleitung benötigt, berufstätig zu sein. Gerade Das tut mir zur Zeit so gut. Ich habe, nach dem mein erstes befristetes Projekt nun ausläuft parallel dazu eine neue Stelle auf Honorarbasis angenommen, die sogar zu einer festen Teilzeitstelle werden soll. Dass ich einer bezahlten Arbeit nachgehe, erhöht unseren Stresslevel zu Hause und wir brauchen Hilfe – wie so oft von unseren Eltern. Zum Beispiel um den Pflegedienst des kleinen Räubersohns abzulösen bzw. zu vertreten oder die daueraktive Piratenprinzessin zur Kita zu bringen, dort abzuholen und nachmittags zu bespaßen. Auch als ich jetzt, Hals über Kopf, mit unserem Räubersohn abends in die spezialisierte Kinderklinik aufbrach, waren die Großeltern zur Stelle. Die Kleine blieb bei meinen Schwiegereltern über Nacht. Das stellte kein Problem dar, da sie sowieso gerne und regelmäßig bei ihnen ist.

Mit einem Geschwisterkind ist das machbar. Zwei wären für uns im Alltag neben den besonderen Bedürfnissen des großen, kleinen Königs wohl kaum zu bewältigen. Und in solchen Situationen würde es den Omas und Opas sicher zu viel abverlangen, die auch alle inzwischen um die siebzig sind.

So klar die Lage ist, so schade finde ich es trotz allem. Wie gut wäre es für unsere kleine Tochter, wenn sie noch jemanden zum spielen und kabbeln hätte, der ihr mehr Rückmeldung geben könnte. Auch ein Bruder oder eine Schwester, die uns helfen könnten, wenn wir älter werden und uns nicht mehr um den Räubersohn kümmern können oder selbst Unterstützung benötigen. All das lastet auf ihr. (Im Momo-Magazin schrieb ich in der Ausgabe 2019.09 darüber). Da wir beide Einzelkinder er sind, weiß ich welche Verantwortung da auf sie zu kommt.Auch wenn ihr Bruder wieder an die Dialyse muss oder sich seine Krankheiten verschlimmern und er vielleicht keine große Lebenserwartung hat – wer wird sie stützen, wenn es bergab geht? Es wäre schön zu wissen, dass sie nicht alleine da steht – egal was kommen wird.

Trotzdem viele Familien mit schwer kranken und behinderten Kindern entscheiden sich gegen ein weitetes Kind oder können sich höchstens ein Geschwisterchen vorstellen. Und ich verstehe es und ich selbst bin vom Kopf völlig d’acord

Special-needs-Eltern haben soviel gesehen und erlebt. Auch was alles passieren und schief gehen kann – von der Schwangerschaft bis ins Jugendalter – und es ist schwierig das beiseite zu schieben. Auch ich, die ich mich eigentlich über jedes zukünftige Baby im Freundeskreis freue, sorge mich. Ich sehe jede Schwangerschaft als bedrohlich an und bin jedes mal unglaublich erleichtert, wenn die Kleinen wohlbehalten gelandet sind.

Die Diskussion um die Kosten-erstattung pränataler Tests auf mögliche Beeinträchtigungen bzw. Gendefekte habe ich mit gespaltener Seele verfolgt. Fast alle werdenden Eltern, die ich kenne, haben sich für diesen Test entschieden. Doch was bringt es zu erfahren, ob vielleicht eine Trisomie vorliegt? Zumal die wenigsten Ärzte*innen, sie über die möglichen Ergebnisse eingehend aufklären und – wie es mir erscheint – sich auch größtenteils nicht wirklich gut auskennen mit den selten Formen T13 oder T18 sowie der Tatsache, dass es auch Mosaikformen davon gibt. Wem hilft ein solcher Test denn? Ist er unauffällig wiegt man sich in Sicherheit – die aber trügerisch sein kann Schließlich wird nur ein Bruchteil möglicher Erkrankungen und Behinderungen erfasst – zumal viele erst mit der Geburt oder danach entstehen. Und was, wenn der Test auffällig ist? Ohne den kleinen Menschen und Ausprägungsgrad seiner Beeinträchtigungen zu kennen, müssen die werdenden Mütter und Väter sich dann erscheinen, ob sie dieses Kind zur Welt kommen lassen oder einen Abbruch vornehmen.

– Dabei sind teilweise bereits auch Operationen im Mutterleib möglich! Beispielsweise bei manchen bestimmten Herzfehlern, wie es sie bei Trisomie21 häufig gibt, oder andere Eingriffe wie die Op eines offenen Rückens oder das Auffüllen von Fruchtwasser. Der Bundesverband für vorgeburtliche Erkrankungen e. V.berät dazu betroffene Familien. –

Auch das ist in Frauenarztpraxen nicht unbedingt bekannt. Ich verstehe aber auch Familien, die sich ein schwer behindertes Kind nicht zutrauen. Wie soll man sich auch ein Bild machen von dem Leben mit einem pflegebedürftigen Nachwuchs, wenn es doch in der Regel so wenig Kontakte von Menschen ohne Behinderung mit Menschen mit Behinderung und umgekehrt gibt. Wer hingegen schwer Behinderte oder Schwerkranke persönlich kennt, weiß auch um die Einschränkungen und nie endenden Kämpfe, die ein Leben als Angehöriger eines solchen erwarten. Es ist vertrakt.

Ein weiteres Kind mit Behinderung kann ich mir eigentlich auch nicht verkraften in unserem Leben. Ich wüsste nicht wie ich das bewältigen sollte. Gleichzeitig kann ich mir auch fast nicht vorstellen mich gegen ein Kind zu entscheiden. Doch zu dieser Frage sollte es nicht mehr kommen.

Auch bei uns ist kein weiteres Kind geplant. Ich packe alle die herzigen kleinen Babysachen zum Weitergeben in Kisten und Kartons.

Wir sind auch so unglaublich ausgelastet – wenn nicht sogar überlastet – und das in vielerlei Hinsicht. Momentan bin ich sehr froh endlich mal wieder zu Hause raus zu kommen, etwas anderes zu sehen uns zu hören. (Wobei mir auch hier bei den Bewerbungscoaching, die ich zurzeit gebe, immer wieder Young Carerers und junge Menschen mit Beeinträchtigungen begegne).

Einer bezahlten Berufstätigkeit nachzugehen, die meinen Fähigkeiten und meinem Studium zu mindest teilweise entspricht, ist das, was ich mir schon lange gewünscht habe. Ich wusste nur nicht wie ich das auch noch schaffen sollte.

Doch schließlich gibt mir genau diese Auszeit vom Mama- und Pflegealltag auch wieder Kraft. Zumal es mir auch regelmäßig Kopfzerbrechen bereitet, wenn ich an meine bisher spärliche Rentenbescheide denke und daran wie wir dauerhaft mit nur einem Einkommen zu viert hätten klar kommen sollen… „Ihr Kinderlein kommet“, singe ich mit der kleinen Miss und freue mich für meine schwangeren Freundinnen gerade zu Weihnachten – wo sich doch alles um Liebe uns Geburt dreht, wenn man es biblisch betrachtet und nicht nur die vielen Black Fridays davor als Feiertage ansieht.

Ko bin ich auch dieses Jahr und die vielen Aufgaben, Gefechte und so manche Zunftsorgen, lasten weiterhin auf meinen Schultern und bereiten mir nicht selten Unbehagen sowie schlaflose Stunden. Aber trotz allem bin ich endlich auch wieder etwas glücklicher seit langen. Und vorallem dankbar dafür, dass wir vier uns haben, für die Unterstützung durch unsere Familie, Freunde, die zu uns stehen und, dass der MaPa und ich uns weiter aushalten und in wichtigen Dingen zusammen halten. Das ist eigentlich mein größtes Geschenk.

P. S. Wenn ich mich noch nach etwas Kleinem sehne, gibt es langfristig höchstens ein Baby mir Pelz – einen Therapienhund. Aber erstmal müssen wir mindestens eines unserer kleinen Raubtierkinder „stubenrein“ bekommen. Unser nächstes Ziel. Kann man das auch so nennen, wenn man bei deinem Vorstellungsgespräch nach seinen Kurzzeitplänen gefragt wird?

Erholsame Klinikauszeit und böses Erwachen.

Wir waren nach Pfingsten zu Gast in der „GNTK“ – Germanys Next Top Kinderklinik“ Dritterorden in München. Das war fast wie ein erholsamer Kurzurlaub. Leider folgte darauf eine unschöne Überraschung zu Hause.

Gleich vorweg – nein, das ist nicht ironisch gemeint! Wir hatten wirklich eine gute Woche zusammen in der Bayrischen Landeshauptstadt in der Kinderklinik, die wirklich drei Orden verdient.

Ich muss euch ein bisschen davon erzählen, weil ich denke, da könnten sich einige Krankenhäuser und Mediziner  etwas von abschauen. Dass jemand andere Erfahrungen gemacht ist natürlicher möglich, unser Bericht ist subjektiv. Ich kann eben nur von unseren Erlebnissen, unseren 6 Tagen auf der orthopädischen Station dort berichten. Die waren nicht 100% positiv, aber doch überraschend gut.

Zugegeben wir hatten in mehrererlei Hinsicht Glück: Da der MaPa technischer Lehrer ist und Pfingstferien waren,hatte er die ganze Woche frei und wir konnten zu viert los. Außerdem stellten uns seine Eltern, wie schon öfter, ihr Wohnmobil zur Verfügung! Wir haben uns im Vorfeld schon Gedanken gemacht wo wir wohl in Kliniknähe das große Gefährt platzieren können:  Bei den Kleingärtnern, dem Freizeitsportgelände oder notfalls sogar am Friedhofparkplatz laut googlemaps. Auf gut Glück sind wir dann zu der Parallelstraße zum Hauptgebäude gefahren nahe der Notaufnahme und dort war ein langer Parkstreifen ohne Verbote, maximal Parkdauer oder Gebühren. Jackpot! Die Lage der Dritterorden Kinderklinik ist auch wirklich genial. Nebenan ein kleiner Wald mit einem Zelthostel (The Tent), ums Eck der Botanische Garten und nicht weit entfernt der Schlosspark Nyphenburg.

Das Essen war etwas Klinikmäßig aber schon ganz okay mit einem Hauch von Vitaminen. Dafür war die Cafeteria top mit leckeren kalten und warmen kleinen Gerichten und sage und schreibe sechs Sorten Bier zur Auswahl – das gibt’s auch nur in Bayern. (Und in meiner blau-weißen Zweitheimat fühlen wir uns schon immer wohl.) 

Was uns sehr freute: Wir hatten viel Privatsphäre, alle Kids sind in Einzelzimmern untergebracht und das Bett der Begleitperson durfte stehen bleiben. Die Duschen waren zwar auf dem Gang aber es wurde alles oft geputzt, so dass das typische Krankenhaus-Ekelgefühl überhaupt nicht aufkam.  Auch das Gebäude ist selbst schön hell mit Grünpflanzen und einem gratis Karussell im Innenhof sowie einigen Automaten für Snacks und Tischkickerbällen. Draußen gibt es noch einen Spielplatz und Brunnen sowie Rasenfläche, sehr zur Begeisterung der kleinen Miss, die inzwischen nicht mehr zu halten ist. Auch von medizinischer Seite und Ausstattung waren wir sehr zufrieden.  Sehr nettes Pflegepersonal, das uns unterstützen aber auch nicht Dauer präsent war sowie nahbare Ärzte, die sich persönlich entschuldigen als – einer der wenigen Wehmutstropfen – sich der Op Termin zuerst nach hinten und dann um einen Tag verschob. Der Eingriff selbst verlief gut und wir sind eigentlich ganz froh, hier gelandet zu sein nachdem die Anästhesisten, der für Ulzibat/Myofasziotomie bekannten Schönklinik sich nicht an unseren Nieren kranken kleinen Sohnemann ran getraut haben.

Wir hatten es auch von Petrus Seite recht gut verwischt und waren insgesamt viel draußen unterwegs mit den Kids in ihren Buggys. Bis auf den Op Tag natürlich, aber schon am Tag darauf bekamen wir wieder Ausgang was beim schwülen Wetter sehr gut tat. Denn unter den großen Bäumen des Schlossparks ließ es sich deutlich besser aushalten als auf Station.  Auch im nahen Biergarten und beim Griechen, der ebenfalls in derselben Straße seine Terrasse hat, und im Villenviertel waren wir spazieren. Gern wären wir einen Tick früher wieder abgereist, aber unterm Strich sind wir wirklich sehr zufrieden gewesen und können die Einrichtung getrost weiter empfehlen. Die Woche fühlte sich mit den vielen kleinen Unternehmungen fast wie Urlaub an.

Epilog :

Gott sei dank hatten wir keine Ahnung, dass wir kaum dass wir daheim waren ein Himmelfahrtskommando erwarten sollte. Während wir nur alle Vorbereitungen für die Auslandsreisen trafen, zu der wir nur knapp zwei Wochen später aufbrechen wollten.  Kam der Unglück verheißende Brief der privaten Krankenversicherung mit dem großen D – angeblich bestehe kein Intensivpflegebedarf. Und wir fielen aus allen Wolken. Unglaublich wir hatten ja wegen der furchtbaren Nächten mit schlimmsten Schreiattacken und Atemaussetzern,die vor rund 14 Monaten begannen, seit langem vehement um MEHR Unterstützung gebeten. Jetzt konnten nur, nach mehreren schlaflosen Nächten eine mehr schlechte als rechte Übergangslösung treffen. Denn inzwischen sind wir schon unterwegs Richtung Osten. Nach der Faszien-Op ist nämlich genau der richtige Zeitpunkt, um die (zumindest zeitweise) wieder gewonnene Bewegungsfreiheit zu nutzen und zu trainieren, dass die Spastik nicht die Oberhand behält .

Das Gutachten, das wohl wieder direkt von Grimm’s Erben verfasst wurde (wäre ja nicht das erste mal), habe ich noch nicht erhalten. Sobald ich es in Händen habe, werde ich es nach allen Regeln der Kunst zusammen mit unseren Ärzten zerlegen und notfalls mit Hilfe des Sozialgericht anfechten. Auch Wut kann einem neue Kraft geben, fragt sich nur für wie lange. Jetzt sind wir ab nächsten Montag erst  einmal bei der Adeli Therapie in der Slowakei. Dann geht die unendliche Geschichte des Kämpfens weiter. Und ich dachte, danach wäre erst einmal Ruhe angesagt und Zeit für mein Buchcafé Projekt. Zu früh gefreut. Aber irgendwie geht es weiter. Step by Step. Aufgeben ist keine Option.

Und wir haben auch Positives in Aussicht: Auf dem Weg sind wir noch auf einer Hochzeit von lieben Freunden und unsere Piratenprinzessin wird tatsächlich schon ein Jahr alt.

Paradoxe Verschlimmbesserungen – Alltägliche Hürdenläufe, wenn Rettungsleinen zu Fallschlingen werden.

Mit Mühe und Not schaffe ich es noch einen Blogbeitrag im Monat zu verfassen. Das Schreiben, das mir sonst so einfach von der Hand geht, stockt und ist zäh. Ich muss mir jeden Satz abringen. Denn das klare Denken fällt mir immer wieder schwer, ein Orkan tobt in meinem Kopf.  Seit Monaten rappel ich mich immer wieder auf. Aber es ist einfach kaum noch Kraft da. Wie gegen Stürme kämpfen, wenn man sich kaum auf den Füßen halten kann. Es ist so aufreibend, dass immer wieder meine Unterstützungssysteme weg brechen während neue Hürden auftauchen. Das ganze letzte Jahr versuchte ich unsere Pflegesituation zu verbessern, eine oder zwei neue Pflegekräfte zu finden, die uns entlasten. Zwischendurch sah es so aus als wären wir fündig geworden, doch dann ging die nächste Fachkraft und eine andere entschied sich um. Die Lücken im Pflegeplan sind nicht weg zu bekommen.  Und auch im Kindergarten tut sich nichts. Kompromissbereitschaft Fehlanzeige, „Gesetz ist Gesetz“ bekomme ich zu hören. Meine Petition? Davon profitieren im Idealfall zumindest ein paar andere Kinder, nächstes Jahr. Ich fühl mich so müde, einsam und im Stich gelassen.

Die durchwachten Nächte fordern ihren Tribut. Die drei Klinikaufenthalte dieses Frühjahr von Räubersohn und Mapa haben auch nicht gerade zur Entspannung beigetragen, zu mal soviel schief lief. Beim zweiten Versuch der Peg Anlage wurde auch noch die Speiseröhre verletzt. Eine große Narbe war die Konsequenz und ein dicker Schlauch, der über viele Tage tief im Schlund des kleinen Mannes steckte. Das weckte ungute Erinnerungen an die erste Zeit und fühlte sich für den Junior sicher nicht gerade angenehm an. Er durfte nichts über den Mund essen und wir mühen uns jetzt Wochen später immer noch ihn wieder an normale Kost zu gewöhnen. Zu allem Übel wurden auch noch Medikamente falsch dosiert und das Antibiotika legte seine Verdauung flach. Die auslaufenden Windeln mit daraus resultierenden Wäschebergen, Verbandswechsel unter Weinen und ein erschöpftes Kind setzen mir ganz schön zu.

Wir versuchen ja schon länger mehr Pflegestunden vor allem auch Nachtdienste zu bekommen. Und unsere Krankenkasse nahm unseren Hilfeschrei jetzt zum Anlass mal grundsätzlich vom MDK ( bzw. dem für privat Versicherte beauftragte medi- Prüfunternehmen) kontrollieren zu lassen, ob der kleine König überhaupt Intensivpflege benötigt. Es ist unvorstellbar. Das beklemmt mich unglaublich und alte Angsträume tauchen wieder auf. Wassermassen wollen mich wegspülen. Es ist einfach zu deprimierend, wenn man nach einer Rettungsleine ruft und Fallschlingen folgen.

Die kleine Miss derweil ist zu unser großen Freude mobil geworden, sie zieht sich hoch und räubert herum. Ich muss hinter her. Der kleine große Bruder kann wieder kaum regulär in Kindergarten, weil zu wenig Personal da ist und er ohne Krankenschwestern ja nicht kommen darf in die Fördereinrichtung. Bald sind eh wieder Ferien und der Schulkiga bleibt dann sowieso zu. Ende des Monats ist schließlich die seit langem geplante Myofasziotomie gegen die Spastikkontrakturen und Schmerzen mit anschließender Aufbau-Reha in dem spezialisierten Zentrum im Ausland, das die Kasse natürlich auch wieder nicht erstatten will. Parallel gibt es Ärger wegen des Stundenlohns des PD, diverse medizinische Geräte, die bewilligt werden müssen und die Kasse mit dem großen D herunter handelt oder die falsch geliefert werden. Daneben Hilfsmittel, die einer Anpassung bedürfen, die natürlich auch mehre Anläufe benötigten bis es passt.

Dazwischen will der MDK dann ein weiteres Mal kommen, denn eventuell gab es ja eine Wunderheilung seit letztem Jahr und der Räubersohn kann urplötzlich laufen und greifen. Es ist alles so ein Irrsinn unnötige Lebenszeit und wichtige Energie die drauf gehen für all diese abstrusen Überprüfungen, Anträge und Widerspruchsverfahren.

Und eigentlich hatte ich da ja so ein Projekt, das mir ein Hoffnungsschimmer sein sollte, dass ich hier raus komme und in meinem goldenen Fürsorgekäfig nicht eingehe. Nur dafür fehlt mir, mit all diesem Irrsinn, Zeit und Kraft. Nur wenig kann ich mithelfen. Träume müssen mal wieder warten. Und dann sagen Bekannte ich soll mich auf Positives fokussieren. Hmmm genau. Mein lieber Mann versucht auch mitanzupacken mich aufzurichten, aber er hat ja ’nebenbei‘ auch noch eine Vollzeitstelle.

Wir schwimmen weiter, würden uns so gerne öfter treiben lassen. Der Stil ist Wurst, nur den Kopf oben halten ist die Devise.

Papa ante Portas – warum wir pflegende Väter ernst nehmen sollten!

 

Jetzt habe ich es tatsächlich nicht mehr geschafft im Februar einen zweiten Blogbeitrag zu erstellen – aber hier war auch einfach wahnsinnig viel los. Wir ließen uns zur Unterstützung der Familienherberge Lebensweg von unserer Regionalzeitung interviewen und das SWR Fernsehen war bei uns, um eine vom Pflegenotstand betroffene Familie zu zeigen. Zu guter Letzt war der Räubersohn noch stationär. Denn seit dem er mehrere Backenzähne bekommt verweigert er Essen und Trinken. Er macht einfach den Mund nicht mehr auf. Und wir waren gezwungen ihm eine Nasogastralsonde zu legen und haben schließlich doch der PEG Anlage zugestimmt. Es ist einfach zu gefährlich, gerade wegen seiner chronischen Niereninsuffizienz, wenn er zu wenig Flüssigkeit bekommt. Und jetzt hat der Eingriff nicht mal geklappt. Der tapfere Mäusetiger muss demnächst wieder in die Kinderklinik und das Prozedere wird dann mit einer anderen Op Technik (chirurgisch statt endoskopisch) wiederholt. Ätzend und frustierend das Ganze.

Das hat allerdings durch aus mit meinem geplanten Beitragsthema zu tun:

Im TV Beitrag war der Vater nämlich wieder nur eine Randfigur,  obwohl er wichtiges zu sagen hatte, wurde sein Redeanteil heraus geschnitten. Das passt zu seinen Erfahrungen als Vater eines mehrfach behinderten Kinds.

Auch zu den Erlebnissen in den Krankenhäusern und in Kinderrehazentren:  Ich bin froh, dass der MaPa dieses mal wieder mit unserem Sohn als Begleitperson mitgegangen ist. Die eigentliche Station auf der unser Junior sein Zimmer haben sollte war diese Woche abgeriegelt aufgrund zu hoher Ansteckungsgefahr. Ein Grund mehr die kleine Miss nicht in so eine „Killervirenzuchtanstalt“ mitzunehmen. Als Stillkind hätte ich keine Wahl gehabt. Außerdem warum sollten auch immer wir Mütter mit?

Da ich in Elternzeit bin, übernehme ich sowieso den Hauptteil der Pflege. Aber sobald der MaPa nach Hause kommt packt er mit an. Er wickelt beide Kids,  gibt Brei und Tee, überweist Therapie Rechnungen, turnt Übungen am Galileo,  richtet Medikamente und hält den Schreiling, wenn es sein muss, stundenlang im Arm nachts. Und das ist auch gut so. Es sind schließlich unsere Kinder – nicht meine.

Und ich will ihn nicht als fantastischen Ausnahmevater loben und glorifizieren. Sondern ich weiß, es gibt viele engagierte pflegende Väter (leider auch viele alleinerziehende Elternteile, zur Mehrzahl Mütter mit behinderten Kindern). Leider wird so getan, als sei die Carearbeit eben Frauensache. Auch von vielen Fachkräften. Das finde ich ein Unding und so nicht haltbar!

Als der MaPa mir im ersten Spz mit dabei war, wurde er beispielsweise glatt ignoriert. Obwohl er den Räubersohn auf dem Arm hielt und sondierte, wurden mir als Mutter die Fragen – wie grotesk – zur Ernährungsituation gestellt.

Ähnlich war es als er mit ihm allein in der Klinik war, hieß es: Wann kommt ihre Frau wieder? Nun, sie dachten er wäre nur kurz zu Besuch und ich mir die Beine vertreten. Dabei waren noch mehr Väter auf den Gängen der Station unterwegs. Das ist ganz schön ignorant und nicht zeitgemäß diese Denke!

Inzwischen kennen ihn auch einige Angestellte, schließlich sind wir oft, Gott sei Dank meist ambulant, Gast im Krankenhaus.

Aber was bitte schön ist das für ein Männer- und damit auch Frauenbild? Das Kind gehört für viele auch 2018 noch zur Mutter. Den Vätern wird von mehreren Seiten nach wie vor zu wenig zugetraut. Dazu gehört, dass von vielen Vorgesetzten erwartet wird, dass noch immer bei Männern der Beruf vor der Familie kommt. Auf freie Tage werden Besprechungen sowie Geschäftstermine gelegt, Überstunden nach Feierabend gelten nicht selten als zumutbar und ähnliche Dinge, die eindeutig zeigen, dass davon ausgegangen wird, dass die Väter zu Hause abkömmlich sind. Bei einem pflegeintensiven Kind wird aber jede Hand,  ja JederMANN gebraucht, wenn man vermeiden möchte, dass die Ehe zerbricht oder ein Elternteil völlig erschöpft ist und ausbrennt.

Deshalb habe ich beschlossen den pflegenden Väter hier eine kleine Blogreihe zu widmen. Auch Paare kommen zu Wort, die sich die CareArbeit teilen. Denn es geht! Väter müssen nicht außenvor bleiben, sondern können und sollen eine wichtige Aufgabe bei der häuslichen Pflege einnehmen. Es muss kein Rollentausch sein außer beide wünschen sich das. Auf jeden Fall funktiert Pflege auch in Teilzeit – ggf. am Abend oder Wochenende. Und sie können das. Vertraut ihnen, Mütter (- ich weiß das ist nicht leicht aber springt über euren Schatten); das gleiche gilt auch für Großeltern, Freunde, Ärzte*innen, Krankenpfleger*innen und Therapeuten. Und ihr Papas zeigt, dass ihr ‚ganze Kerle‘ seid, die auch in der weiblichen Welt der Pflege ihren Mann stehen und für eure Kinder einstehen.

„…dass ihm auch nicht eines fehlet.“ Die oft (noch) nicht bekannte Chance von pränatalen Operationen. Der dritte Teil der Miniserie über das Weitertragen.

Ich möchte euch im dritten Teil der Miniserie über das Weitertragen eine so dramatische wie außergerwöhnliche Geschichte erzählen – oder besser gesagt, die Eltern selbst zu Wort kommen lassen in diesem Gastbeitrag.

Wir kennen uns von Facebook aus der Nierenkinder-Gruppe. Während unser Räubersohn erst durch die Geburtskomplikationen mehrfach behindert und chronisch Nierenkrank wurde, erfuhren die Eltern dieses kleinem Jungen bereits in zweiten Schwangerschaftstrimester von seiner schweren Nierenfehlbildung und dem dadurch ausgelösten Fruchtwassermangel.

Den werdenden Eltern wurde keinerlei Hoffnung gemacht, dass ihr Baby leben könnte. Doch sie gaben nicht auf, wollten ihr Wunschkind mit aller Konsequenz austragen (- wie die beiden anderen bereits vorgestelltenen Familien). Und: Sie fanden einen mutigen Arzt, der sie unterstütze und mit mehreren pränatalen Eingriffen das Leben ihrers ungeborenen Sohnes rettete. Hier berichet das Elternpaar über ihre Erlebnisse, „düstere  Zeit“ und wie sie heute durch ihren Verein „Bundesverband zur Begleitung von Familien vorgeburtlich erkrankter Kinder“ (bfvek)Familien in ähnlichen Situationen helfen möchten:


Am 02.01.2017, in der 19. SSW hatten wir einen Routine-Ultraschall bei unserer Frauenärztin in Würzburg. Der erste, an dem ich als Vater teilnehmen konnte. Wir waren sehr gespannt und hofften das Geschlecht des Kinders zu erfahren. Die Ärztin schallte meine Freundin und sagte dann, dass etwas wenig Fruchtwasser vorhanden sei und ihr Chef noch einmal schallen sollte. Wir wurden nervös und erhielten letztendlich die Diagnose „Fruchtwassermangel“. Aufgrund defekter bzw. kaum im Ultraschall darstellbarer Nieren produzierte unser Kind kein Urin, wodurch kein Fruchtwasser mehr entstand. Das Schlucken des Fruchtwassers ist aber wichtig für die Lungenentwicklung des Kindes.

Wir wurden an die lokale Universitätsklinik weiterüberwiesen. Diese hatte aber erst in zwei Tagen einen Termin für uns. Wir googelten sehr viel, fanden uns aber nicht wirklich mit unserer Diagnose wieder. Das was wir lasen, führte immer zum Tod des Kindes spätestens bei Geburt. Die Ultraschallspezialistin der Klinik war noch im Weihnachtsurlaub, so dass ein Oberarzt die Diagnose bestätigte. Weitere fünf Tage später voller schlafloser Nächte, wurde uns letztendlich von der Ultraschallspezialistin in einem persönlichen und professionellen Gespräch die Optionen „Abtreibung“ und „Stille Geburt“ dargelegt. Wir rechneten schon aufgrund unserer eigenen Recherchen damit, aber es war trotzdem unglaublich hart, es wieder zu hören.
Ein unbeschreiblich großer Schock, da unser Kleines auch noch das langersehnte Ergebnis einer langwierigen Kinderwunschbehandlung war. Wir klärten noch kurz für uns wichtige Punkte mit den Ärzten ab: ist das Leben der Mutter gefährdet – nein. Geht es dem Kind im Mutterleib soweit gut – ja, da die Mutter die Aufgaben der Nieren des Kindes übernimmt. Bis wann sollten wir uns entscheiden – okay.
Betroffen verließen wir gemeinsam das Gebäude der Uniklinik, die Hand auf dem kleinen Schwangerschaftsbauch und nah bei unserem Kind. Wir setzten uns in unser Auto und brachen wieder in Tränen aus, wie schon so viele Male die Tage davor. Ein Lebewesen, dass unschuldiger nicht sein könnte, sollte keine Chance auf ein Leben haben. Ist das gerecht? Warum wir? Warum es? Viele Fragen. Ohne Antworten.
Wir sprachen kurz über die Situation und waren uns sehr schnell einig: wir möchten kein Leben unseres Wunschkindes beenden, wenn es dem Kind gut geht und die Mutter ungefährdet ist. Damit würden wir viel schwerer klarkommen, als mit einer stillen Geburt. Das Kind soll selbst entscheiden wann es gehen will oder nach der Geburt in unseren Armen „einschlafen“ und sich für einen kurzen Moment von seinen Eltern geliebt fühlen.

Wir begannen ein Erlebnistagebuch zu führen, Babybauchabdrücke zu machen und möglichst viel Zeit bewusst und „zusammen“ mit unserem ungeborenen Baby zu verbringen. Wir machten Ausflüge, die man sonst mit Kindern unternimmt: Ponyreiten, ins Playmobilland, ins Kino etc. Wir besuchten die Sternenkindergruppe der Malteser Würzburg (https://www.facebook.com/maltesersternenkinder/) und informierten uns über die Möglichkeiten einer Beerdigung. Meine Freundin begann im Weitertragen-Forum aktiv zu werden. Um auch unsere Familien einzubeziehen organisierten wir einen Familienultraschall bei unserem Frauenarzt, bei dem alle zuschauen konnten. Als hätte unser Kleines es gewusst, sah es auch kurz so aus, als würde es uns im Ultraschall zuwinken. Bei jedem Ultraschall ließen wir Fotos ausdrucken und klebten diese in unser Erlebnistagebuch, dass heute zusammen mit verschiedenen Geschenken und selbstgebastelten Erinnerungen in einer großen Schatztruhe lagert. Sehr bedrückend war es, wenn meine Freundin auf ihren sichtbaren kleinen Schwangerschaftsbauch angesprochen wurde. Oft wurden wir auch mit Unverständnis konfrontiert: „Wie, ihr müsst das Kind jetzt austragen?“. So hart die Worte im ersten Moment waren, so wissen wir doch, dass das weder böse gemeint war oder „auf die Schnelle“ eine adäquate Reaktion einfach ist, noch dass jeder wie wir entscheiden würde. Insofern waren wir hier nie nachtragend – außer gegenüber dem ärztlichen Personal, von dem Professionalität erwartet werden kann. Wir wollten auch das Kind nicht durch ein „neues ersetzen“ oder „tauschen“.

Und so verging die Zeit.

Hier könnte die Geschichte nun vorhersehbar und traurig enden. Das tut sie aber nicht. Denn zwei Wochen nach der Erstdiagnose fanden wir über Bekannte mit Professor Kohl vom DZFT (www.dzft.de) doch noch einen Arzt, der versuchen wollte uns zu helfen. Er garantierte nichts, wir tauschten die 0%-Überlebenschance unseres Kleinen gegen einen Funken Hoffnung ein. Egal wie gering die Chance ist, wer nicht kämpft, hat schon verloren. Das Ergebnis der 6 operativ durchgeführten Fruchtwasserauffüllungen, vieler Schlafloser Nächte, Sorgen, Ängste vorm Blasensprung, einer Frühgeburt und viel viel Daumen drücken heißt Paul, ist heute 8 Monate alt und ein zufriedenes Baby, das auf eine Nierentransplantation hinarbeitet. Bei der ersten Fruchtwasserauffüllung spürte meine Freundin die Bewegungen des Kleinen zum ersten Mal strampeln, er hatte Platz zum Planschen und wir hatten das positive Gefühl, seine (pränatale) Lebensqualität gesteigert zu haben.

Wenn wir heute zurückblicken auf diese Zeit, ist alles sehr weit weg, aber doch irgendwie nahe, da viele der Termine und Ereignisse nun genau ein Jahr vergangen sind. Gerade jetzt als ich diesen Bericht schreibe, waren wir damals so verzweifelt, wie noch nie in unserem Leben. Wir hatten das Glück dieselbe Meinung zu haben, dass wir das Baby weiter austragen und eine positive Zeit als kleine Familie verbringen wollen. Noch viel mehr Glück hatten wir, das unsere Geschichte ein happy end hat.
Heute wissen wir, dass man bei vielen pränatalen Diagnosen etwas Positives bewirken kann. Auch nicht jede Diagnose erweist sich letztendlich als richtig. Und man sollte nicht direkt der ersten Arztmeinung folgen. Es sollte jedes Paar selbst entscheiden, was für sie und das Kind gangbar ist im Kontext der Krankheit des Kindes, der medizinischen Möglichkeiten und der eigenen Ressourcen. Denn auch eine vorgeburtliche Behandlung bedeutet leider nicht ein happy end. Wichtig ist aber immer – und das blieb uns verwehrt – eine unvoreingenommene und umfassende Aufklärung durch die Ärzte. Uns wurde letztendlich von der Behandlung, die unser Kind rettete, abgeraten. Im Nachhinein wurde uns bewusst, dass die Ärzte keinerlei Vorstellungen hatten, wie die Methode funktioniert oder anzuwenden ist. Das müssen sie im Detail auch nicht, dafür gibt es Spezialzentren der höchsten Stufe. Die notwendige Überweisung dorthin fand allerdings nicht statt.

Um Situationen wie du unsrige zukünftig zu vermeiden und betroffenen Eltern zu helfen, haben wir daher einen gemeinnützigen Verein gegründet: den Bundesverband zur Begleitung von Familien vorgeburtlich erkrankter Kinder e.V. (www.bfvek.de / https://www.facebook.com/BFVEK-eV-348044295614894/ )


Danke, dass wir hier unsere Geschichte erzählen und für unsere Sache werben dürften. 

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Wer in Kontakt zu der jungen Familie treten möchte, kann dies über den Verein tun. Außerdem leite ich Nachrichten an sie gerne weiter.

Baby Blues und Rock‘n Roll – Freude über große Sprünge und Sehnsucht nach kleinen Schritten

Wir kommen kaum mit, denn die kleine Miss gibt Gas. In wenigem Tagen ist sie drei Monate alt und bereits jetzt hat sie den kleinen, großen Bruder – zumindest motorisch – überholt. So früh, hätte ich wirklich nicht damit gerechnet. Wir sind so glücklich, wenn wie sie uns bereits morgens mit Strahlelächeln begrüßt, rings um sich greift und sich vor Freude glucksend einfach alles, in ihrer Reichweite, in den Mund schiebt. Da der Räubersohn in letzter Zeit weniger Interesse an seinem Spielbogen zeigte, darf sie jetzt darunter liegen. Und was passiert? Kling klang! Gleich hat sie das rote Glöckchen entdeckt, dann schwupps rollt sie zur Seite und schnappt die bunten Holzringe an der Stange. So ein Wunderkind – Wahnsinn!
Der kleine König indes hat über Sommer schön zugelegt und ist auch ein Stückchen gewachsen. Mapas Elternzeit ist ihm gut bekommen! Bei ihm isst er besser als bei allen Pflegerinnen. Das ist auch gut so, denn wir wollen ja mit ihm nächsten Frühsommer ins Adeli Medical Center. Und für den Astronauten Trainingsanzug braucht er noch gut zwei Zentimeter mehr Länge. Kleinere Kosmonauten haben Pech und müssen zum Babytraining! Das wäre aber Schade immerhin wird unser Liebling schon bald drei.
Drei Jahre – drei Monate und so wenig Unterschied. Das schmerzt im Mutterherz. Die ganzen Ferien über hat der Räubersohn fast jede Nacht geschrien. Auch in den paar Tagen, an denen wir mit dem Wohnmobil unterwegs waren. Mal stundenlang dann wieder kurz und heftig aber mehrmals bis zum frühen Morgen. Das hat uns jede Menge Kraft und Nerven gekostet. Die kleine Madame schläft Gott sei Dank wie ein Murmeltiermädchen. Pumpt sich abends fast ohne Pause mit Milch voll, dann schlummert sie mit satten Kugelbäuchlein fast komplett die ganze Nacht. Höchstens ein zwei Mal hat sie noch mal Appetit. Ich schau sie so gerne an, wenn sie neben mir ihm Beistellbett schläft.
Sie sieht ihm so unglaublich ähnlich. Gerade der zweite Monat hat bei mir sehr viele, auch ziemlich schmerzhafte, Erinnerungen geweckt. Die großen blauen Augen, Pausbacken aber dünne Ärmchen und zarter rotblonder Flaum auf dem Kopf. Genauso hat der Zwerg ausgesehen als er endlich von der Intensiv- auf die normale Kinderstation durfte. Das eingelagerte Wasser war mit der Bauchfelldialyse heraus gezogen, ein zartes Kerlchen erschien darunter. Nur lachte der nicht, sondern heulte immer sofort wenn man ihn ablegen wollte. Die Dauerdialyse lief den halben Tag, ich war nur am Milch abpumpen und sondieren. Der Räubersohn spuckte und verbog sich. Das war keine schöne Baby-Mama-Zeit. Nachts hatte ich Albträume, tagsüber die erdrückende Verantwortung, denn ich musste mich fast vollständig allein um das verkabelte Kind kümmern. Daheim war es lange Zeit nicht viel besser. . Ich konnte nicht mehr aber einfach abhauen ging auch nicht. Ich hab ihn ja lieb den Schreiling.
Die ganzen Baby- und Kinderbücher, über Entwicklung und Spielideen dazu, die mir damals nur furchtbar wehtaten, lese ich jetzt wieder. Natürlich habe ich dem kleinen König auch Lieder vorgesungen und Geschichten erzählt und tue es auch heute noch. Nur wenn kaum Reaktion zurückkommt, ist das manchmal komisch. Es fühlt sich etwas wie ein Monolog an. Welcher Artist tritt ohne Publikum auf oder macht weiter, wenn es stumm bleibt? Der kleine König schweigt, kein Wort kommt über seine Lippen. Inzwischen immerhin ein Lachen beim Toben oder Plantschen und was für eines zum dahin Schmelzen! Oder polternde Motzelaute, wenn etwas nicht passt, Moniseur Hunger hat oder ihm langweilig wird. Eigentlich toll, dass er zeigt, wenn ihm etwas nicht passt. Aber, wenn er nur sagen könnte was ihn stört oder wehtut– das ewige Rätselraten ermüdet mich.
Immerhin seit wenigen Tagen schläft er besser. Wir haben uns gebeugt und ein starkes Antispastikum eingesetzt, als sonst wieder nichts half. In erhöhter Dosis scheint es ihm Linderung zu verschaffen, so dass er zur Ruhe kommt. Nächste Woche muss er zum Checkup in die Kinderklinik, einer der Halswirbelfortsätze scheint nicht ganz in Ordnung und ein Langzeit EEG und MRT sind überfällig. Außerdem versuchen wir endlich mehr Pflegestunden zu bekommen, dass er nicht mitten im KiGa Tag heraus gerissen wird. Ein weiteres größeres Päckchen kommt auch noch auf uns zu. Wir gehen zu einer Rechtsberatung, denn nach drei Jahren verjähren medizinische Fehler. Und da ich ohne Komplikationen in der Schwangerschaft, mit einem kerngesunden Baby zur Geburt angemeldet und wir mit einem mehrfach behinderten, chronisch kranken Kind nach drei Monaten Klinikaufenthalten heim gingen, ist es wohl schon sehr berechtigt endlich noch einmal nachzuhaken. Rasches Handeln von Seiten der Ärzte hätte wohl diesen ausgeprägten Sauerstoffmangel verhindern können, was auch immer ihn ausgelöst hat. – Wie wäre er jetzt wohl ohne diese unfallartige Geburt? Unser Nachbarssohn ist ungefähr gleich alt, er gräbt den Garten um, kabbelt sich mit seinem Bruder, fährt Dreirad… ich mag nicht mehr darüber nachdenken.
Die kleine Miss lässt sich von all unseren Sorgen nicht bekümmern, sie trinkt, gedeiht und trägt schon wieder eine Kleidergröße mehr. Zwei Windelrocker zu versorgen ist nicht ohne. Wir brauchen lange bis wir außer Haus kommen und die Abende sind rastlos mit Kinder belegt. Immerhin „Es ist nur eine Phase“, das Mantra aller Eltern trifft zumindest auf unser Töchterchen zu. In einem Jahr wird sie selbst Apfelschnitze futtern und dann kann ich ihr mit dem kleinen König im Rehabuggy hinter her rennen. Er wird immer mein „Baby“ bleiben, aber so will ich ihn aber nicht sehen und behandeln. Hoffentlich gelingt mir das. Vielleicht kann er mir das irgendwann selbst mitteilen (ob direkt oder mit Talker oder App). Das wäre schön.

Doctor House zu Besuch bei den Flintstones. Alles auf Neu oder bleibt nach dem Umzug das Meiste beim Alten?

„Yabadabadooo“ wir haben den Umzug überstanden!  Nur wenige Wochen nach der Geburt unserer Prinzessin stand bereits der Umzug in unser neues barrierefreies Heim an. Das es wirklich innerhalb von elf Monaten fertig wurde, grenzt an ein Wunder und ist vor allem meinem tüchtigen Schwiegervater zuzuschreiben, der allen Handwerkern Dampf gemacht hat. Es blieb bis zum Schluss spannend, denn erst zwei Tage vor dem Einzugstermin war der Fußboden fertig verlegt. Alle Großeltern und viele Freunde halfen uns beim Ein- und Auspacken, dem Sanieren der alten Eigentumswohnung, den letzten Handgriffen und natürlich beim Kinder hüten. Mit all den Helfer/innen und Handwerkern um uns herum, war viel Trubel, richtig „Full House“.
Für das Möbel schleppen buchten wir aber ein Umzugsunternehmen – im Glauben, dass wir hierfür die uns zustehende Umzugsbeihilfe der Pflegekasse bekämen, die nun aber „verkuddel muddelt“ wird mit dem einmaligen Zuschuss für alle barrierefreien Baumaßnahmen.
Nun wir haben den Umzug mit zwei kleinen Kindern und unzähligen Hilfsmitteln ohne größere Verluste überlebt. Leider hat es nur der „tolle“ pinke Telefonanbieter trotz Antrag im November nicht geschafft bis zum Hochsommer die nötigen Kabel zu verlegen. Das heißt wir sind offline, kein TV, kein Telefon geschweige denn Internet. Fantastisch mit dem Neubau zurück in die Steinzeit. Call me Wilma! Super, denn die Rechnungen und Versicherungspost flattert ohne Pause in den Briefkasten. Dafür klingelte zu mindest das Telefon etwas weniger.
Natürlich in den großzügigen Räumen fühlten wir uns auf Anhieb sehr wohl. Es fehlten hier und da nur noch Kleinigkeiten wie Vorhänge, Schränke usw. die ohne WLAN und mit miesem Handyempfang auf dem Dorf nicht so leicht aufzutreiben sind.
Aber wir sind schon stolz wie schön alles geworden ist, trotz den praktischen, Barriere freien Elemente haben wir ein helles, wohnliches Häuschen geschaffen. Nur das neue Elternschlafzimmer büßte mit zwei Kinderbett links und rechts vom Ehebett schon einiges von seiner Gemütlichkeit ein. Nach drei Nächten gingen wir es an und beschlossen, dass es nun mit fast drei Jahren nun an der Zeit ist, dass der Räubersohn in seinem eigenen Zimmer schläft – wo er doch nun endlich ein eigenes Dschungelzimmer nebenan hat, mit super cooler Fototapete und Affengarderobe. Es war nicht einfach aber wir bekamen es mit mehreren Lagerungskissen, Nachtlicht und vielen Tröstbesuchen hin, dass der kleine König in seinem neuen Reich schläft bzw. schreit, denn leider ist die nächtliche Brüllerei noch immer nicht wirklich besser.
Wir sind inzwischen regelrechte medizinische Detektive und suchen mit mehreren Ärzten Dr. House mäßig auf Spurensuche. Eine der Doktorinnen hat die glorreiche Idee uns EINEN (!!) Tag vor dem Umzug zum MRT in eine entfernte Klinik schicken zu wollen. Ich habe mit dauerhungrigem Neugeborenen nur kopfschüttelnd auf den Umzugskartons gesessen. Nur ein paar Tage nach dem Einzug hatten wir auch wieder einen SPZ Termin.
Während uns die Therapeuten über die Sommerferien ganze Listen mit Übungsaufgaben gegeben haben, duften wir uns dort nun anhören, dass wir zu viel machen würden!
Dabei ist absolut klar, dass der Zwerg ohne regelmäßige Physio Schmerzen wegen der Spastiken in den Armen hat. Die Ursachensuche sollte erst stationär angegangen werden. Stattdessen sollten wir die Symptome mit Baclofen bekämpfen. Einen heißen Tipp brachte die Neurologin dort aber ein. Vielleicht hat der kleine Mann einen schmerzhaften Reflux?! Ich laß alles mögliche dazu und stellte fest, dass das typisch für ICP Kids ist!! Da dieser Verschlussmuskel eben auch durch die Hypotonie beeinträchtigt sein kann. Fast eine Woche später bekamen wir nach Abklärung mit den Nephrologen endlich das Rezept für einen entsprechenden Magenschoner. Damit schlief der Räubersohn tatsächlich besser, weinte auch mehrere Tage weniger. Doch nun zittert er wieder mehr hat verstärkte Cloni oder Tremor? Hilfe – Dr. House bitte übernehmen sie!! Das Einzige was wirklich fest steht ist…ich bin sowas von urlaubsreif! Wir werden nun ein paar Tage Auszeit mit dem Womo nehmen, um die runden Geburtstage von zwei Freunden herum. Eine schöne Überraschung gab es noch, der kleine, große Bruder hat zusammen mit Mampa und dem Upsee (ein herauslösbarer Bestandteil des Firefly Stehständers, der eine Hilfsmittelnummer hat) seine ersten Schritte gemacht. Da hängt er drin wie in einem Klettergurt und kann aber etwas mit laufen. Das war toll, ein kleiner, großer Schritt. Ob wir das je frei erleben werden das steht in den Sternen…

Ein Wochenbett der Extreme I – Zwischen unfassbarem Glück und Hilflosigkeit

Als ich am Ende der zweiten Schwangerschaft den Geburtsvorbereitungskurs mit meinem Mann besuchte, zeigte uns die Hebamme eine schöne Karikatur: Die Königin im Wochenbett. Darauf ist eine frisch gebackene Mutter zu sehen, die im Bett sitzend von weichen Kissen gestützt, selig ihr Neugeborenes im Arm hält und stillt. Der Vater reicht ihr Kuchen und ein wenig Besuch spickt ins Schlafgemach. Zu schön, um wahr zu sein? Sicher bei Mehrgebärenden ist diese Idylle sehr unrealistisch, wenn noch ein zwei Kinder umher springen und nach der „MAAAMAAAAA!!“ schreien, wird diese wohl kaum königliche Ruhe mit dem Jüngsten erfahren. Aber beim ersten Kind, da ist es doch noch drin – so dachte ich, bevor bei uns das Schicksal zugeschlagen hat. Wer sieht sich mit seinem kleinen Spatz schon wochenlang auf der Intensivstation? Nun jetzt, drei Jahre später, nachdem wir dieses Horrorszenario durchlebt haben und inzwischen viele Familien mit ähnlichen Erlebnissen kennen, erscheint es leider nicht so unwahrscheinlich, dass etwas schief geht. Obwohl ich versuchte optimistisch zu sein, beschlich mich immer wieder etwas Angst. Kommt unser Mäuschen zu früh, hat es nicht doch etwas was man auf dem Ultraschall nicht sah? Ich war nicht wirklich entspannt bis zur Geburt. Umso erleichterter atmete ich auf, als die ersten Tage nach dem Kaiserschnitt problemlos verliefen. Ich war nur etwas nervös, weil sie so wahnsinnig lange schlief, was für ein frisch geschlüpftes Menschenkind aber ganz normal ist, wie mir die Hebamme versicherte, zumal bei diesen enorm heißen Junitagen. Als wir nach fünf Tagen endlich heim durften war ich sehr glücklich und dankbar. Endlich würden wir vier vereint sein und ein Baby erleben, das wächst und gedeiht, viele Dinge kann und unglaublich schnell noch mehr lernen wird.

Mein Mann aber schien nicht so fröhlich, er war ziemlich angespannt. Ich erwartete mit der riesen, schmerzenden Kaiserschnittnarbe etwas verwöhnt zu werden. Er war aber total kaputt und entnervt. Denn unser Erstgeborener hatte ihn in den letzten Nächten, als er mit ihm allein war, kein Auge zu machen lassen. Dass der Räubersohn eine Nachteule ist und spät müde wird, das ist nun mal so. Aber seit dem Frühjahr hat er immer wieder laut im Schlaf aufgeheult und sich nur schwer beruhigen lassen. Zuerst dachten wir es seien wieder die durchbrechenden Zähne – aber doch nicht über Monate! Zumal er nicht immer sabberte. Wir wissen immer noch nicht was eigentlich los ist. Auf jeden Fall wurde es schlimmer. Ich habe ja schon darüber gewitzelt, dass uns der König wohl auf die schlaflosen Nächte mit Baby vorbereitet. Nur hörte es nicht auf als die kleine Miss und ich zu Hause waren. Der nun große Bruder zeigte zunächst keine Eifersucht, tagsüber war sogar richtig gut gelaunt. Er lächelte wenn sein Schwesterchen Geräusche machte und legte seine Hand auf ihre, wenn wir sie ihm zum Kuscheln auf den Bauch legten.

Doch gleich die erste Nacht schrie er, als ginge es um sein Leben, machte sich steif und war kaum zu beruhigen. Und das nicht als kurzer gewaltiger Aufschrei, sondern über zweieinhalb Stunden! Das geht an die Substanz vor allem wenn das längere Zeit so geht. Denn während wir Damen noch stationär waren, pendelte der arme Mapa zwischen der Wohnung, den Großeltern, die den kleinen König tagsüber auch versorgten und dem Krankenhaus. Jetzt versuchten wir zu zweit den Schreihals zu beruhigen, ich sang seine Lieblingslieder, wir probierten alles von Gute-Abend-Tee, Popo klöpfeln, Wiegen, Zahngel bis Schmerzmittel. Daneben bemühte ich in einen Stillrhythmus zu finden und mich an die Pflege eines Neugeborenen zu gewöhnen – beides absoultes Neuland für mich (Dazu gibt es auch einen tollen, gleichnamigen Comic auf eltern.de). Denn in der Neo-Intensiv war der Große rund um die Uhr von Krankenschwestern betreut, trinken konnte er in den ersten Wochen mit der Beatmung und der kritischen Gesamtsituation noch nicht, das Saugen hat er bis heute nicht gelernt. Seine kleine Schwester macht es mir Gott sei Dank aber nicht schwer, sie trinkt mit Begeisterung und wir hatten recht schnell den Dreh raus. Außerdem strampelt und lacht sie so wundervoll, greift Mapa in den Bart: Wir sind so unendlich froh die kleine zauberhafte, kleine Piratenprinzessin im Arm halten zu können.  Dieses selige Glückgefühl der ersten Kuschelzeit im Wochenbett hielt leider immer nur bis abends. Zwischen sieben und halb neun fängt es dann wieder an, das Ohren betäubende Gezeter des kleinen Monarchen. Es ist zum Verrückt werden! Manchmal schreit die Kleine auch noch mit, aber oft verschläft sie den Lärm aber einfach.

Mad, mad World. Wenn das Absurde zur Normalität​ wird.

Welcome to the Dschungel! Gäbe es eine Stellenausschreibung für den Fulltimejob einer pflegenden Mutter oder eines Vaters von einem behinderten Kind, müssten sie eine Menge abdecken! Wer einen Angehörigen zu Hause pflegt hat im Idealfall sehr gute Kenntnisse in der Rhetorik, ein juristisches Grundlagenstudium, eine fundierte Ausbildung in Verwaltung, medizinisches Basiswissen sowie eine ordentliche Portion Schneid und Selbstvertrauen. (Sarkasmus und Widerspenstigkeit entwickelt man mit der Zeit von ganz alleine – kein Sorge.) Ich bin auch in meinem dritten Jahr als pflegendes Elternteil immer wieder überrascht wie schwer die Versicherungen und Behörden (sowie einige empathielose Mitmenschen) uns das – ohne hin nicht einfache – Leben machen und dabei auch ihren Mitarbeitern ordentlich vermeidbaren Überprüfungs- und Verwaltungswahnsinn aufbürden.

Es ist so Vieles undurchsichtig, unlogisch und nicht vorhersehbar. Bore-out somit quasi nie zu erwarten, immer gibt es neue Hürden zu  überwinden. Bei uns „aktuell“, also seit der Vorweihnachtszeit zwei neue Hilfsmittel, maßgefertige, etwas skuril anmutende Lagerungssysteme (wie bei dem Elch auf dem Foto) – für tags und nachts zur Abduktion, die jetzt nach Ostern immer noch nicht fertig gestellt sind. Nicht selten enden diese Hilfsmittelanträge in einer schier endlosen Odyssee – und das meine ich nicht im übertragenen Sinne:  Schreckliche Zyklopen, irreführende Sirenen, tosende Stürme, das volle Programm haben wir immer wieder vor dem Bug auf unserer Irrfahrt.

Zum eben erwähnten Beispiel der Hilfsmittelversorgung – da bei unserem Räubersohn, nachdem es die ersten beiden Jahre immer „Spitzfüße, Spastiken und Beininnenrotationen ja – aber hey mit der Hüfte ist alles im Lot“ hieß (auch mit Ultraschall etc. überprüft), kam dann im Dezember die Hiobsbotschaft: Hüftluxation, Gelenkkopf nicht ausgebildet, Ausrenkung äußerst wahrscheinlich – eine OP zwingend nötig! Dafür waren wir allein von Dezember bis April sieben mal in verschiedenen Kliniken und bei Fachärzten von Heilbronn, Maulbronn, Stuttgart, bis Heidelberg. (dazwischen regulär zur Nierenkontrolle in Tübingen). Mit dem Ergebnis, dass gleich das erste vorordnete Hilfsmittel, eine Laufschiene eben überhaupt nicht passte, als sie endlich zwei Monate später nach Feststellung des „Schadens“ endlich anprobiert werden konnte. Nein, was für eine Überraschung! Ein Teil von der Stange sitzt nicht bei unserem kleinwüchsigen Sohn! Nicht, dass ich den sogenannten orthopädischen Experten in der schwäbischen Kinderklinik deutlich auf den Minderwuchs unseres Sohnes hingewiesen hätte, mehrfach…Zum Kühe melken. Inzwischen wissen wir, dass wir um die Hüft-Op nicht herum kommen, zumindest langfristig. Aber mit mehr Spreizung und Korrektur der Fehlstellung können wir es hoffentlich etwas hinauszögern. Die weiteren Episoden (Abduktionsempfehlungen, die bei einem Erwachsenen vergleichbar mit einem Spagat wären bis hin zu klumpigen, riesen Schaumstoffblöcken, die unserem Junior ungeahnte  Kräfte entlocken, um diese wegzutreten…) wären auch alle schilderungswert, aber das würde zu einem Buch werden.

Neben dem Klinikmarathon und den Gesprächen mit den verwirrten Versicherungsmitarbeitern (Wie das Hilfsmittel passt nicht? Haben sie das schriftlich für uns in einem aktuellen Arztbericht…) fühlten wir uns dieses Frühjahr auch außerhalb des Pflegealltags immer wieder wie im Comic „Gregs Tagebuch“. Da war ja noch die Schwangerschaft, die Wohnung und die Baustelle, die alle irgendwie nebenher laufen müssen.  Das „verwunderte“ einige der mehr oder weniger neuen Bekannten, mit denen wir nun v.a. baubedingt zu tun haben. Während sie Baurechts- und Designfragen zu ihrem alles dominierenden Hobby machen, haben wir „seltsamerweise“ irgendwie keinen Nerv mehr nach dem dritten oder vierten nicht zielführenden Gespräch und vollen Anrufbeantworter. Zu dem kamen aus alle Ecken Menschen mit Klingelbeuteln, die freundlich den Hut ziehend, selbstverständlich um milde Gaben baten, von völlig irrationalen Nachzahlungsforderungen bis zu unnötigen Beratungs- und Verwaltungskosten.

Der letzte Clou in dieser Serie des Wahnsinns, ist neben der Beihilfe, die tatsächlich für ein logopädisches Training (das sogar von der gesetzlichen KK anerkannt ist, für unseren Zweieinhalbjährigen, der bis heute nicht spricht) und ein Darmsanierungsmedikament zwei Amtsarztbesuche angefordert hat, unsere alte „Freundin“ die Pflegekasse:

Eigentlich sollten wir – wie uns in mehreren Telefonaten zugesichert wurde –  einen kleine finanzielle Unterstützung für die verschiedenen barrierefreien Baumaßnahmen bekommen: Dazu gehören die Abgrabungen, überbreite Türen und Fenster, eine bodenebene Dusche, rutschfeste Fließen im Sanitärbereich, schwellenlose Zugänge und den Plattformlift, um nur ein paar zu nennen. Dazu hieß es, müssen wir eine Liste erstellen, alles dokumentieren mit Belegen etc. und einreichen. Jetzt, neuester Stand – nachdem fast alles fertig gestellt oder zumindest bestellt ist – wurde uns mitgeteilt, dass nicht Maßnahmen bezogen, sondern Zeitpunkt bezogen gefördert werde. Das heißt im Klartext, da wir blöderweise unser Haus auf einmal bauen und nicht über 15 Jahre hinweg, können wir nur einmalig Unterstützung beantragen. Die maximale Fördersumme von 4.000€ wird dabei für alles zusammen vergeben! Richtig gehört: Für all das, was wir benötigen, damit unser chronisch kranker, schwerbehinderter Sohn halbwegs vernünftig leben und gepflegt werden kann. Alles was noch nicht montiert und jetzt akut notwendig ist, versuchen wir nun auf später zu verschieben, wenn „sich der Pflegebedarf verändert“ . Völlig bekloppt – aber sie wollen es ja so. Dann soll doch jedes Jahr ein Gutachter antanzen – mir egal ich habe eh fast kein Privatleben mehr.

Zudem haben wir auf Anraten unseres Pflegediensts wegen der neuen gesetzlichen Reglungen seit 2017 die Höherstufung im Pflegegrad beantragt, was sogar als Eilverfahren angesetzt wurde. Wegen angeblich 3,5 Punkten zu wenig wurde dies nun (vorerst) abgelehnt. Wobei es auf die 90 P. gar nicht ankommt, da wir durch die bilaterale ICP „den vollständigen Gebrauchsverlust der Greif, Steh und Gehfunktion“ nämlich eine „besondere Bedarfskonstellation“ vorliegen haben, die seit 2017 direkt zu PG5 führt!! (siehe Links unten). Leider hatte der uns begutachtende Arzt entweder Tomaten auf den Augen und Ohren oder eine sehr begrenzte Auffassungsgabe. Er hat Einiges, wie die Schluckstörung, die nächtlichen Schreiattacken, das regelmäßige Erbrechen und die diversen Hilfsmittel, die wir tagtäglich verwenden usw., einfach nicht mitbekommen. Zu dem verfügt der Mediziner über eine blühende Phantasie, so soll unser kleiner Mann im Bett liegend seine Position verändern können („weitgehend unselbstständig“) und – haltet euch fest – sogar etwas sitzen! Das sind doch mal tolle Nachrichten, ein Wunder!! Und wir Eltern und die Pflegerinnen haben es gar nicht mitbekommen, Mensch! Toll, dass wir das jetzt erfahren. Wahrscheinlich ist es bei unserem Räubersohn, wie bei Lotta Wundertüte: Im Geheimen sitzt und krabbelt das ICP-Kind. Das hat er dem Gutachter dann telepathisch mitgeteilt, der kleine Zauberer. (Sarkasmus off)

Oh Mann, ihr merkt es ich bin dem Wahnsinn nahe. Immerhin boxt mich die kleine Maus regelmäßig in die Realität zurück. Sie verhindert es auch, dass ich mich gesundheitsschädlich verhalte in solchen Irrsinnszeiten. (Danke Süße, bekommst nächtlichen Stracciatella Joghurt dafür.)

Langsam wird draußen schwarz zu blau, inzwischen ist es fast ganz hell draußen. Mir geht’s besser. Jetzt könnte ich mich theoretisch noch mal hinlegen zu meiner kleinen Heulboje und dem geschafften Papabär. Oder sich schreibe an dem Widerspruch bezüglich des Pflegegrads weiter. – Ihr habt das Monster geschaffen, so deal with it!

=>>>>Noch ein paar Links für euch, wenn ihr auch über eine Höherstufung in PG5 nachdenkt:

Liegt bei eurem chronisch kranken oder behinderten Kind vielleicht auch ein erhöhter Pflegebedarf bzw. „besondere Bedarfskonstellation“ vor? Auch Kinder unter drei Jahren können den Pflegegrad 5 bekommen.  – Infos zum Antrag und Widerspruch:

http://www.pflegeversicherung-2017.de/index_BesondereBedarfskonstellationenKindern.htm

https://www.pflegegrad.info/pflege/besondere-bedarfskonstellationen.php

-https://www.pflege.de/pflegekasse-pflegerecht/pflegegrade/widerspruch/#widerspruch_pflegegrad_5

Morgen Mama wird’s was geben: Zeiten des Wartens. Eine unendliche Geschichte.

Andere Familien schreiben „My Home ist my Castle“ oder „Carpe Diem“ in verschnörkelten Lettern auf ihre Wohnzimmerwand. Ich überlege mir manchmal, ob ich als Spruchbanner mein Dauermantra „Nicht aufregen, nicht aufgeben – Dran bleiben!“ hängen soll, nur so zum Erinnern.

Denn mir kommt es immer wieder so vor, als hänge ich mit meinen Lieben in der Warteschleife fest. Was sicher nicht von ungefähr kommt… ich kann die Duddelmusik unserer Krankenversicherung und des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) schon zweistimmig mit pfeifen. Für meinen kindlichen Kaiser darf ich tagtäglich gegen den grauen Nebel, dem alles verschlingenden Nichts des Verwaltungs- und Pflegeirrsinns kämpfen – nur werde ich selbst gelegentlich zum fauchenden Fuchur.Inzwischen haben wir immerhin bei einigen zuständigen Stellen und Ämtern teilweise persönliche Ansprechpartner, denen ich nicht jedes Mal die Geschichte unseres Räubers von der Schwangerschaft an Haarklein berichten muss.

Besonders amüsant finde ich immer, wenn sie ALLE verfügbaren Arztberichte wollen und ich dann frage, ob sie die Portokosten für das Paket mit drei Leitz Ordnern sowie die anfallenden Kopierkosten bezahlen wollen. Nein wirklich, die Warterei ist ätzend. Manchmal kam ich schon auf die absurde Idee, ob das meine persönliche Life-Challenge werden soll: Mich in GEDULD ÜBEN.

Yoga, Meditieren und co hab ich schon durch, da hilft auch kein Räucherstäbchen und Entspannungstee mehr. Mit der Geduld ist das eh so eine Sache. Die Geduld wird nicht mehr, wenn man sie oft benötigt – im Gegenteil manchmal muss ich sehr, ja sehr tief durch atmen, wenn ich wieder einmal vertröstet werde. Und es ist ja nicht nur EIN besonders happiger Bereich bei dem es hakt, nein Hilfsmittelfertigung, SPZ oder Neurologie /MRT-Termin alles dauert unglaublich ewig. Mein Fuß steht auf dem Gaspedal doch irgendjemand zieht immer die Bremse. STOPP and GO. Ich bin es leid!

Ich habe – sage und schreibe – im Mai das Rezept für die Zweitversorgung mit einer Sitzschale für unseren Sohnemann beantragt, dass sie auch gewiss bis Oktober zum Kindergartenbeginn fertig gestellt sein wird. Nun was soll ich sagen – es ist Mitte Dezember und mit ganz viel Glück soll der Sitz bis 23.12.2016 geliefert werden. Nur inzwischen ist der Junior tatsächlich etwas gewachsen und nun passt die Sitzhilfe für Daheim nicht mehr richtig. Also geht direkt im Anschluss dieser Sitz zum Reha-Techniker zum Anpassen, der hat aber Urlaub bis Anfang Januar.?) Also haben wir nur über die Ferien für den Kleinen einen Stuhl zu Hause, das 40kg Ungetüm dürfen wir dann zweimal die 120Stufen hoch und runter schleppen –Bravo! Danach heißt es wieder den sich überstreckenden und ruckartig bewegenden Knirps auf dem Arm mehr schlecht als recht Essen geben, stunden lang. Fabelhaft, wisst ihr wie sich mein Rücken anfühlt? Das ist nur ein Beispiel.

Viel mehr ärgert mich, dass wir – nach dem ich mit zig Arztbriefen und Therapieberichten der Physio erreicht habe, dass die Beihilfe uns das Galileo Therapiegerät übernehmen will – nun die private Versicherung dermaßen querschießt. Ein Gutachten wollen sie, aber niemand meldet sich zurück wegen dem Termin. Die liebe Debeka blockiert alles, obwohl sie NUR einen Pflichtanteil von 20% haben. Nachrichten über das Kontaktformular, mehrere Telefonate, böse Briefe, nichts scheint das Ganze voranzutreiben. Soviel Sand im Getriebe – oder eher ganze Felsbrocken. (Wo verdammt ist mein treuer Freund Atreyu, der mir beisteht?) Ja, das unendliche Warten …oh du fröhliche. War das noch schön, als Kind nur auf die weihnachtliche Bescherung oder den ersten Schnee zu warten. >>Nach dem Termin ist vor dem Termin oooommm << und so bitte ich gnädiglich jetzt noch schnell vor den Feiertagen und dem Jahreswechsel um neue Audienztermine bei den Doktoren für das Frühjahr und den Sommer 2017.

Denn da haben wir einiges vor – ich habe ja schon von ein paar der „Projekte“ etwas verraten und es wird auch noch ein paar Überraschungen geben , die sind aber auch mit Warten verbunden aber auch Vorfreude, ihr werdet schon sehen.

Euch möglichst ruhige, friedliche – Virus freie –Weihnachten mit euren Lieben. Eure Sophie**