Stillstand -leben in der Blase

Übrigens jetzt fast 1,5 Monate später gab es einen kleinen Fortschritt, uns Schatz bekommt tatsächlich Zähne und gleich fünf auf einmal – außerdem versucht er sich aufzurichten… Wahnsinn. Manchmal kann die Blase ganz bunt schimmern.

sophiesanderswelt

Was mich schon immer an kleinen Kindern fasziniert hat, ist wie sie alles aufsaugen, einen nachahmen und sich rasend verändern, wachsen, neue Dinge lernen. Hat man so einen Winzling nur ein paar Wochen nicht gesehen, scheint es schon wieder ein ganz anderes Kind zu sein. Der klassische Oma-Ausspruch „Oh ist der aber groß geworden“ rutscht einem über die Lippen und die Eltern sind stolz wie Bolle. In meinem Pädagogikstudium fand ich besonders Kurse zu Entwicklungspsychologie wie Piaget oder in Ethik das Modell von Kohlberg zur Moralentwicklung unglaublich spannend. In der Schwangerschaft habe ich Woche für Woche mit verfolgt wie unser Junior wächst und sich entwickelt: Jetzt hat er schon Fingernägel, nun ist das Gehör ausgebildet…Dann als er geboren war und Wochen lang ums Überleben kämpfen musste war uns allen klar, dass er nach allem was er durch gestanden hat und  womit er noch immer zu kämpfen hat – von Übelkeit…

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Des Lebens Wert: Wieviele Wochen, wieviel Gram(m) entscheiden? Gedanken zum Film 24 Wochen.

Letzte Woche feierten wir den Geburtstag einer jungen Frau aus unserer Verwandtschaft, die ich sehr ins Herz geschlossen habe. Sie hatte, ähnlich wie unser kleiner Räuber, Komplikationen bei der Geburt gehabt und niemand weiß genau warum. Ihre Entwicklung war deshalb ungewiss und jeder Schritt eine Herausforderung für sie und die ganze Familie. Heute kann sie soviel, wohnt jetzt sogar in einer WG und wir sind alle so stolz auf sie. Die junge Lady ist selbstbewusst und einfühlsam, einer meiner liebsten Babysitter. Zu unserem Sohn sag ich immer sie ist unser Idol. Ja, ein Mädchen mit Handicap ist unser Vorbild. Wie irritierend, dass an ihrem Geburtstag der Film „24 Wochen“ ins Kino kam. Er thematisiert das Tabuthema Spätabtreibung und ich habe ihn noch nicht gesehen, aber viel dazu gelesen und angehört u.a. das Interview mit seiner Regisseurin Anne Zohra Berrached.

Das fiktive Baby hätte (angeblich) Downsyndrom und eine Herzfehler. Ich muss an B* denken. Der inzwischen erwachsene Sohn einer guten Bekannten von mir. Immer wieder musste er und seine Eltern gefährliche Operationen mit m durchstehen, er wird sie als Fürsprecher immer brauchen. Der junge Mann wohnt inzwischen nicht mehr zu Hause, er ist sehr lebenslustig – spricht nicht, aber er reist. Wäre er das Baby in 24 Wochen gewesen, hätte er nie ein anderes Land oder einen Menschen kennen gelernt.

Der Film, der neben Spielfilmsequenzen auch dokumentarisch anmutende und improvisierte Sprechszenen mit echten Ärzten/innen enthält, soll nicht verurteilen oder rechtfertigen, erklärt Berrached. Es handelt sich um ihren Abschlussfilm an der Filmakademie Ludwigsburg.

Der Stadt in der unser Sohn auf der Neo-Intensiv die ersten Lebenswochen lag, beamtet und umgelagert wurde. (Befremdlich so viele Überschneidungen). Mit ihm waren viele Frühchen auf der Station, zarte zerbrechliche Wesen, die doch so oft eine ungeheure Stärke in sich tragen. Was ich dort erst erfuhr: Dass auch diese kleinen, eigentlich gesunden Babys ein erhöhtes Risiko haben, krank oder behindert zu werden. Bei manchen löst sich die Netzhaut, sie können erblinden. Andere haben Probleme mit der Lunge oder zur Frühgeburt noch einen Sauerstoffmangel erlitten.Die Ärtze/innen und die Krankenpfleger/innen Team tun was in ihrer Macht steht, um diese kleinen Geschöpfe zu retten. Manche sind erst in der 23, 24 oder 25 Woche – und das ist der Moment, der mich sehr nachdenklich macht.

In Deutschland ist eine Spätabtreibung aufgrund einer Behinderung bis zur Geburt möglich. Das Kind im Spielfilm wird in der 24 SWS abgetrieben. Eigentlich ist der Begriff eine Verharmlosung. (Bei einer Gewalttat gegenüber einer Schwangeren gilt es als Totschlag, wenn es das Ungeborene nicht überlebt.) Diese Spätabtreibung erfolgt in der Regel durch eine Giftspritze ins Herz. Das Kind, das als künstlich erzeugte Totgeburt zur Welt kommt, hätte als Frühgeburt vielleicht schon leben können.

Besonders fragwürdig und bedenklich finde ich, dass die Pränataldiagnostik heute noch so oft daneben liegt! Zwei Freundinnen von mir wurde in den letzten Jahren mitgeteilt ihr Kind wäre behindert oder schwer herzkrank. Beiden rieten die Mediziner zu einer Schwangerschaftskonfliktberatung zur Vorbereitung einer möglichen Abtreibung. Doch sie lagen Gott sei Dank daneben. Die Kinder sind heute gesund, sie leben, weil die Mütter ihrem Bauch vertrauten.

Die Entscheidung in dieser fortgeschrittenen Schwangerschaftsphase gegen das Kind wird immer ein Trauma hinterlassen – es ist wie eine Fehl- oder Totgeburt, ein furchtbarer Moment der Verlust des eigenen Kindes. Verwandte von uns durchlitten das. Ihre Ehe zerbrach daran, sie leiden noch heute unter der Entscheidung, fühlen Schuld und Ohnmachtsgefühle, wenn sie an damals denken.Warum werden Eltern in so einer Dilemma-Situation alleine gelassen? Weshalb besteht diese unmögliche Ausnahme-Option? Warum kann ein schwer krankes Kind nicht zu Welt kommen und falls es wirklich nicht lebensfähig ist, dann in Frieden sterben? Haben Menschen ethisch gesehen das Recht einem (vermeintlich) behinderten oder chronisch krankem Kind  – zu diesem späten Zeitpunkt der Schwangerschaft – sein Lebensrecht abzusprechen?

Es gibt keine Garantie auf für ein gesundes Kind für niemanden, manche Babys werden zu früh geboren und sind dadurch behindert, bei manchen genetischen Defekten wird das erst im Laufe der Jahre sichtbar. Andere haben einen Unfall im Kindesalter, eine OP geht schief…. unser Sohn war gesund. Keine Komplikationen gab es in der Schwangerschaft, keine Warnsignale,  erst die Geburt löste seine Behinderung aus. Manche Eltern mit behinderten Kindern sagen, sie wollen auf keinen Fall ein zweites Kind das behindert ist. Ich verstehe sie, verstehe auch die Eltern im Film. Aber ich fühle für mich, dass ich es nicht richtig finde. (Man kann ähnlich wie bei der Debatte um die Burka gegen die Burka und auch ihr Verbot gleichzeitig sein.) Es schmerzt einfach. Ein Kind mit Behinderung ist und bleibt ein Kind, ein Geschenk – aber auch eine teilweise erdrückende Aufgabe mit ihm den Alltag und Krisenzeiten zu erleben und überleben.

WANN IST EIN MENSCH EIN MENSCH? Ab wievielen Wochen zählt ein Menschenleben, ab wieviel Gramm ist ein Leben ein Leben?

Gram löst jede Entscheidung aus.

 

 

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Mit weißen Riesen klar kommen. Appell an alle Ärzte, die mit Eltern behinderter Kinder zu tun haben.

Kleine Handreichung für Ärztinnen und Ärzte, die Familien mit schwer kranken oder behinderten Kindern behandeln.

Vorneweg – ich bin der Ansicht, dass Ärzte/innen, Therapeuten/innen UND Eltern ein Team sein sollten. Sie müssen nicht immer der gleichen Meinung sein, auch wenn für beide das Wohl des kleinen Patienten an vorderster Stelle steht. Gegenseitigen Respekt halte ich in dieser professionellen Beziehung für das Wichtigste.

Die Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren in zahlreichen Krankenhäusern und Arztpraxen machen durften, sind sehr unterschiedlich. Wir wurden aufgefangen und vor den Kopf gestoßen, ernst genommen und „zusammen gefaltet“. Ich bedanke mich bei allen Doktoren/innen und Therapeuten/innem, die uns in schweren Zeiten ihre Hand reichten, um das Leben etwas zu erleichtern. Alle die im Gespräch und der Wortwahl rücksichtsvoll waren.  Leider haben wir immer wieder auch andere, unschöne Begegnungen mit Fachpersonal, das unsensibel agiert uns z.B. mit Horrorszenarien erschreckt, uns regelrecht bevormunden möchte und sich nicht in uns hineinversetzen kann oder will.

TIPPS für den Umgang mit Eltern von chronisch kranken/behinderten Kindern:

  • Bitte denken Sie daran, nicht wir sind die Patienten, sondern unser Kind.Wir möchten deshalb nicht mit behandelt werden, sondern auf Augenhöhe in Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden. Ein Kind hat meist Mutter UND Vater – bitte sprechen Sie nicht nur zu einem von uns.
  • Wir sind auch keine Krankenpfleger/innen, bitte verstehen Sie wenn wir beim Blutabnehmen oder anderen kleinen Eingriffen nicht assistieren möchten. Unser Kind soll uns ausschließlich als Eltern sehen, wir sind keine Kotherapeuten auch wenn wir viele Übungen mit unseren Lieblingen machen müssen und uns medizinisches Wissen angeeignet haben.
  • Lernen Sie unser Kind und uns bitte zuerst kennen. Fällen sie auch – wenn Sie schon Jahrzehnte Erfahrung haben – nicht nach ein oder zwei kurzen Begegnungen ein Urteil oder eine feste Zukunftsprognose. Bitte seien auch Sie offen für Alternativvorschläge oder ungewöhnliche Entwicklungen.
  • Bitte versuchen Sie sich immer wieder in unsere Lage zu versetzen. Vermeiden Sie alles was ihnen selbst als Vater& Mutter unangenehm wäre. Das heißt nicht, dass sie schwierige Themen ausklammern sollen – nur möglichst transparent darstellen.
  • Ein Kind ist ein Kind, kein Fall oder defektes Objekt, das gerichtet werden muss. Fragen Sie bei heiklen Themen, ob es gewünscht ist, das ohne die Anwesenheit des kleinen Patienten zu besprechen. Eine Auflistung von Defiziten, hilft niemanden, es tut nur furchtbar weh.
  • Nehmen Sie uns bitte nicht den letzten Funken Hoffnung, auch wenn Sie viele negative Fälle erlebt haben. Es gibt nicht immer nur ein Für sondern auch ein Wider. Jede noch so wahrscheinliche (schlechte) Prognose MUSS NICHT so eintreffen.
  • Wir wissen, dass ihr Beruf kein leichter ist und niemand wird ihre Kompetenz in Frage stellen, nur weil Sie zugeben auch einmal unsicher zu sein. Bitte sprechen Sie sich mit ihren Kollegen/innen ab, gegensätzliche Meinungen irritieren unnötig – oder legen Sie uns die beide Standpunkte nahe, damit wir besser verstehen und entscheiden können. Es zeugt zudem von menschlicher Größe, wenn man auch als Profi offen darüber spricht unsicher zu sein oder zu zugeben, dass man sich geirrt hat. (Wir sind nicht versessen auf einen Rechtsstreit, wir haben genug andere Probleme im Alltag)
  • Akzeptieren Sie bitte, wenn wir einen anderen Standpunkt als Sie vertreten. Wir mögen manchmal verunsichert sein, kennen letztlich unser Kind doch am Besten. Fangen Sie nicht immer wieder mit einen Thema an, das wir mehrfach eindeutig verneint haben. Das kostet uns unnötige Kraft und Nerven.
  • Unser Bauchgefühl und Intuition wollen wir nicht übergehen. Wir müssen ein Leben lang mit den Entscheidungen leben, die wir für unser Kind fällen.
  • Wenn wir schwach, labil oder irritiert wirken, versuchen Sie uns mit Hilfe-oder Beratungsstellen zu vernetzen. Unterschätzen Sie uns nicht, nicht nur unsere Kinder auch wir können unglaubliche Kräfte mobilisieren. Aber Unterstützung oder Kontakt zu anderen betroffenen Familien können uns sehr nützlich sein, um mit unserem Schicksal oder unseren Ängsten klar zu kommen. Vertrauen Sie uns, wir möchten zusammen mit Ihnen unserem Kind helfen!

Da diese Tipps im Umgang mit Eltern von chronisch kranken Kindern wie Vorschriften  verstanden werden können, möchte ich darauf hinweisen, dass das nur Vorschläge sind. Sie beruhen auf meiner subjektiven Sicht, die ich aber ihm Austausch mit vielen betroffenen Eltern entworfen habe.

Für alle, die sie noch nicht kennen –  hier ein Link zur Charta für Kinder im Krankenhaus: http://www.akik.de/index.php/fuer-eltern-74572/each-charta

(Für Rückmeldungen bin ich offen, bitte dafür das Kommentarfeld nutzen)