Alle unter einem Dach – Häusle bauen einmal barrierefrei bitte

„Habt ihr mit dem Kleinen nicht genug um die Ohren? Müsst ihr zwei auch noch bauen?“, so ähnlich klangen manche Nachfragen von Bekannten als wir unsere Häuslesbauer-Ambitionen verkündeten. Natürlich als wir vor einem Jahr relativ spontan beschlossen uns ein Stück Land zu zulegen und Bauherren zu werden, war das für viele eine Überraschung, nicht zuletzt für uns selbst. Seit fast fünfzehn Jahren wohnen mein Mann und ich jetzt bereits in unserer schönen Dachgeschoss-Maisonette Wohnung. Damals mit Anfang Zwanzig hätte ich nie gedacht, dass ich hier mal meinen Babybauch hochschleppen werde, in den dritten Stock, ohne Aufzug. Als klar wurde, dass wir uns vergrößern werden, fragten wir uns schon wie das mit drei Zimmern funktionieren kann. Mein Arbeitszimmer brauche ich auf jeden Fall, das war klar. Also bauten wir das obere Stockwerk aus, das Kind sollte unser Schlafzimmer bekommen und wir direkt in das neu geschaffene Geschoss ziehen, zudem eine schmale maßgefertigte Holztreppe auf dem Eckschrank führt. Soweit der Plan.

Dass unser Wunschkind mit „besonderen Extras“ ausgestattet sein würde, davon ahnte ja niemand etwas. Denn nun darf ich einen zweijährigem Racker, der keine Anstalten macht sich vom Fleck zu bewegen, auch täglich hoch und runter bugsieren. Nun der zusätzliche Raum erwies sich trotzdem als praktisch für das ganze Dialysezubehör, ganz zu schweigen von dem Verbandsmaterialien, die ganzen Desinfektionssprays und Hilfsmittel samt Zubehör. Auch die liebgemeinten Spielsachen, mit denen unser Kleiner nichts anfangen kann und die Kinderklamotten, die so groß geschenkt wurden, dass sie erst in mehreren Jahren passen werden – all das lagert jetzt im Speicher-ehemals-Elternschlafzimmer. Der kleine Räuber hat wegen seiner Spuck- und Schreiattacken nachts immer noch seinen Platz neben uns. Deshalb brauchen wir das große Zimmer für uns drei. Doch die unzähligen Stufen, die zu überwinden sind, um überhaupt zu unserer Wohnungstüre zu kommen, die kann der junge Herr wohl weder jetzt, noch in Zukunft alleine bewältigen. Seine Rutsch- und Rollversuche halten sich in Grenzen und von Sitzen oder gar Laufen ist er leider noch Meilen weit entfernt. Sollte er dann irgendwann mit einem Hilfsmittel vorwärts kommen, dann bestimmt nicht in diesem Zuhause. Da barrierefreie Wohnungen oder überhaupt familientaugliche, bezahlbare Wohnungen absolute Mangelware in unserer Region (Großraum Stuttgart) sind, kamen wir nicht umher nach Alternativen zu suchen, alles sprach letztlich doch für ein Eigenheim.

Wir konnten glücklicherweise Dank „Einheimischen-Vorteil“ noch an einen der raren Bauplätze im Heimatort meines Mannes bekommen – doch damit begann die Odyssee. Ruck zuck schmiedeten wir die Hauspläne. Mein Schweigervater ist im Baugewerbe ein alter Hase und ohne ihn ginge es auch nicht. Er hat allerdings auch seinen eigenen Kopf und  wir beide auch, bisher haben wir ihn uns aber noch nicht gegenseitig abgebissen. Und da er seine Leute eben kennt, klappt bisher (bis auf ein vergessenes Fenster) alles reibungslos im Ablauf. Nur der Start, der war holperig – vom Erwerb des Bauplatzes bis zur Finanzierung dauerte es über ein halbes Jahr! Mein Mann und ich verdienen weder zu viel noch zu wenig und passten so gerade in die Richtlinien des KFW Kredits für Familien. Eine Z-15 Eigentumsförderung  der L-Bank war möglich, bei der es auch den Zusatz Barrierefreiheit gibt (bei uns in BW), wenn man behinderten Angehörigen in der Familie hat. Dazu müssen wir uns aber wirklich „nackig“ machen, alles offen legen. Und, die absolute Krönung:  Unsere Wohnung verkaufen – in der wir ja bis zum Bauende bzw. Umzug noch leben werden – um das nötige Eigenkapital aufzuweisen. Prima, verkauft mal eine Wohnung in der ihr noch für mindestens ein Jahr wohnt! Über eine Chorfreundin fand ich tatsächlich Monate später einen Interessenten und schließlich Käufer. Erst dann im Juni ging es weiter. Wir waren zwischenzeitlich wieder stationär mit dem Knirps gewesen und ziemlich entnervt als es überhaupt mal losging mit dem barrierefreien Bauen. Wobei es dabei genug Hürden gibt, es gleicht dem behindert werden – nicht sein, denke ich mir ab und zu.

Immerhin sind wir schon eine Weile verheiratet, denn eine Schwelle zum darüber Tragen, wird unser Haus nicht haben. Alles wird komplett schwellenfrei vom Eingang bis zur Terrasse. Die Detailfragen zur Wohnraumgestaltung haben es auch wirklich in sich: Ist genug Platz für einen Rolli-Wenderadius im Flur, wenn wir noch eine Garderobe möchten? Wie sollten die Türen und Fenster beschaffen sein und welche Maße sind am Günstigsten, damit der Junior gut sieht und durchpasst? Wie kommen wir mit der Hanglage und dem Gefälle der Einfahrt zu Recht? In den dazugehörigen DIN-Normen (DIN 18040-2) ist alles genau geregelt, um deren Einhaltung müssen wir uns zu meiner Erleichterung aber nicht kümmern, das erledigt der Bauleiter- Schwiegervater.

Die Auswahl der Innenausstattung von Sanitär etc. macht es uns auch nicht leichter, tausend Entscheidungen sind zu fällen. Welche Griffe in Küche und Bad kann der Kleine gegebenenfalls greifen? Wie können wir die Dusche und Waschtische alltagspraktisch gestalten, und zugleich vermeiden, dass das es wie im Krankenhaus aussieht? Brauchen wir eine automatische Toilette oder wird der Zwerg auch als Erwachsener noch Windeln benötigen?

Doch die schwierigste Frage lautet: Wie plant man ein Haus zu einer Zukunft, die man nicht kennt? Wie selbstständig wir unser Goldstück je werden? Kommt die Dialyse bald wieder? Brauchen wir einen  Extraplatz für ein Transportsystem und noch mehr medizinische Hilfsmittel? Eigentlich müsste sich jeder die Frage nach möglichen alternativen Lebensverläufen stellen, der ein Eigenheim plant. Und ich bin verwundert wie wenige junge Ehepaare und Familien ans Alter oder mögliche Krankheiten denken, die sie ereilen können. Und ein bisschen neidisch, weil sie so unbeschwert sind.

Immerhin ist der Bedarf an senioren- oder behinderten gerechten Eigenheimen in den letzten Jahren gestiegen und die meisten Anbieter und Fachhändler wissen schon Bescheid in punkto Bodenbeläge und deren Abriebfähigkeit  und anderes wie den Grad der Rutschemmung von Fließen (R-Nummern), welche bei gebehinderten Personen von Bedeutung ist.

Alles ist genau vorgegeben bei dieser KfW-Förderung, maximal 150qm darf eine 3-4 köpfige Familie sich zulegen –dass unglaublich viel Raum für die Einhaltung der DIN-Normen nötig, ist übersehen sie dabei leider. Geduld und Ruhe braucht man auch, wenn man der Bank zu erklären versucht, dass die Einliegerwohnung auch für den Eigenbedarf entsteht und zwingend barrierefrei sein muss. Wir planen das so, damit der Sohnemann bei uns und doch möglichst unabhängig wohnen kann, wenn er alt genug ist.

Und die Kosten sind gigantisch. Allein der Plattformaufzug, der einfachste seiner Art über zwei Etagen, kostet über 33 000Euro. Der mögliche Zuschuss der Pflegekasse pro „Wohnumfeldverbessernde Maßnahme“ liegt bei maximal 4 000Euro. Fantastisch! Für einen doppelten Treppenlift der weniger kostet gäbe es pro Stockwerk die gleiche Summe, nur könnte Monsieur ihn wohl nie alleine bedienen und  würde wegen der Spastiken immer einen Träger benötigen. Schließlich muss auch er auf das Gefährt und zurück und der Buggy/Rolli nach oben oder unten verfrachtet werden. Für all das müssen wir in Vorauszahlung gehen, und hoffen einen kleinen Anteil wieder erstattet zu bekommen. Bau-Lotto sozusagen. Jeden Baufortschritt müssen wir dokumentieren und die Rechnungen einreichen, damit wir die ausgegebene Kohle bekommen. Das ist jetzt das neue „Hobby“ meines Mannes, mir reicht „mein“ Versicherungs-Antrags-Widerspruchs-Wahnsinn bereits zu Genüge. Ich bin froh, wieder einen Job zu haben, auch wenn es nur Teilzeit ist, schlafe ich so etwas ruhiger.

In einem Familienwohngebiet auf dem Land mit all fröhlichen Sausewindkindern um uns herum, darauf freue ich mich schon, auf das Leben in der Bude. Aber ich habe auch etwas Angst, DIE Familie mit dem behinderten Kind zu sein, vor der sich die anderen vielleicht distanzieren. Was ist, wenn sie erst gar nicht versuchen unseren Sohn mit einzubeziehen? Er geht bisher ja auch in seinen sonderpädagogischen Kindergarten und ist allein deshalb nicht mit den Nachbarskindern zusammen. Ein komisches Gefühl macht sich immer wieder in der Magengrube breit. Und was stelle ich dort beim Elternabend des SoPä-Kiga fest? Noch ein Junge aus seiner Gruppe zieht mit seinen Eltern in die Parallelstraße, sie können dann morgens sogar miteinander abgeholt werden! Und Freunde von uns mit Kindern wohnen auch ums Eck, einer der „großen Jungs“, die jünger sind als unser Liebling sind, aber ihn längst überragen und ihn von Geburt an kennen und mögen. Immerhin, da hat der kleine Herr König bereits Bodyguards, wenn andere über ihn lachen sollten. Das ist doch schon mal was.

Wenn die uns hören könnten…Danke, dass es euch gibt ihr Mamas an meiner Seite!

Eigentlich wollte ich als nächsten Beitrag euch meine Inklusive Literaturliste vorstellen, aber irgendwie juckt mich dieses Thema mehr in den Fingern. Ich muss einfach dringend mal Danke sagen! Danke meinen treuen Wegbegleiterinnen der letzten Jahre. Ohne euch wäre ich heute schlicht wahnsinnig glaube ich, längst nicht so gelassen (für meine Verhältnisse) und zuversichtlich.

Professionelle Hilfe, die suchte ich direkt nach der Entlassung aus der Klinik und damit in unser neues Leben. Irgendwie war mir klar, diesen Brocken, kannst du – können wir nicht alleine tragen. Aber Selbsthilfe Gruppen, vor denen hatte ich irgendwie einen gewissen Aber. Ich sehe dann im Kopf, immer so einen Kurzspot über AA-Treffen, die man von US-Serien kennt: Eine Gruppe Menschen sitzt im Kreis, ich sage „Ich heiße Sophie und komme mit meinem neuen behinderten Leben nicht klar“. Nein – Danke.

Wobei, was gäbe es besseres als erfahrene Eltern zu treffen, die das hinter sich haben, was uns jetzt bevor steht? Die einen verstehen und nicht verurteilen. Denn zugegeben, mein Mann und ich wir haben unseren eigenen Humor entwickelt, insbesondere um mit all dem schrägen Gegebenheiten in unserem Alltag klar zu kommen. Ironische Kommentare zum Elterndasein, damit schockten wir schon bei Vorbereitungskurs so manche etwas perfektionistisch, verkrampfte werdende Eltern. Das ist eben unsere Art, und ich glaube nicht die schlechteste, auf jeden Fall für uns. Unsere Paten teilen glücklicher Weise unsere satirische Weltsicht, sie wussten, dass wir unseren Junior nicht bei ihnen vor der Türe aussetzen werden, auch wenn wir es in seinen heftigen Schreiphasen gelegentlich ankündigten. Sie kennen uns schon seit über 15 Jahren und für sie sind wir nicht nur Mama und Papa von.. sondern dürfen wir selbst bleiben.

Einige Verwandte und Bekannte mit älteren behinderten Kindern kamen auch zusammen mit einem Bündel guter Ratschläge bei mir am Beginn meiner „Einfindungsphase“ in der Anderswelt vorbei. Manches war gut zu hören und ich nahm diese Tipps oder Geschenke (z.B. tolle Musik mit Naturgeräuschen) dankend an. Anderes verunsicherte mich sehr. Allein die Vergleiche zwischen den Kindern: „Wird unser Kleiner auch so schwer geistig behindert sein wie X? Kann er je laufen wie Y? Ist das grausige Training wirklich DIE Lösung? Werden wir auch als Ü50 noch unser erwachsenes Kind daheim als Fulltime Job versorgen?“ iI meinem Kopf liefen diese beohrenden Fragen dann wochenlang in Dauerschleife. Das war nicht besonders hilfreich, außer zu meiner generellen Verunsicherung.

Ich wollte mich ja nie verstecken oder einigeln mit dem Zwerg – auch als er noch „verkabelt“ mit Nasensonde und Thenkoff-Katheder war. In unseren PEKiP-Kurs gingen zu meinem Glück noch zwei andere Kinder mit Einschränkungen bzw. Krankheiten. Da fühlte ich mich nicht mehr so einsam mit unserem special-needs Kind. Aber auch sie gediehen mit der Zeit prächtig und ich freute mich mit den stolzen Mamas, doch innerlich tat es sehr weh. Online erlebte ich auch Besserwisserei und Missgunst in den diversen Elternforen zu behinderten Kindern und beschränkte meine Aktivität auf wenige Seiten, in denen es gepflegt und solidarisch zu geht (z.B. die Facebook Gruppe „Nierenkinder „-dort lernte ich mehr als bei den vielen Arztbesuchen über Dialyse, Werte und co).

Als ich dann endlich nach einem Dreivierteljahr mit unserem Räubersohn zu Frühfördergruppe gehen durfte, fand ich endlich erste reale Verbündete. Wir sprachen über alles: Die Ängste, den Frust, das Gefühl der Ohnmacht. Die dummen Blicke, die Wut auf das Schicksal und das unglaubliche Glück, wenn unsere besonderen Schätze wieder etwas gelernt haben – und sei es nur eine klitzekleine Kleinigkeit wie, die eigene Hand entdecken oder von einer Brezel abbeißen. Von der Leiterin wurden wir immer wieder gebeten uns dem Förderangebot der Kleinen zu widmen. Aber im Ernst – wenn sie eines genug bekommen dann Förderung!  Ergo, Logo, Physio, Sehförderung und und und. Was wir brauchen ist eine Elternförderung! Um nicht durchdrehen zwischen Hilfsmittelanträgen, pessimistischen SPZ-Ärzten und Pflegestufengutachten.

So eine Gruppe habe ich inzwischen auch gefunden bzw. sie mich. Eine Mama, die mit ihrem Sbehinderten Sohn auch zu unserer Physiotherapeutin geht, ließ mir ihren Kontakt zu kommen und nun bin ich Teil eines privaten Mama-Treffs und ich sag euch, das tut einfach so gut. Wir verstehen uns einfach blind und stärken uns den Rücken. Wir reden über Therapien und tauschen Erfahrungen aus. Gemeinsam lachen wir über groteske Situationen. Es hilft sehr die Sorgen teilen, wenn wieder unklar ist wie es weiter geht, einer unserer Lieblinge leidet und auf unbestimmte Zeit ins Krankenhaus muss. Ich bin so froh euch gefunden zu Haben! Ich kann noch stundenlang lachen über eure (wahn-)witzigen Erlebnisberichte und kreativen „Life-Hacks“ Erfindungen. (Ich sag nur „Sondier-Lampe“: Eine Lampe an der die Nahrungsspritzen  befestigt werden, damit die Milch mittels Schwerkraft automatisch in die Sonde einläuft, ohne einen lahmen Mama Arm zu bekommen, der Patentantrag läuft). Dann zwinkern wir uns zu und sagen – „Mensch, wenn die uns hören könnten!“ Ich bin so dankbar für den Austausch mit euch und zu wissen wir sind viele. Wir sind einfach auch nur Mütter, nur die Umstände sind nun mal etwas behindert.

Inzwischen war ich auch bei der regionalen Selbsthilfe Gruppe „Unbehindert zusammen leben“ heißt der dazugehörige Verein, passender Weise. Ich muss sagen – nur Mut. Alle waren auch hier sehr nett und man kann nur profitieren auch als Neumama. Wir aßen Schnitzel in der Wirtschaft, tranken Bier zusammen und redeten über unsere Kinder, wie andere beim Elternstammtisch auch.

 

Interview bei Phillip Julius e.V.

Heute dürft ihr mal eine Premiere mit uns erleben!

Ich wurde vor kurzem von Nadine Bauer vom Verein Philip Julius e. V. interviewt und gerade ging der Beitrag online. Wir redeten über den Alltag mit unserem Glückskind (ich gebe ihm hier den Namen ‚Felix‘), berufliches und unsere Wünsche.Ein Thema war auch das Vereisen, den der Verein bietet Familien mit behinderten Kindern Unterstützung, wenn sie in den Urlaub zusammen fahren möchten.

Euch allen ein schönes Wochenende! Drückt mir die Daumen, am Montag startet mein neuer Job.

Hier das Interview, das Nadine Bauer mit mir geführt hat:

„Erzähl doch mal …. Sophie!“

Wie sieht Deine Familie aus?
Bisher ganz klassisch wie im Kinderspiel: „Vater, Mutter, Kind“: Papa Mark (37), ich (33) und unser kleiner Felix , er ist gerade zwei geworden. Außerdem sind unsere Eltern im Boot und unsere treuen Paten.

Wann und wie hast Du von der Behinderung Deines Kindes erfahren?
Die Schwangerschaft mit Felix war ohne Komplikationen, er wuchs und gedieh und strampelte wild. Als ich zwei Wochen vor dem Termin einen Blasensprung hatte und die Wehen begannen, rechnete ich mit mit einer ganz normalen Geburt. Doch es kam alles anders: Die Herztöne fiehlen immer wieder ab und schließlich wurde er durch einen Notkaiserschnitt geholt. Felix, atmete nicht von allein und musste gleich auf die Neointensiv gebracht werden, wo er reanimiert und intubiert wurde. Ich sah ihn nicht da ich selbst noch betäubt war. An meinem Mann wurde er schnell im Brutkasten vorbei geschoben. Uns wurde berichtet er hatte dann gleich nach der Geburt noch erste Krampfanfälle. Die ersten Tage scheider auch nichts aus und langerte immer mehr Wasser ein. Nach der unfallgleichen, vereehrenden Geburt war klar, er wird, wenn er die erste Zeit übersteht, viele Einschränkungen haben. Die ersten Monate standen vorallem seine Nieren, die durch den schweren Sauerstoffmangel stark beschädigt wurden, im Vordergrund. Bereits mit einem Monat konnten wir mit der lebensrettenden Bauchfelldialyse beginnen.Dann kamen nach und nach neue Einschränkungen, wie die Cerebralparese mit all ihren Baustellen und weitere Krankeiten, wie die Epilepsie, zum Vorschein.

Inwiefern ist Dein Kind beeinträchtigt und wie gehst Du damit um?
Für uns ist vieles inzwischen normal. Dadurch, dass er zur Zeit keine Nasogastral-Sonde mehr hat, fällt vielen Ausstehstehenden, die nicht vom Fach sind, gar nicht auf den ersten Blick auf, dass er Handicaps hat. Wer sich etwas auskennt sieht seine Spitzfüße, die Rumpfhypotonie, erkennt die typische Handhaltung und Anspannung von Kindern mit Spastiken. Er isst auch sehr langsam, verschluckt sich immer wieder und trinkt nur Schluckweise angedickte Flüssigkeit aus einem Spezialbecher. Seine epileptischen Anfälle sind bisher Gott sei Dank nur ganz klein und kurz. Inzwischen hat Felix einen Schwerbehindertenausweis (100% AG, B, H) und Pflegestufe drei.
Beim Verarbeiten unserer Situation helfen mir viele Gespräche mit Freunden und ein „besonderer“ Mütter-Treff. Der Austausch mit ihnen und das Gefühl nicht alleine zu sein, da ist goldwert! Außerdem verarbeite ich viel dadurch, dass ich einen Blog schreibe (www.sophiesanderswelt.wordpress.com). Es ist aber kein stetes Voranschreiten, im Sinne von „langsam wird alles besser“. Klar wir leben uns schon etwas ein in unserem „Paralleluniversum“, jetzt nach zwei Jahren. Aber je nach dem wie die Umstände sind und was ich um mich herum erlebe, komme ich mehr oder weniger besser klar damit ein behindertes Kind zu haben.

Habt Ihr noch weitere Kinder?
Bisher haben wir noch keine weiteren Kinder, wünschen uns aber ein Geschwisterchen für unseren Räuber. Es wäre für uns alle wundervoll all das normale „Babyzeug“ zu erleben, erste Worte und erste Schritte, solche Dinge. Es wäre auch beruhigend zu wissen, dass sich noch jemand um unseren Sohnemann kümmern kann, wenn wir älter werden.

Wie sieht Dein Alltag aus?
Gerade ändert sich viel. Der kleine Mann darf nämlich seit seinem zweitem Geburtstag im Oktober 2016 in eine sonderpädagische Kita gehen, die Pflegerinnen fahren ihn jeden Schultag dort hin. Das ist eine große Entlastung, jeden Vormittag „frei“ zu haben. Der mobilie Kinderpflegedienst war früher auch seltener meits nur zwei bis drei Mal die Woche da. Jetzt mache ich in Ruhe all Briefe für die Versicherung, fordere Rezepte an, mache neue Arzttermine aus und koche vor, denn er darf nur Ungesalzenes essen. Gott sei Dank geht es nachts einigermaßen gut, da Felix viele Stunden am Stück schläft, wenn er irgendwann zwischen zehn und elf Uhr endlich in den Schlaf gefunden hat. Bald werde ich Teilzeit arbeiten, da bin ich noch gespannt wie wir das alles gewuppt bekommen.

Was macht Dich im Alltag glücklich? Und welche Momente sind hingegen besonders schwer?
Wenn wir Zeit zu Dritt verbringen, ohne Therapien und Arztbesuche, das ist herrlich. Da die Blutwerte unseres Juniors jetzt schon länger für seine Verhältnisse gut sind, bin ich gerade etwas entspannter. So normale Dinge, wie mal auf ein Straßenfest mit Freunden gehen, das ist sehr schön. Etwas traurig bin ich, wenn ich Kinder in seinem Alter sehe, die umher springen,selbst etwas aus der Hand essen und erste kurze Sätze sprechen. Solche Selbstverständlichkeiten fehlen doch sehr. Andereseits bin ich happy, wenn kleine Kinder aus unserr Verwandschaft und dem Freundeskreis lieb zu unserem Goldstück sind, auf ihn zu gehen und versuchen ihn mit einzubeziehen.

Wer betreut Dein Kind? Wie habt Ihr die Pflege organisiiert?
Die meiste Zeit bin ich damit ihm Essen und Trinken zu geben. Auch der ganze Vericherungs- und Ämterkram (Kostenvoranschläge, Hilfsmittelanträge, Widersprüche usw.) ist bei uns sehr zeitaufwendig. Wir haben uns früh professionelle Hilfe durch einen mobilen Kinderpflegedienst geholt. Sie helfen uns mit den Medikamneten, geben Spritzen, messen Blutdruck, inhalieren mit ihm und überwachen seine Anfälle. Immer wieder müssen wir darum kämpfen die Intensivpflegeverordnung behalten zu dürfen. Das heißt ich muss regelmäßig Arztbriefe anfordern, Verlaufsberichte einreichen und alles zig mal begründen – als ob eine chronische Erkrankung und Behinderung, wie von Zauberhand verschwinden könnte! Ich weiß nicht wie ich ohne die Pflegerinnen den Alltag bewältigen könnte. Mein Mann arbeitet Vollzeit, er hat als Berufschullehrer aber relativ humane Arbeitszeiten und Ferien und kümmert er sich in der freien Zeit viel um den Kleinen. Unsere Eltern nehmen Felix in der Regel einmal in der Woche oder begleiten ihn zur Therapie oder zu Artzterminen. Wenn ich bald arbeite gehe, werden die Großeltern uns noch häufiger unterstützen (müssen), sonst würde das alles nicht funktionieren.

Was machst Du beruflich? Und wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?
In Zukunft bin ich in Teilzeit als Sozialarbeiterin in einem Schulzentrum angestellt und freue mich schon auf diesen abwechslungsreiche, fordernden Job mit den Kids. Davor war ich als Dozentin an einer pädagogischen Hochschule in der Lehre und Forschung tätig. Da arbeitete ich unregelmäßig auch am Wochenende oder in Kompaktblöcken, das ginge jetzt nicht mehr so gut. Ob das ein Verlust ist oder ein Gewinn, ist eine Frage der Perspektive. Manchmal bin ich auch ganz froh, durch unser privates Chaos so durcheinander gewirbelt worden zu sein. Eine Krise ist ja immer auch eine Chance sich neu zu (er-)finden. Auch als Paar wurden wir noch mehr zusammen geschweißt.

Was bedeutet Urlaub für Euch?
Im Urlaub möchten wir einfach einmal abschalten. Keine Regeln, keine Verpflichtungen. So ein bisschen wie bei der „Sail away“-Werbung. Als unser Liebling noch täglich ca. 8-10 Stunden an der Bauchfelldialyse über Nacht angeschlossen war, konnten wir natürlich keine großen Sprünge machen. Wir ließen uns das Gerät und Zubehör dann in eine Ferienwohnung im Fränkischen liefern. Felix fährt ohnehin nicht besonders gerne Auto und bei größeren Höhenunterschieden spuckt er. Noch immer trauen wir uns höchstens ins deutschsprachige Ausland (Was wäre, wenn die Werte kippen oder er einen schweren Anfall bekäme?) .

Wenn Ihr als Familie gemeinsam Urlaub macht, wie plant Ihr?
Mit Dialyse war es sehr kompilziert, ganze drei Mal rückten Mitarbeiter der Firma bei der Ferienwohnung, der Gott sei Dank verständnissvollen und netten Familie Thiem, in Waischenfeld an. Dann funktionierte der Cycler auch erst nach einem Reset, da lagen die erst Mal Nerven blank. Generell müssen wir viel einpacken und dafür sorgen, dass wir ausreichend Medikamente (sie werden extra in unserer Apotheke in der richtigen Mischung zubereitet) und medizisches Zubehör (Spritzen, Blutdruckgerät, Sonde für den Notall etc.) dabei haben.

Wo habt Ihr Euren schönsten Urlaub verlebt?
Am liebsten vereisen wir mit dem Wohnmobil meiner Schwiegereltern, da bekommen wir fast alles unter, auch die nötigen Hilfsmittel, wie den sperrigen Rehabuggy. Wir planen dann immer kurzer Etappen, wobei wir das je nach Wetter und Gesamtsituation auch mal spontan aufbrehcne oder bleiben. Alle unsere Urlaube waren schön, erholsam und gefühlt viel zu kurz. Gerade der erste zu dritt in der Fränkischen Schweiz wird uns immer in Erinnerung bleiben, weil unser Liebling da beim Wandern durch Wald und Wiesen es endlich duldete im Wagen liegen zu bleiben, wenn auch in einer lustigen „Schildkröten“-Position auf dem Bauch.

Welche Wünsche und Pläne habt Ihr für die Zukunft?
Ich würde gerne einmal wieder in den Norden fahren mit meinen „Jungs“. In Norwegen waren wir bisher nur vor seiner Geburt. Viellicht finde wir nette deutschsprache Ferienwohngsvermieter oder Campingplatzbesitzer? Irgendwann würde ich gerne nochmal nach Marroko oder Thailand, aber ob das jemals wieder gehen wird, das steht in den Sternen. Da wir gerade barrierefrei Bauen, ist Reisen auch nicht unsere erste Priorität.

Den veröffentlichten Text findet ihr auf http://www.phillip-julius.de