Alles anders – Konstant ist nur die Veränderung.

„Pflegende Mutter und Bloggerin“ so wurde ich vorgestellt bei der Podiumssiskussion zum Thema „Pflege und Beruf – Lehren aus der Corona-Pandemie“ vom BMFSF und dem unabhängigen Pflegebeirat. Dabei schreibe nur noch selten längere Blogbeiträge, doch wer mir auf Instagram folgt sieht weshalb: 

Denn ich bin inzwischen vom Texte produzieren mehr zum direkten Handeln übergegangen. Seit der Demo im Herbst 2019, bei der sich mein junger Verein und die neugegründete Selbsthilfegruppe „Teilhabe jetzt! “ für mehr Rechte von Menschen mit Behinderungen und die Sichtbarkeit von pflegenden Angehörigen eingesetzt hat, will ich mehr nach Außen gehen. Es geht mir darum nicht nur zu beschreiben was schief läuft, sondern versuchen gezielt Veränderungen zu erwirken! Nonverbalen Menschen, wie unserem Sohn, die selbst nicht lautstark öffentlich verständlich für ihre Bedürfnisse eintreten können eine Stimme geben. Und „meinen“ pflegenden Familien der SHG und mir selbst dabei helfen aus dieser verdammten Opferrolle rauszukommen. Denn da landen wird immer wieder dank Lobeshymnen während parallel systematische Diskriminierung Alltag ist. Immer an meiner Seite meine aktiven Inkluencerverbündeten und vor allem Tina, die mir nicht nur bei Hölder e. V. sondern auch privat zu einer großen Stütze, Motivatorin und Freundin geworden ist. Seit kurzen bringen wir uns auch als Duo bei wir pflegen e. V. für die Belange pflegender Eltern ein. ) Und dieser Zusammenhalt ist wichtig er denn je.

Denn die Pandemie hat die Missstände in vielen Bereichen verstärkt und mehrere Aktionstage und Demonstrationen im Reallife verhindert. Gleichzeitig hat die digitale Vernetzung zugenommen und online Veranstaltung ermöglicht, zu denen ich als pflegende Mutter in echt nur schwer hätte aufbrechen können. 

Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf war zeitweise in der Corona Krise im Lockdown für einige sogar einen Tick besser –  durch digitale Angebote wie Sprechstunden per Videocall und neue Arbeitsformen, wie Homeoffice oder mobiles Arbeiten. Denn da geht etwas Pflegetätigkeit nebenbei: Sondieren, Inhalieren, Windeln wechseln, wenn mal wieder im Plan keiner steht und das Recht auf Teilhabe mit der Lücke im Pflegeplan mit erlischt. Mehr Verständnis und Entgegenkommen ist jedoch kaum gegeben und endet vielerorts mit der Risikostufe zusammen. Andere Eltern vor allem Mütter haben ihre bezahlte Arbeit in der Pandemie aufgegeben oder wurden gegangen. Sobald man länger oder öfter ausfällt wankt der Job. Die häusliche Pflege ist unkündbar. Da hilft kein Klatschen oder Schulterklopfen. 

Auch Aktivismus ist nur bedingt zu realisieren als pflegende Mutter. Und ich bin stolz, dass ich es geschafft habe an der Videoaktion zum Lied „Pflege“ von Nadine Maria Schmitt und dem Podcast nebendir zu pflegenden Angehörigen und einer Radiosendung in der Reihe Mutmacher mitzuwirken. Ich konnte diesen Sommer eine weitere wichtige Petition zur Umsetzung der UN-BRK mit auf den Weg bringen und Gespräche zur Bundestagswahl mit Kandiat*innen organisieren und an einer weiteren Podiumsdiskussion zum Schwerpunkt Inklusion von meinem Freund und „Bruder im Geiste“ Antonio Florio unsere Standpunkte deutlich machen. 

Andere Hobbys sind daneben mir nur schwer möglich aktuel, mangels Zeit und Energie. Es war auch viel. Das liegt auch an meiner Torschlusspanik, die leide nicht von ungefähr kommt. 

Denn bald so befürchte ich muss ich mich mehr zurückziehen. Meine Kraftreserven sind nicht nur durch die fehlende Entlastung und Sorge um unseren Sohn – verschärft durch die Coronajahre – weiter ausgeblutet.

Es ist überhaupt seine gesundheitliche Situation, die nun nun lange stabil war für seine Verhältnisse. Neben seiner mehrfachen Behinderung durch den Sauerstoffmangel (vermutlich ausgelöst von einem Plazentadefekt) ist er leider auch chronisch Nieren krank. Diese Organschädigung stand ja in seiner Neugeborenen- und Kleinkindzeit stark im Vordergrund, während das Ausmaß seiner Behinderung uns erst Stück für Stück bewusst wurde. Als er eineinhalb Jahren alt war, arbeitete die eine verbleibende Niere gerade wieder gut genug, um ohne Dialyse klarzukommen. Nun ist es im letzten Jahr parallel zur Hüftoperation zum Einbruch der Werte gekommen. Noch geht es ohne die Bauchfelldialyse – aber die Nephrolog*innen wollen nun auch nicht mehr warten bis es kein zurück mehr gibt. Sondern sie möchten frühzeitig – also noch dieses Jahr – wieder mit der Heimdialyse beginnen. Noch sieht und merkt man in es Gott sei Dank nicht an. Er hat keine schlimmen Wassereinlagerungen und scheidet auch noch Harnstoff aus. 

Trotzdem eine Hiobsbotschaft für uns.

Nach über fünf Jahren ohne dieses Gerät, dem damit verbundenen Risiko für Bauchfellentzündungen, generell das nicht Funktionieren der Ersatztherapie und langfristig eben auch die nötige Organtransplantation. Wieder eine kleine Intensivstation zu Hause. 

Da wird Vieles und wir selbst wieder hinten anstehen müssen. Angst kommt hinzu. Vor allem dem was schief laufen kann. Und die kleine Schwester bekommt inzwischen alles voll mit und kann schwer ihre Bedürfnisse hinten anstellen – was wir auch nicht wollen. Doch es wird wohl zwangsläufig dazu kommen müssen. Wieder mehr Kliniktermine, jeden Tag Verbandswechsel, der Test auf Leukozyten… die Listung zur Organspende zieht ebenfalls einen Rattenschwanz nach sich. 

Deswegen haben wir auch unseren Mut zusammen genommen und sind diesen Sommer in den Urlaub gefahren. Ans Meer was sich unsere Tochter so sehr gewünscht hat. Wir alle haben es genossen auch wenn es mit den beiden nicht gerade erholsam war in der hübschen kleinen Ferienwohnung ohne Pflegedienst dafür mit Strand um die Ecke. Die Schwiegereltern sind auch mit von der Partie gewesen und halfen mit die kleine Wilde zu beschäftigen. Es war so schön, das blaue Wasser, die schroffe Küste und lila Heide. Mit Rehabuggy über Gelände, entlang von Stadtmauern und hoch auf eine Festung. 

Wir erinnerten uns an den letzten Urlaub in dieser Ecke. Damals noch im alten Leben, den Räubersohn noch sicher und fidel in meinem Bauch. Das hat mich schon aufgewühlt. Wir könnten uns so an Urlaube gewöhnen, Familiennormalität. Die kleine  Piratenprinzessin plant schon die nächsten Reisen – dein Wort in Gottes Ohr kleine Miss. 

Kaum zurück aus dem Urlaub, bekam ich wieder den Boden unter den Füßen weggezogen. Zu all der Unsicherheit und den knapp besetzen Pflegedienst wurde meine Anstellung nach zwei Jahren nicht mehr verlängert. Jetzt ich muss mich nun noch neu bewerben und arbeitslos melden. Die Arbeit – meine Auszeit, zum Kopf frei bekommen, produktiv sein und Ergebnisse sehen…wieder dahin. Es ist frustrierend. 

Dazu kommen meine Myalgien zurück. Immer wieder kann ich kaum den Kopf heben oder drehen. Rückenschmerzen, Schlafprobleme, Ängste. Keine Kontinuität. Keine Sicherheit. Wertschätzung? Fehlanzeige! Immer wieder Ärger, Kämpfen, sich erklären, Bangen.. Ich habe das alles so satt

Es sitzt mir einfach im Nacken und lastet auf meinem nun fast vierzigjährigen Schultern. Sieben Jahre Pflege, ein Kind das viel Nähe braucht und Versorgung wie ein Säugling mit mit über einem Meter Körpergröße und 20kg Gewicht.

 Alles auf einmal – wieder – natürlich. Veränderung als einzige Konstate und Rolle rückwärts oben drauf.

Deshalb wird es eher ruhig bleiben hier. Ich hoffe weiterhin aktiv sein zu können, wenn auch in geringerem Umfang. Vielleicht berappele ich mich und es kommt ein neuer Job bei dem endlich ich ankommen kann und geschätzt werde. Vielleicht klappt es gut mit der Dialyse und wir gewöhnen uns an die nun wieder neuen Abläufe. …Doch die Erinnerungen an Dauergepiepse und Geschrei nachts die belasten und verhallen nicht so schnell. 

Ich versuche zuversichtlich zu sein. 

Manchmal gelingt es mir. 

Und die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf? Wenn sie mir begegnen sollte, dann lasse ich es euch wissen. 

Ihr Kinderlein kommet – besser nicht. Pläne – Sorgen-Wünsche.

Wieder einmal eine längere Pause, in der ich wenig von mir hören ließ. Bei uns ist viel passiert seit dem Herbst. Ich habe mehrmals hin und her überlegt von was ich berichten soll. (Ein paar meiner Gedanken fanden bereits den Weg in die Winterausgabe des Momo-Magazins). Und nun schreibe ich einfach ein Potpourri von all dem was mir durch den Kopf geht – und doch hat fast alles mit unseren lieben Kleinen zu tun.

Anfangen habe ich diesen Beitrag Anfang Dezember, genauer gesagt on der Nacht auf den vierten Dezember- auch als St. Barbara Tag bekannt. Als Kind liebte ich diesen Brauch, zu Ehren der katholischen Heiligen, Kirschzweige ins Wasser zu stellen, die dann bis Weihnachten zu blühen begann. Am Vortag, dem dritten Dezember, ist der Tag der Menschen mit Behinderung. Und ich frage mich, warum wir eigentlich einen Gedenktag für Lebende brauchen? Für Menschen wie dich und mich – nur mit der Eigenschaft einer, wie auch immer, gearteten Beeinträchtigung? Manche von uns pflegenden Angehörigen können die Floskel „Ich bin nicht behindert, ich werde behindert“ nicht leiden – ich kann das aber gut nachvollziehen. Schließlich fühle ich mich als Mutter eines schwer mehrfach behinderten Räubersohns, der dazu noch unheilbar nierenkrank ist, immer wieder massiv in meinem Leben eingeschränkt, oft regelrecht co-behindert.

Von langer Hand geplant wollte ich am 3. Dezember eigentlich mit meiner Freundin Popcorn im Kino essen und dabei den Dokumentarfilm 》MENSCHENSEIN – Was sind wir für einander?《 anschauen.

Statt dessen sitzen der Räubersohn und ich in der Kinderklinik. Meine Freundin durfte gleich zweimal stationär mit ihrem Großen, der wieder mehr Anfälle hat, seit einem Infekt. Sie verpasste unsere von kreative Mama-Auszeit, die wir auch schon vor Monaten ausgemacht hatten, ebenfalls. Und das erzähle ich nicht, um Mitleid zu erregen. Nein, jeder und jedem kann Unvorhersehbares passieren. Gerade mit kleinen Kindern kommt doch so oft etwas zwischen unsere Pläne und dem, was tatsächlich geschieht. Wie oft setzen, diverse Viren und Kinderkrankheiten, die oft gar nicht so ohne sind, reihum die ganze Familie schachmatt.

Auch bei uns ging es, nach dem „Geburtstagsmonat“ Oktober, los mit Grippe bei mir, dann der zweiten Bronchitis dieses Jahr beim Junior, anschließend Hand-Mund-Fuß bei der kleinen Miss, dann heftige Erkältungen und hartnäckiger Husten bei den Großeltern und dem MaPa und nun schließlich wieder Bronchitis bei unserem Räubersohn. Ein nicht wirklich lustiges Karussell… Denn dieses Mal war sie heftiger als in den Herbstferien. Seine Sättigung war nicht gut, er rang heftig um Luft und auch seine Ausscheidung funktionierte tagsüber nicht richtig. Deshalb gingen wir auf Nummer sicher und ließen uns noch nachts per Krankentransport in die Klinik bringen. Da er im Krankenhaus dann wieder anfing mehr zu Urin zu lassen und der Harnstoffwert etwas fiel, gab es erst mal Entwarnung. Auch das Kortison, das er nun sogar zusätzlich zum Inhalieren und Saft, venös bekam schlug gut an, vorerst zumindest. Wir waren nur wenige Tage in der Kinderklinik und ich bin dankbar, dass wir derzeit kein Dauergast auf Station sind.

Das ist nicht Selbstverständliches mit einem pflegebedürftigen Kind. Wie viele Mütter und auch einige Väter kenne ich, die immer wieder viele Wochen bis sogar Monate mit ihrem Liebling nicht zu Hause sind. Neben dem Bangen um die Gesundheit ihres Kindes, leiden sie oft auch unter der meist noch größeren Fremdbestimmung und fehlenden Privatsphäre im Krankenhaus. Und natürlich auch darunter von der restlichen Familie getrennt zu sein.

Es ist nahezu unmöglich mit einem Kind, das immer wieder schwere Infekte, aufwendige Op’s und ähnliches hat und dabei Begleitung benötigt, berufstätig zu sein. Gerade Das tut mir zur Zeit so gut. Ich habe, nach dem mein erstes befristetes Projekt nun ausläuft parallel dazu eine neue Stelle auf Honorarbasis angenommen, die sogar zu einer festen Teilzeitstelle werden soll. Dass ich einer bezahlten Arbeit nachgehe, erhöht unseren Stresslevel zu Hause und wir brauchen Hilfe – wie so oft von unseren Eltern. Zum Beispiel um den Pflegedienst des kleinen Räubersohns abzulösen bzw. zu vertreten oder die daueraktive Piratenprinzessin zur Kita zu bringen, dort abzuholen und nachmittags zu bespaßen. Auch als ich jetzt, Hals über Kopf, mit unserem Räubersohn abends in die spezialisierte Kinderklinik aufbrach, waren die Großeltern zur Stelle. Die Kleine blieb bei meinen Schwiegereltern über Nacht. Das stellte kein Problem dar, da sie sowieso gerne und regelmäßig bei ihnen ist.

Mit einem Geschwisterkind ist das machbar. Zwei wären für uns im Alltag neben den besonderen Bedürfnissen des großen, kleinen Königs wohl kaum zu bewältigen. Und in solchen Situationen würde es den Omas und Opas sicher zu viel abverlangen, die auch alle inzwischen um die siebzig sind.

So klar die Lage ist, so schade finde ich es trotz allem. Wie gut wäre es für unsere kleine Tochter, wenn sie noch jemanden zum spielen und kabbeln hätte, der ihr mehr Rückmeldung geben könnte. Auch ein Bruder oder eine Schwester, die uns helfen könnten, wenn wir älter werden und uns nicht mehr um den Räubersohn kümmern können oder selbst Unterstützung benötigen. All das lastet auf ihr. (Im Momo-Magazin schrieb ich in der Ausgabe 2019.09 darüber). Da wir beide Einzelkinder er sind, weiß ich welche Verantwortung da auf sie zu kommt.Auch wenn ihr Bruder wieder an die Dialyse muss oder sich seine Krankheiten verschlimmern und er vielleicht keine große Lebenserwartung hat – wer wird sie stützen, wenn es bergab geht? Es wäre schön zu wissen, dass sie nicht alleine da steht – egal was kommen wird.

Trotzdem viele Familien mit schwer kranken und behinderten Kindern entscheiden sich gegen ein weitetes Kind oder können sich höchstens ein Geschwisterchen vorstellen. Und ich verstehe es und ich selbst bin vom Kopf völlig d’acord

Special-needs-Eltern haben soviel gesehen und erlebt. Auch was alles passieren und schief gehen kann – von der Schwangerschaft bis ins Jugendalter – und es ist schwierig das beiseite zu schieben. Auch ich, die ich mich eigentlich über jedes zukünftige Baby im Freundeskreis freue, sorge mich. Ich sehe jede Schwangerschaft als bedrohlich an und bin jedes mal unglaublich erleichtert, wenn die Kleinen wohlbehalten gelandet sind.

Die Diskussion um die Kosten-erstattung pränataler Tests auf mögliche Beeinträchtigungen bzw. Gendefekte habe ich mit gespaltener Seele verfolgt. Fast alle werdenden Eltern, die ich kenne, haben sich für diesen Test entschieden. Doch was bringt es zu erfahren, ob vielleicht eine Trisomie vorliegt? Zumal die wenigsten Ärzte*innen, sie über die möglichen Ergebnisse eingehend aufklären und – wie es mir erscheint – sich auch größtenteils nicht wirklich gut auskennen mit den selten Formen T13 oder T18 sowie der Tatsache, dass es auch Mosaikformen davon gibt. Wem hilft ein solcher Test denn? Ist er unauffällig wiegt man sich in Sicherheit – die aber trügerisch sein kann Schließlich wird nur ein Bruchteil möglicher Erkrankungen und Behinderungen erfasst – zumal viele erst mit der Geburt oder danach entstehen. Und was, wenn der Test auffällig ist? Ohne den kleinen Menschen und Ausprägungsgrad seiner Beeinträchtigungen zu kennen, müssen die werdenden Mütter und Väter sich dann erscheinen, ob sie dieses Kind zur Welt kommen lassen oder einen Abbruch vornehmen.

– Dabei sind teilweise bereits auch Operationen im Mutterleib möglich! Beispielsweise bei manchen bestimmten Herzfehlern, wie es sie bei Trisomie21 häufig gibt, oder andere Eingriffe wie die Op eines offenen Rückens oder das Auffüllen von Fruchtwasser. Der Bundesverband für vorgeburtliche Erkrankungen e. V.berät dazu betroffene Familien. –

Auch das ist in Frauenarztpraxen nicht unbedingt bekannt. Ich verstehe aber auch Familien, die sich ein schwer behindertes Kind nicht zutrauen. Wie soll man sich auch ein Bild machen von dem Leben mit einem pflegebedürftigen Nachwuchs, wenn es doch in der Regel so wenig Kontakte von Menschen ohne Behinderung mit Menschen mit Behinderung und umgekehrt gibt. Wer hingegen schwer Behinderte oder Schwerkranke persönlich kennt, weiß auch um die Einschränkungen und nie endenden Kämpfe, die ein Leben als Angehöriger eines solchen erwarten. Es ist vertrakt.

Ein weiteres Kind mit Behinderung kann ich mir eigentlich auch nicht verkraften in unserem Leben. Ich wüsste nicht wie ich das bewältigen sollte. Gleichzeitig kann ich mir auch fast nicht vorstellen mich gegen ein Kind zu entscheiden. Doch zu dieser Frage sollte es nicht mehr kommen.

Auch bei uns ist kein weiteres Kind geplant. Ich packe alle die herzigen kleinen Babysachen zum Weitergeben in Kisten und Kartons.

Wir sind auch so unglaublich ausgelastet – wenn nicht sogar überlastet – und das in vielerlei Hinsicht. Momentan bin ich sehr froh endlich mal wieder zu Hause raus zu kommen, etwas anderes zu sehen uns zu hören. (Wobei mir auch hier bei den Bewerbungscoaching, die ich zurzeit gebe, immer wieder Young Carerers und junge Menschen mit Beeinträchtigungen begegne).

Einer bezahlten Berufstätigkeit nachzugehen, die meinen Fähigkeiten und meinem Studium zu mindest teilweise entspricht, ist das, was ich mir schon lange gewünscht habe. Ich wusste nur nicht wie ich das auch noch schaffen sollte.

Doch schließlich gibt mir genau diese Auszeit vom Mama- und Pflegealltag auch wieder Kraft. Zumal es mir auch regelmäßig Kopfzerbrechen bereitet, wenn ich an meine bisher spärliche Rentenbescheide denke und daran wie wir dauerhaft mit nur einem Einkommen zu viert hätten klar kommen sollen… „Ihr Kinderlein kommet“, singe ich mit der kleinen Miss und freue mich für meine schwangeren Freundinnen gerade zu Weihnachten – wo sich doch alles um Liebe uns Geburt dreht, wenn man es biblisch betrachtet und nicht nur die vielen Black Fridays davor als Feiertage ansieht.

Ko bin ich auch dieses Jahr und die vielen Aufgaben, Gefechte und so manche Zunftsorgen, lasten weiterhin auf meinen Schultern und bereiten mir nicht selten Unbehagen sowie schlaflose Stunden. Aber trotz allem bin ich endlich auch wieder etwas glücklicher seit langen. Und vorallem dankbar dafür, dass wir vier uns haben, für die Unterstützung durch unsere Familie, Freunde, die zu uns stehen und, dass der MaPa und ich uns weiter aushalten und in wichtigen Dingen zusammen halten. Das ist eigentlich mein größtes Geschenk.

P. S. Wenn ich mich noch nach etwas Kleinem sehne, gibt es langfristig höchstens ein Baby mir Pelz – einen Therapienhund. Aber erstmal müssen wir mindestens eines unserer kleinen Raubtierkinder „stubenrein“ bekommen. Unser nächstes Ziel. Kann man das auch so nennen, wenn man bei deinem Vorstellungsgespräch nach seinen Kurzzeitplänen gefragt wird?

Wenn pflegende Angehörige rebellieren.

Am Samstag 05.10.2019 fand unsere KREATIVE PROTESTAKTION mit Stellvertreter Demo in Heilbronn auf dem Kiliansplatz statt – hier für euch die Rede, die ich als erste Vorsitzende der „Hölder-Initiative für Kultur und Inklusion e. V. “ dort gehalten habe:
>>Unendliche Kämpfe, Fremdbestimmung und Pflege bis zum Umfallen:
Wir lassen es nicht mehr zu!
Willkommen – was Sie sehen all die Schuhe und Hilfsmittel – ist kein Flohmarkt, sondern Teil unserer kreativen Protestaktion pflegender Angehöriger und von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung.
Wir sind pflegende Angehörige aus Heilbronn und Umgebung und bekommen Unterstützung von den Vereinen „Hölder – Initiative für Kultur und Inklusion e.V.“ aus Lauffen am Neckar, „Solidaria e.V.“ und ihrem Projekt „Löwenkids für Geschwisterkinder“, sowie der neuen Selbsthilfegruppe „TEILHABE JETZT!“ Für pflegende Angehörige und Menschen mit chronischer Erkrankung und Behinderung. Angeregt wurde unsere Aktion von der Onlinebewegung „Die Pflegerebellen“ die mehr und mehr auch im realen Leben auf die Missstände in der Angehörigenpflege aufmerksam macht und auf derer Mitglieder zunehmend auf die Straße gehen.
Ich pflege seit 5 Jahren meinen schwerbehinderten und chronisch nierenkranken Sohn. Da auch meine Oma seit einigen Jahren pflegebedürftig ist, weiß ich was es bedeutet kranke Familienmitglieder aufopferungsvoll zu Hause zu versorgen. Diese Carearbeit ist ein Kraft zehrender Fulltimejob – nicht zuletzt wegen der nicht endenden Kämpfe um Rechte wie Teilhabe, Therapien und Selbstbestimmung. Selbst grundlegende Dinge wie Hilfsmittel und sogar Nahrung müssen oft erstritten werfen nicht selten sogar vor Gericht – unserem chronisch kranken Sohn wird bsw. vom Land BW nicht einmal seine Sondennahrung vollständig erstattet, die er über seine Magensonde erhält.
Wir pflegenden Mütter, Väter, Töchter und Söhne, Ehefrauen und -männer, Enkel, Lebensgefährt*innen und andere pflegende Angehörige und hauptberuflich Pflegenden- müssen endlich gehört werden.
Die im Sommer 2019 neu erlassenen Pflegegesetze müssten eigentlich PflegeSCHWÄCHUNGsgesetze heißen: Das RISG – das „Reha- und Intensivpflege-stärkungsgesetz“ -bedeutet eine Entmündigung der schwer kranken, pflegebedürftigen Menschen über 18 Jahren, die Beatmung benötigen und anderem Intensivpflegebedarf haben nun auf die Order des Gesundheitsministers in Heime abgeschoben werden sollen, um Kosten für ambulante Pflegedienste zu sparen. Dabei gibt es bereits jetzt zu wenig Heimplätze, die auf hohe Pflegegrade und ins Besondere junge Menschen ausgelegt sind. Ein absoluter „SPAHNsinn“, der jeglichen Realitätsbezug vermissen lässt und Achtung der Menschenwürde, sowie dem Recht auf Selbstbestimmung und Teilhabe entbehrt. Auch bei dem sogenannten „Angehörigenentslastungsgesetz„, geht um die Pflegebedürftigen, die in Seniorenheimen und anderen betreuten Einrichtungen leben. Es übergeht den größten Pflegedienst Deutschlands – das sind WIR! – Die pflegenden Angehörigen, die sich zu Hause um ihre Lieben kümmern!
Förderung der Berufspflege ist sehr wichtig – aber wir pflegenden Angehörigen tragen sehr viel Last – in den meisten Fällen die Hauptlast und immer viel Verantwortung.
Rund 400.000 Pflegebedürftige gibt es laut der Pflegestatistik 2017 des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg in Baden-Württemberg – rund 300.000 von ihnen werden zu Hause gepflegt! Nur knapp etwas mehr als die Hälfte bekommt dabei noch stundenweise Unterstützung eines Pflegedienstes – für uns passiert zu wenig. Auch im neuen Pflegestärkungsgesetzen ist der einzige Punkt, der sich auf uns pflegende Angehörige bezieht der, dass wir leichter eine Reha bekommen sollen. Die Grundbedingungen werden davon aber nicht berührt. Und das Recht, dass man seinen Pflegenden mit zur Reha nehmen kann, sehe ich als kontraproduktiv an. Das pausenlose Kümmern ist ja unsere „Arbeit“! Wie soll man sich da erholen und neue Kraft tanken, wenn man nebenbei weiter pflegt??
Wir! pflegenden Angehörigen und was wir brauchen bleiben fast immer außen vor. Wir leisten so viel und „Sonntags pflegen wir auch noch“ – deshalb rufen wir: „Wir lassen es nicht mehr zu!“ Wir haben uns online zusammen geschlossen zu „Die Pflegerebellen“ und wir fordern, dass es endlich ein Fürsorgegehalt, gibt ähnlich dem Elterngeld. Und ich verstehe auch nicht, warum unsere Arbeit als pflegende Angehörige so wenig wert ist. Für einen Pflegedienst stehen 1995€ im Monat zur Verfügung, wir erhalten beim höchsten Pflegegrad V gerade 901€!
Finden wir tatsächlich Unterstützung, sind die 125€ Entlastungsleistungen im Schnitt bereits nach 1,5h Stunden im Monat aufgebraucht. Dann wird das Pflegegeld gekürzt und die Rentenpunkte – was soll das für eine Entlastung sein? Selbst, wenn man sich nur stundenweise Hilfe für die Betreuung oder die Grundpflege holt, fällt man sofort in die Kombinationspflege – obwohl wir noch immer den Hauptteil alleine stemmen.
Die neue Pflegezeit ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein- es gut gemeint aber was nützen 10 Tage, zudem unbezahlte, wenn man sich dauerhaft um ein schwer krankes oder behindertes Familienmitglied kümmert? Genauso das Pflegedarlehen – wie soll man das ohne Einkommen abzahlen? In anderen Ländern wie Finnland und Schweden gibt es ein Assistenzgehalt für pflegende Angehörige! Es ist machbar! Die Krankenkassen erwirtschaften Überschüsse im Milliardenbereich! Pflegebedürftige, alte und kranke Menschen sind häufig multimorbid – das heißt sie leiden an vielen schweren ja Erkrankungen – dafür müssen die Krankenkassen aufkommen! Die Anteile von Pflege- und Krankenkassen müssen neu verteilt werden. Nicht nur der Klimawandel sollte uns in Angst und Schrecken versetzten auch der Pflegenotstand und die sich abzeichnende soziale Krise!
Durch den demographischen Wandel steuern wir auf eine noch nie da gewesenen Versorgungsmissstand zu! Bereits heute fehlen je nach Hochrechnung zwischen 30.000 und 50.000 Pflegekräfte in Deutschland – diese Zahlen werden sich in den nächsten 16 Jahren laut Hochrechnungen bis zu verzehnfachen. Für diese Situation es keine ausreichenden Heimplätzte oder Pflegefachkräfte! Es wird von uns PFLEGENDEN ANGEHÖRIGEN gestemmt werden müssen. Die Politik und Krankenkassen müssen JETZT handeln!
Auch bisherige Unterstützungsangebote greifen zu wenig! Die Kurzzeitpflege bei hohen Pfleggraden reicht nur für einen kurzer Urlaub von 10-15 Tagen! Das Jahr hat aber 365 Tage und wir pflegenden Angehörigen verbrennen!
Machen Sie sich selbst ein Bild: Wir haben 36!!! Erfahrungsberichten pflegender Angehöriger und von Menschen mit Behinderung und chronisch Kranken sowie hauptberuflich pflegender Fachkräfte zu gesandt bekommen – die Schuhe und Hilfsmittel sind Stellvertreter für all die, die durch ihre Pflegearbeit heute nicht hier sein können.
Unsere Demonstration in Heilbronn wurde angeregt von der freien Interessengemeinschaft die PFLEGEREBELLEN, die sich in den Social Media dieses Frühjahr gebildet hat. Es gab bereits Proteste in Berlin, Hamburg, Dülmen und Köln. Heute sind wir in Heilbronn!
Die Klopapierrolle ist das Symbol der Bewegung der Pflegerebellen, denn die Situation ist untragbar!!! WIR brauchen mehr unbürokratische Entlastung und Unterstützung für uns pflegende Eltern und andere pflegende Angehörige, ein würdiges Fürsorgegehalt, mehr Selbstbestimmung und bessere Versorgung sowie unbürokratische Unterstützung zur Gewährung von Teilhabe – auf die es die laut UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION ein Anrecht gibt – für Menschen mit Behinderung und chronisch Kranke !
WIR LASSEN ES NICHT MEHR ZU! BEGEHRT MIT UNS AUF!
Kommt deswegen am Freitag 18. Oktober 2019 nach Lauffen am Neckar zur Lesung von Arnold Schnittger dem Autor und Gründer der Pflegerebellen, der mit seinem schwerbehinderten Sohn Nico durch ganz Deutschland eine Protestwanderung unternommen hat: Er ließt ab 19Uhr im Café Lichtburg (Stuttgarter Straße 4, 74348 Lauffen a.N. ) seinem Buch: „Ich berühr den Himmel. Mit dem Rollstuhl durch Deutschland.“
Außerdem hat die Hölder-Initiative für Kultur und Inklusion eine SHG gegründet 》Teilhabe jetzt! Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige und Menschen mit Behinderung《 (und chronischer Erkrankung) – jeden Alters aus Heilbronn und Umgebung – Kontakt:
Hoelder.Initiative@gmail.com
Danke, allen, die heute gekommen sind: Den Ehrenamtlichen der Hölder-Initiative e.V., Solidaria e.V. – außerdem sind Vertreterinnen von Sirius e.V., der Familienherberge Lebensweg und FOXG1 Deutschland e.V. anwesend. Danke euch allen, euch Helfern und Helferinnen, unseren Familien und Männern, die sich zu Hause um unsere pflegebedürftigen Kinder kümmern, weil es leider zu schlechtes Wetter ist, um sie heute dabei zu haben.
Ich möchte schließen mit den Worten von Turid Müller der Chansoniere und Kabarettistin:

WÜRDE IST KEIN KONJUNKTIV WÜRDE SCHREIBT MAN GROSS!

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Kleine Freiheiten. Ausbrüche, Aufbrüche neue Herausforderungen.

Gestern habe ich meinen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben. Eine Dozentenstelle auf Honorarbasis für einen pädagogischen Job, der meinem Studienabschluss entspricht. Das Projekt ist leider befristet – aber immerhin ein Anfang. Ein Licht im Tunnel.

Endlich.

Endlich wieder unter Menschen kommen.

Meine letzte Arbeitstelle ist ja schon wieder ein gutes Stück her vor der Geburt der kleinen Miss. Sich mit anderen Dingen beschäftigen wie Arztterminen, Hilfsmitteln und Anträgen. Endlich nicht mehr zu Hause umgeben vom Sisyphos Aufgaben in Haushalt, der Schreibkram für Ämter und Krankenkassen und den üblichen Problemen mit Kindern in der „Autonomiephase“. Manchmal komme ich mir wirklich vor wie in einer dieser antiken Sagen. Wie in jener in der Herkules die riesigen Kuhställe des Zeus ausmisten muss und sofort wieder alles im Mist versinkt. Es ist so unbefriedigend dieses Schuften im Verborgenen ohne Honorar und mit wenig Anerkennung. Drinnen ohne Anschluss an die Außenwelt. Abgesehen von den Pflegerinnen, Therapeutinnen und Großeltern und ein paar Freundinnen, die mich in meinem trauten Heimkäfig besuchen. Zusammen eingesperrt mit meiner temperamentvollen Piratentochter, die inzwischen sogar Bücherregale erklimmt und immer eifersüchtiger auf den kleinen kuschelbedürftigen König wird. Denn raus zu kommen mit dem Junior ist weiterhin ein Organisations- und Kraftakt.

Eine wesentliche schöne Begegnung mit Kuhställen und anderen Tieren hatten wir gerade bei unserem gemeinsamen Familienurlaub in der fränkischen Schweiz. Auf dem Gottlhof bei Hollfeld hatte die kleine Miss gehörig Auslauf und viele pelzige und fedrige Gesellen zum Streicheln und etwas Jagen – mehr haben wir natürlich verhindert. Denn für einen Ausritt eignen sich weder Kaninchen noch Hühner. Aber sie durfte Eier suchen und auf dem großen Pferd Charly heim reiten, ganz ohne Sattel und das, mit ihren knapp zweieinhalb Jahren. Überhaupt war die Ferienwohnung von einem grünen Paradies umgeben, eine Insel der Ruhe in wunderschöner Natur. Ein Wasserrad plätschert an der Wiesent, Wildbienen summen um den lila Schmetterlingsflieder. Der kleine Räubersohn lauscht verzückt und genießt die vielfältigen Eindrücke zwischen Heugeruch, den Kontrasten unter den großen Blätterdach der Bäume und Kikerikii-Rufen.

Zum ersten Mal hatten wir von unserem neuen ambulanten Kinderintensivpflegedienst die Möglichkeit im Familienurlaub eine Schicht durch eine Kinderkrankenpflegerin abgedeckt zu bekommen. Unsere gute Seele, die uns vier begleitet hat, liebt den kleinen König und wir hatten bei kleinen Ausflügen Unterstützung dabei, weil sie sich um seine Medikamente und Hilfsmittel etc. gekümmert hat. An heißen Tagen oder wenn unser Liebling viele Anfälle oder Spastiken hatte, ließen wir ihn bei ihr für ein paar Stunden und unternahmen etwas nur mit der kleinen Miss. Denn ein Burg Besuch mit dem Tragling oder eine kühle, dunkle Höhle hätten wenig Verzückung bei unserem Spatz hervorgerufen.

Kaum vom Urlaub heimgekehrt war nicht nur mein Vorstellungsgespräch, sondern wir durften heute gleich nach Köln mit dem Räubersohn. Die kleine wurde nach der Kita vom Opa bespaßt. Gerade sind wir auf dem Rückweg von unserem Erstgespräch mit dem Team vom Queen Raina Center der Uniklinik. Sie haben zugestimmt, dass das Programm zu ihm passt. Das heißt, er darf in über einem Jahr dann am „Auf die Beine“ Intensivprogramm teilnehmen. Wahnsinn – diese Wartezeiten! Angemeldet haben wir ihn im Dezember 2018. Nun geht’s wirklich los im November 2020! Wir sind einmal gespannt. Und hoffen er bleibt stabil und dass weder Infekte noch Nierenprobleme dazwischen krätschen.

Der Herbst dieses Jahr hat auf jeden Fall auch so noch einiges für uns in Petto. Meine Eltern werden beide noch operiert z.T. mit Reha im Anschluss. Gottseidank keine großen riskanten Eingriffe. Hoffentlich geht alles gut. Die Sorge unserer Sandwich-Generation – dass man neben den Kids sich auch um die Eltern zu kümmern hat – wird nicht gerade geringer, dadurch, wenn man bzw. frau schon Pflegeerfahrung durch die Versorgung des chronisch kranken oder schwer behinderten Kindes hat. (Oder wie Außenstehende ohne Ahnung sagen „Sowie so schon daheim /Hausfrau ist“). Auch Einzelkind wie der MaPa und ich zu sein, ist da nicht wirklich beruhigend. Natürlich wollen wir für unsere Eltern da sein, aber defacto brauchen wir mit unserer Familienkonstellation und Pflegesituation eigentlich mehr ihre Unterstützung. Da kann einem schon flau im Magen werden. Immerhin wird unsere Kleine immer selbstständiger. Aber das Päckchen wollen wir ihr auch nicht einfach übergeben. (Darüber schreibe ich auch in meinem neuen BLICKPUNKTE-Beitrag im Momo-Magazin erscheint 09.2019).

Ich versuche zuversichtlich bleiben; noch läuft alles. Und nachdem ich mir endlich wieder therapeutische-medizinische Hilfe geholt habe, bin ich auch wieder mehr bei Kräften.

Das brauche ich auch, bei diesen Aussichten und Plänen. Denn neben Op’s, Job und üblichen Terminen des kleinen Königs steht im Oktober die Lesung mit Arnold Schnittger an, im Lauffener Café Lichtburg am Fr.18.10.2019 ab 19.00Uhr. Davor noch unser kreativer Pflegeprotest mit Stellvertreter-Demo auf dem Heilbronner Kiliansplatz am Sa., 05.10.2019 von 10.30-12.30Uhr (Mehr Infos unter http://www.hoelder-initiative.de oder Email: Hoelder.Initiative@gmail.com).

Weitere Termine zum Vormerken, Teilnehmen und gerne weitersagen:

Das Team U1K aus der Schweiz kommt auf ihrer Europatour am Do. 06.09.2019 mit ihren Vespas nach Kirchheim am Neckar zu den Weinterassen (ab 15.30 bis ca.18Uhr). Ihr Ziel ist es Spenden zu sammeln für die Erforschung des Gendefekts FOXG1, das der kleine Sohn einer der beiden Aktiven, sowie in unserer Region, Zwillinge einer Bekannten und der jährige Sohn einer guten Freundin von uns hat. Sie bewirtet bei dem Besuch in ihrem tollen Bohnita-Apemobil mit feinem Baristakaffee und leckerem Gebäck zu Gunsten des Fundraising von FOXG1 Deutschland e.V.

– Am Sa.,12.10.2019 lädt Solidaria e.V. zum zwei jährigen Jubiläum des gemeinnützigen Vereins und Einjahres-Feier der LebensRäume in der Wilhelmstr. 53 in Heilbronn. Es gibt den ganzen Tag ein tolles Programm für Familien mit Löwenkids (Geschwisterkinder) und Kindern mit Behinderung .

Die Pflegerebellen kommen: Wir lassen es nicht mehr zu!

Es rührt sich was, wenn tausende pflegende Angehörige rebellieren und aufbegehren!
Hört ihr es? Das Raunen und Zischen: Wir! Erst zögerlich und mit gerunzelter Stirn genuschelt. Dann ein lauteres Rufen mit den Armen in die Hüfte gestemmt und schon deutlich zu vernehmen: Wir !! Noch immer wird bewusst weggehört. Aber wir holen uns Megaphone und werden laut! Wir schreien auf und schreiben Plakate – online auf verschiedenen Socialmedia Kanälen starten die erste Aktionen mit eindeutigen Hashtags und Bildern.

Bald seht ihr uns auf der Straße, erste Demos haben bereits gestartet – wie heute am 13.07.2019 in Köln bei der „Pflege am Boden“ auf dem Domplatz bei der sich unter die ausgebildeten Krankenpfleger*innen, die den Pflegenotstand und die schlechte Arbeitsbedingungen anprangern, zunehmend auch pflegende Angehörige mit ihren Bannern mischen – zu Recht!

Denn wer pflegt die Großzahl der alten, schwer kranken und behinderten Menschen?

WIR !!! Die Mütter und Töchter, die Väter und Söhne, Brüder und Schwestern, die Ehefrauen und Ehemänner, die Lebenspartner*innen und andere Angehörige.
Es sind vor allem Frauen aber auch einige Männer, die ihre bezahlte Erwerbstätigkeit stark einschränken oder ganz aufgeben müssen, weil sie sich um ihre pflegebedürftigen Lieben kümmern.

Doch diese Carearbeit wird nicht honoriert. Es gibt nach wie vor keine Fürsorgegehalt – auch nicht für das Versorgen von komplett unselbstständigen Menschen, die rund um die Uhr medizinische Versorgung und Betreuung benötigen – höchstens Aufstockung nach Harz IV, ist der Lohn für diese kräftezehrende Aufgabe. Das Pflegegeld von 901 €/ Monat (bei dem höchsten PflegegradV) entspricht in keiner Weise dem Mindestlohn, wenn die reelle Arbeitszeit berücksichtigt wird. Und professionelle Pflegedienste – oder Heime würden über 1000€ mehr erhalten (1995 €/ Monat), obwohl sie damit niemals den gleichen Stundenumfang wie die pflegenden Angehörigen abdecken können.

Das ist entwürdigend und ungerecht! Wenn Wir! alt sind, droht uns zusätzlich noch Altersarmut, da wir so kaum Rente erhalten und auch nicht privat vorsorgen können. Wer kümmert sich um uns? Viele sind bereits in der Mitte des Lebens auch am Limit – auch existenziell.

Und wir reden hier nicht von einer kleinen Gruppe, sondern unzähligen privat Pflegenden, das belegen die Zahlen des Statistischen Bundesamts in ihrem letzten Pflegebericht (destatis 18.12.2018):

„Gut drei Viertel (76 % oder 2,59 Millionen) aller Pflegebedürftigen wurden zu Hause versorgt. Davon wurden 1,76 Millionen Pflegebedürftige in der Regel allein durch Angehörige gepflegt. Weitere 0,83 Millionen Pflegebedürftige lebten ebenfalls in Privathaushalten, sie wurden jedoch zusammen mit oder vollständig durch ambulante Pflegedienste versorgt. Knapp ein Viertel (24 % oder 0,82 Millionen Pflegebedürftige) wurde in Pflegeheimen vollstationär betreut.“

Wir! Pflegenden Angehörigen sind somit keine Mitglieder einer zu vernachlässigenden Randgruppe – sondern rund 2 Millionen! Trotzdem wird vor allem in den Diskussionen von und mit Fachkräften gesprochen, von Krankenpfleger*innen und Altenpfleger*innen. Wir!, die uns ebenfalls jeden Tag kümmern – unsere uns Anvertrauten waschen, ihnen Essen geben, ihre Sonden und Katheder versorgen, Windeln wechseln und Hilfsmittel anziehen, tagsüber chauffieren und telefonieren, nachts unzählige Male aufstehen – Wir! bleiben fast immer außen vor. Nur selten werden Wir! – geschweige denn die Pflegebedürftigen selbst – nach den Missständen gefragt, die uns alltäglich schwer belasten.

Dabei sind WIR !!! Deutschlands größter Pflegedienst – wie u.a. die Vorsitzende von „Wir! Stiftung pflegender Angehöriger“ Brigitte Bührlen nicht müde wird laut auszusprechen bei Fachtagungen, Konferenzen, gegenüber von Bundestagsabgeordneten und bei TV Talkshows und Tageszeitungen. Sie gibt uns eine Stimme, ihre Stiftung eine Lobby, trotzdem wird weggesehen. Wir! Sind in der politischen Debatte weitgehend unsichtbar!

Ähnlich wie bei Menschen mit Behinderung wird in der Regel ÜBER uns geredet aber fast NICHT MIT uns gesprochen!

Und dabei betrifft es uns auch direkt: Wir! sind in unserem Alltag „Co-behindert“!
Kämpfen immer wieder aufs Neue um die Versorgung unserer „Pfleglinge“ vom Pflegegrad, den Behindertenausweis über Hilfsmittel, Therapien, Medikamente. Fordern Teilhabe, überhaupt gehört und ernst genommen zu werden von den Ämtern und im Sprechzimmer, bitten um Assistenz und fordern Unterstützung im Alltag – kurzum das was Pflegebedürftigen laut Recht zu steht – doch oftmals landen wir damit vor dem Gericht!

Wir haben 24h-Jobs als Carearbeiter*innen über Jahre und die Entlastung, die uns gesetzlich zusteht, ist meist nicht zu realisieren, weil zu viele Hürden bestehen oder keine Angebote, wie Kurzzeitpflege, in ausreichendem Umfang vorhanden sind.

Der Notstand in der professionellen Pflege kommt hinzu. Wir müssen auch in der Klinik mit anpacken, es wird davon ausgegangen, dass wir unsere Lieben – egal, ob Kind, Jugendlicher, Erwachsener oder älterer Mensch – stets mit versorgen bei stationären Aufenthalten, sei es nach Eingriffen oder zu therapeutischen Zwecken.

Gesetzliche Neuerungen wie, dass wir unseren pflegebedürftigen Angehörigen nun zur eigenen Kur mitnehmen dürfen, sind eine Farce. Wie soll man oder frau sich während der Fortsetzung der Pflegetätigkeit denn bitte schön regenerieren? Und es gibt auch quasi keine Einrichtung die Pflegebedürftige – ins Besondere Kinder mit Pflegegrad V – aufnimmt! Das ist auch der einzige Punkt, der neuen Pflegestärkungsgesetze, der sich direkt auf uns bezieht. (Am Rande wird noch über Reduktion des Eigenanteil für die Heimkosten debattiert. Was wieder nur primär die Senioren betrifft.)

Pflegende Eltern behinderter oder chronisch kranker Kinder sowie Young Carerers (junge Menschen, die pflegebedürftige Familienmitglieder versorgen) werden doppelt übergangen, als seien sie nicht existent. Nur bei äußert wenigen Fachforen spricht man mit uns direkt.

Und es ist (über-) lebenswichtig für unsere körperliche und psychische Gesundheit, dass wir uns zwischendurch erholen und eine wirkliche Auszeit haben.
Denn Wir! kommen nie wieder raus aus unserer Verantwortung. Wir! sind auch häufig gezwungen Zuzahlungen leisten zu medizinisch relevanten Dingen wie Arzneimitteln und Therapien, während unsere inzwischen erwachsenen Kinder mit Handicap das Essengeld vom Minilohn in den exklusiven Jobs der Werkstätten abgezogen wird. Wir werden zur Kasse gebeten, wenn wir nicht mehr können und unsere Pflegebedürftigen in Einrichtungen, meist nach langer Wartezeit, einen Platz gefunden haben. Doch nötige Hilfsmittel erkämpfen und bei allen Kontrollen und Operationen in die Klinik begleiten, ist weiterhin unsere Aufgabe. Selbstverständlich sollen Wir! dann wieder um Freistellung von der Arbeit bitten. Wenn Wir! nicht ohnehin zu kaputt sind, nach jahrzehntelanger Pflege, um in den gelernten Job zurück zu kehren.

Die 10-Tage-Pflegezeit sind ebenfalls ein schlechter Witz, das reicht bei chronisch kranken oder mehrfach behinderten Hinten und Vorne nicht ansatzweise aus, um die Versorgung zu begleiten bzw. zu gewährleisten. Zumal dieser „Pflegekurzurlaub“ unbezahlt ist in der Regel.

Wäre kein Problem, wenn für diese Zeit auch die Miete flach fällt, der Wocheneinkauf ist für umme ist und der Tankwart uns gratis voll tanken lässt machen, damit wir zu unseren Arztterminen kommen….Ja, man wird sarkastisch und frustriert, schlimmstenfalls verbittert oder depressiv durch die Hürdenläufe der Dauerpflege. Aber es reicht!

„WIR LASSEN ES NICHT MEHR ZU!“, schreit Arnold Schnittger empört und viele pflegende Angehörige empören sich mit. Wollen nicht mehr stillschweigend als Popo Putzer ohne Stimme gesehen und wie Arbeiter*innen dritter Klasse behandelt werden.

WIR! leisten so viel jeden Tag, Woche für Woche, Monat für Monat. Arnold pflegt seinen schwer behinderten Sohn Nico seit über 17 Jahren. Viele von uns werden nie wieder frei und selbstbestimmt leben können. Wir! verfallen aber nicht mehr kollektiv in Depression, sondern begehren auf! 》Die Pflegerebellen《 haben sich erfolgreich gegründet und außer auf den diversen Onlineplattformen werden wir bald auch in deutschen, vielleicht auch in österreichischen und schweizer Städten zu sehen sein.

Wir haben es satt!

Eine zornige Rolle des Klopapier, als Symbol für das was – neben der unsäglichen bürokratischen Papierstapel für Anträge, Gutachten und Widersprüche – unser Leben dominiert, ist das Logo dieser Bewegung geworden.

Und Wir! werden nicht leise werden, ehe auch die unwürdigen Umstände für pflegende Angehörigen und Menschen mit Behinderung sowie chronischer Erkrankung sich maßgeblich verändert haben!

Die erste große Pflegerebellen Demonstration wird heute in einem Monat am 13. August 2019 in Berlin vor dem Gesundheitsministerium stattfinden sowie in Dülmen in NRW und sich hoffentlich in vielen weiteren Städten fortsetzen.

Natürlich ist es nicht einfach neben der Pflege zu revoltieren, aber es gibt viele Wege friedlich und kreativ sich einzubringen.

Zeigt euren Unmut! Macht mit begehrt auf! Schließt euch an. Hebt eure Hände, denn:

Ohne Angehörigen- keine Pflege!

Mehr Informationen zu den Pflegerebellen und der Demo am 13.08.2019 und weiteren zukünftigen bundesweiten Aktionen in der öffentlichen Facebookgruppe: Die Pflegerebellen

Wendet euch bei Fragen direkt per Nachricht an Arnold Schnittger via Facebook oder an: info@nicosfarm.de

VERANSTALTUNGSHINWEISE:

Kreative DEMO im Südwesten – Stellvertreter-Pflegeprotest in Heilbronn (BW): Am Samstag, 05.10.2019 sind von 10.30- 12.30Uhr alle die Pflege leisten oder selbst Unterstützung im Alltag benötigen eingeladen zum Kiliansplatz zu kommen. Pflegende Angehörige die nicht können aufgrund ihrer Pflegeverpflichtungen – schickt bitte eure Erfahrungsberichte und Forderungen – gerne zusammen mit ausgedienten Hilfsmitteln oder Schuhen (werden danach entsorgt und gespendet) als eure Stellvertretern an die organisierenden Vereine: Hölder – Initiative für Kultur und Inklusion e.V. , Rieslingstr. 35, 74226 Nordheim email : Hoelder.Initiative@gmail.com ODER Solidaria e.V. , Wilhelmstraße 53, 74070 Heilbronn.

• Der Pflegerebellen- Gründer Arnold Schnittger kommt in den Südwesten im Herbst zu zwei Lesungen zu deinem Buch „Ich berühr den Himmel. Im Rollstuhl durch Deutschland“ über seine Protestwanderung zusammen mit seinem schwer behinderten Sohn Nico.

Am Freitag, den 18.10.19 ist er zu Gast im Café Lichtburg in Lauffen a.N. organisiert von der „Hölder – Initiative für Kultur und Inklusion e.V. “ und Solidaria e.V. – mit Unterstützung von Anzetteln e.V. (Mobile Rampe für Eingangsstufen vorhanden)

Am Samstag, den 19.10.2019 ist er anschließend auf Einladung von Rückenwind e.V. unddem Manufakturenmarkt in Kernen-Stetten im Sommersaal der Diakonie (Barrierefrei).

Beginn jeweils: 19.00Uhr

Der Eintritt bei beiden Lesungen ist frei – Spenden erwünscht.

BeitragsBeitragsbild (c) Natacha Vanhoof

Wider Willen im Strudel

Mein Kopf dröhnt. Zuviele Fragen hämmern darin. Alte Bekannte, die sich nicht verziehen wollen. Auf die meisten habe ich keine oder zumindest keine klare Antwort. An vielen Tagen fühle ich mich wie ein Stück Treibholz, dabei würde ich so gern ein Segelboot sein, selbst bestimmen wohin die Richtung geht.

Ich verstehe auch nicht warum mich immer wieder ähnliche Dinge so wütend und traurig machen. Was läuft schief? Uns – oder besser gesagt mir – fehlen zuverlässige Weggefährten, die dem Räubersohn und uns als Eltern zur Seite stehen.

Gerade jetzt endet wieder die Genehmigung für die Intensivpflege und wie vor einem Jahr stehen noch benötigte Unterlagen aus. Statt uns zu helfen Hürden zu nehmen, sind das SPZ und mehrere Ärzte, selbst Teil des Problems. Wir kommen gegenüber der Krankenkasse erneut in Erklärungsnot, obwohl wir die Relevanz von aktuellen und korrekten Verlaufsberichten mehrfach nachdrücklich erklärt haben. Wie kann es nur sein, dass wir bereits nach einem Jahr fast in der gleichen misslichen Lage sind. Und nun? Wieder wechseln? Ich mag nicht mehr.

So vieles ändert sich. Wir bräuchten Konstanten! Therapeuten hören auf, neue müssen gefunden und eingelernt werden. Auch in unserm Pflegeteam ein Kommen und Gehen.

Nur was gleich bleibt, sind die Fragen: Warum lässt sich unser Räubersohn wieder kaum absetzen und macht so Alltägliches, wie Essen geben, Autofahrten und Ausflüge, so schwer, mit seinem Schreien wird es zur Nervzerreißprobe.

Außerdem beschäftigt mich die Frage wie kann es uns gelingen könnte mit unserem nun 4,5 jährigen nonverbalen Goldstück endlich mehr zu kommunizieren? Mit der UK kommen wir seit Jahren nicht weiter. Wir bräuchten Fachleute, die mit schwer behinderten Kindern Erfahrung haben, die mit uns zusammen nach fruchtbaren Ansätzen suchen. Als wir im Frühjahr stationär waren, hatten wir die Gelegenheit privat einen Talker ausprobiert. Und es schien, als würde dieser besser als früher geliehene Methoden funktionieren. Nun beim zweiten Anlauf, als wir jetzt einen Testtermin für das unglaublich teure Gerät bekommen haben, klappte es nur ansatzweise. Das ist aber auch nicht aussagekräftig, so ein kurzer Versuch. Eine längere Ausleihphase über mehrere Wochen ist wieder mit Bürokratie verbunden. Und uns fehlt jemand, der uns kontinuierlich dabei begleitet.

Irgendwie traut unserem Liebling kaum einer zu, dass er versteht was um ihn herum geschieht und er sich mitteilen möchte. Ich kann doch nicht alles für ihn sein: Mutter, Pflegerin, Therapeutin und Anwältin! Ich bin so oft erschöpft, die Pausen dazwischen in denen ich mehr bewältige werden kürzer .

Und wir haben doch versucht uns Unterstützung zu holen, für alle Bereiche. Ich mache mich stark für die Rechte von uns pflegenden Eltern. Wir wollen keine Einzelkämpfer sein. Doch immer aufs Neue stehen wir irgendwie doch gefühlt alleine da.

Um gemeinsam Schwierigkeiten zu bewältigen braucht es ein Team. Trotz Rückhalt von unseren Lieben, müssen wir vieles ohne konkrete Hilfe bewältigen.

Auf der Rehab Messe war ich auch beim zweiten Besuch wieder überfahren von all den Möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen. Und gleichzeitig der Erkenntnis, dass so vieles für unseren Sohn nicht geeignet ist.

Vor allem mich beschäftigen diese Themen sehr. Ich denke zuviel nach, grübele, komme nicht voran, dreh mich im Kreis. Déjà Vues, die nicht hilfreich sind und wieder schlechte Träume in der Nacht. Ich will endlich raus kommen aus diesem Wirbelsturm. So gerne würde ich – außer dieser kaum honorierten Carearbeit und den nicht endenden Aufgaben als (pflegender) Mutter – noch einem bezahlen regelmäßigen Job nachgehen, ein finanzielles Polster wäre wichtig für jetzt und später. Und endlich wieder eine Arbeitsstelle außerhalb der vier Wände würde mich auch auf andere Gedanken und in Kontakt zur Welt draußen bringen. Doch wie soll ich dafür auch noch die Kraft aufbringen? Wie soll das gehen? Auch der Mapa scheint keine Antwort zu kennen.

Gemeinsame Unternehmungen und Besuche von Freunden tun gut. Wenn andere Kinder hier herum wuseln, wir zusammen schöne Orte und leckeres Essen genießen kann ich zwischendurch loslassen. Auch unsere zwei Schätze werden mehr zu Geschwistern. Wenn die Kleine dem Großen vorliest, während sie zusammen in der Sitzhife am Boden lehnen, und er versucht sie zurück zu küssen, bin ich gerührt und glücklich für diese wertvollen Momente.

Da ist es spürbar, das Gefühl Familie zu sein und ein bisschen von meinem alten lebensfrohen Ich wieder zu wahrzunehmen. Doch dann kommt der nächste Brief oder Anruf, der mich aus der Balance bringt. Ich will nicht ständig argumentieren, vermitteln und kämpfen. So müde bin ich und überdrüssig, das kann so nicht weiter gehen.

Die kleine Piratenprinzessin gibt sich weiterhin große Mühe ihrem Namen alle Ehre zu machen. Sie könnte auch Pippi heißen oder Michel. Dieses kleine Energiebündel tut nicht nur uns, sondern auch ihrem Bruder so gut. Und sie fordert mich heraus, strapaziert meine ohnehin dünnen Nerven. Und ich erkenne mich wieder. So war ich doch auch mal. So voller Tatendrang, eine furchtlose Welteroberin. Ich hoffe, ihr geht das nie verloren. Sie trägt viele der Kleider des kleinen Königs und wird, mit ihrem Temperament, oft für einen kleinen wilden Jungen gehalten, wenn sie wieder tollkühn über den Spielplatz tobt. „So könnest du auch sein, mein Räubersohn.“ Denke ich dann oft wehmütig. Und vermisse den Sohn, der vor fünf Jahren in meinem Bauch wilde Purzelbäume geschlagen hat. Deshalb liebe ich ihn nicht weniger. Es schmerzt nur gelegentlich und leider ziemlich heftig.

Nur es ist, wie es ist. Er wird nie herum räubern. Nur durch Meckern, Lächeln und Weinen sein Empfinden kund tun. Warum quält es mich auch heute noch? Noch immer bin ich im Strudel all dieser Gefühle und Gedanken. Ich beobachte mich selbst dabei und verstehe es nicht. Starre auf’s aufgewühlte Meer und suche den Rettungsring, der mich hier raus zieht.

Brandbrief pflegender Eltern an die Bundesfamilienministerin

Diesen Brandbrief habe ich als Gastbeitrag bei Mama streikt in der Reihe: „Care ein Gesicht geben“ veröffentlicht:

Sehr geehrte Frau Dr. Giffey,

die Entwicklung, dass der Pflegenotstand politisch und gesellschaftlich nun endlich Aufmerksamkeit findet, macht mir als pflegende Mutter etwas Hoffnung. Doch die Debatte fokussiert bisher primär die Missstände in der Altenpflege und der stationären Krankenpflege. Obwohl tausende Eltern in Deutschland ihre Kinder mit Behinderungen und schweren Erkrankungen pflegen, findet diese Gruppe pflegender Angehöriger nach wie vor kaum Beachtung. Doch es brennt in der Kinderkrankenpflege, denn wir pflegenden Eltern von schwer behinderten und chronisch kranken Kindern verbrennen!

Als Außenstehender kann man sich nur schwer vorstellen, was es bedeutet, wenn das eigene Kind dauerhaft auf Unterstützung in nahezu jedem Lebensbereich angewiesen ist. Unser Sohn ist vier Jahre alt, aber aufgrund eines schweren Sauerstoffmangels bei der Geburt, der mehre Organe unwiederbringlich massiv geschädigt hat, ist er mehrfach behindert und chronisch krank. Er ist auf dem Stand eines fünf Monate alten Säuglings, kann weder sitzen noch sprechen, wird über Magensonde ernährt und benötigt täglich viele Medikamente. Es gibt keine Aussicht darauf, dass er irgendwann selbstständiger wird, er wird lebenslang von unserer Fürsorge abhängig sein.

Sich um das eigene hilfsbedürftige Kind Tag und Nacht zu kümmern ist zweifelsohne sehr anstrengend. Hinzu kommt, dass wir Eltern meist Jahrzehnte lang pflegen, das ist psychisch sowie auch körperlich ein kräftezehrender Vollzeitjob, der als solcher nicht anerkannt wird und bei dem wir zu wenig Entlastung erhalten. Über meinen Blog “Sophies Anderswelt” und meine Facebookseite “Familie inklusiv” bin ich im Kontakt mit vielen betroffenen Familien. Ich habe mehrere pflegende Mütter und Väter von behinderten oder schwerkranken Kindern befragt, was sie in ihrem Pflegealltag am meisten belastet. Nahezu einstimmig bekam ich die Antwort: Der nicht endende Papierkrieg aus Anträgen und Widerspruchsverfahren.

 

„Am meisten Kraft kostet mich immer wieder das Organisieren und der Papierkram, es geht damit los, dass wir jedes Quartal für das SPZ (Sozialpädiatrisches Zentrum) eine Überweisung benötigen, die wir vorher beim Kinderarzt besorgen müssen“, fasst Petra Heine* (46) zusammen, deren Kind u.a. eine Cerebralparese mit Entwicklungsverzögerung und eine Hörbehinderung hat. Den Pflegegrad 2 erhielt ihr Kind erst im Widerspruchsverfahren. Auch wir teilen diese Erfahrung.

Die Pflegegrade und das gesamte Feld der Pflegerechte, orientiert sich nach wie vor – trotz Pflegereformen – zu sehr an Erwachsenen. Kinder werden meist zu niedrig eingestuft und viele MDK-Prüfer und weitere Prüfdienste, wissen über Neuerungen (wie z.B. die besondere Bedarfskonstellation, die auch für Kinder gelten) angeblich nicht Bescheid.

Auch den Behindertenausweis mit dem angemessenen Grad der Behinderung (GdB) und die nötigen Kennzeichen zu erhalten, die dann stets nur befristet ausgestellt werden, stellt bei Minderjährigen meist einen bürokratischen Hürdenlauf dar. Mit vielen Arztbriefen und Therapeutenberichten muss belegt werden, was sich niemand wünscht: Dass das eigene Kind nachweislich beeinträchtigt ist. Doch diese „Etiketten“ sind nötigt, um weitere Unterstützung zu erhalten.

Beantragen, Warten und Streiten – das sind neben der eigentlichen Pflege, die Kernkompetenzen, die wir pflegenden Eltern uns aneignen müssen. Viele unserer Kinder mit Handicap benötigen diverse Hilfsmittel, wie Fußorthesen, um eine Verschlimmerung der Krankheitsbilder entgegen zu wirken oder weitere Mobilitäts- und Kommunikationshilfen, damit sie am Leben teilhaben können. Der Regelfall ist, dass es sich vom Kostenvoranschlag bis zur Auslieferung des Hilfsmittels mehrere Monate zieht. Manchmal so lange, dass es bis dahin nicht mehr passt. Bei Pflegehilfsmitteln kommen Gutachtertermine hinzu. Doch die Genehmigung ist keine Formsache, denn leider stellt es keinen Einzelfall dar, dass die Kranken- und Pflegekassen die Kostenerstattung zunächst ablehnen. Und das obwohl diese die entsprechende Hilfsmittelnummer aufweisen und ärztlich verordnet sind. Das gleiche gilt für medizinische und therapeutische Maßnahmen, wie Logopädie, Ergo- und Physiotherapie. Die Verordnungen müssen alle paar Monate neu ausgestellt werden. Immer wieder sind die Familien verpflichtet zu belegen, dass ihr unheilbar krankes Kind tatsächlich weiterhin dieser Maßnahme bedarf. Auch Medikamente, medizinische Geräte und Intensivtherapien, die am meisten Erfolg versprechen und Operationen hinauszögern können, fallen unter diese Streich- und Sparpolitik. Häufig werden Zuzahlungen eingefordert. Uns pflegenden Angehörigen kommt es teilweise so vor, als würde ein System dahinterstecken, uns ohnehin schwer belasteten Familien, vor den Kopf zu stoßen. Nur, wenn wir die Kraft zu einem Widerspruchsverfahren haben, dass nicht selten erst im Zuge eines Rechtsstreits beigelegt werden kann, erhalten wir was unserem Nachwuchs zusteht. Diese ewigen und wiederkehrenden Kämpfe machen uns Eltern mürbe. Zumal jedes Jahr von den riesen Überschüssen in Millionenhöhe, die die Krankenkassen erwirtschaften, in den Nachrichten zu hören ist.

Ein weiteres Problem, das viele Eltern schildern, ist, dass sich die Pflege sich nur schwer mit einer Berufstätigkeit – über die unbezahlte Carearbeit hinaus – vereinbaren lässt. Das beschäftigt auch Dominik Panzer (36) aus Würzburg, dessen Sohn Paul von Geburt an chronisch nierenkrank ist und bereits pränatal (im Mutterleib) operiert wurde: „Was ich als das Schlimmste empfinde ist, dass durch ein Kind mit einer Behinderung ein finanzielles Risiko für die Familie entsteht, da weder ausreichend finanzielle Unterstützung von Seiten des Staates besteht, noch die meisten Arbeitgeber flexibel sein können, wie es eigentlich notwendig wäre.“ Neben dem bereits erwähnten zeitaufwändigen Papierkrieg ist bei den regelmäßigen, wochenlangen Reha- und Klinikaufenthalten die Anwesenheit einer elterlichen Begleitperson erforderlich.

Einen weiteren Kraftakt stellt es dar, einen Krippen-, Kindergarten- oder Schulplatz für ein krankes oder behindertes Kindes zu finden. Während frühe Bildung in aller Munde ist – scheint dieses Recht für unsere Kinder nur bedingt zu gelten. Um Bildungseinrichtungen besuchen zu können, sind begleitende Fachkräfte als Integrationshelfer*innen erforderlich, doch Ämter und Kassen streiten auf unsere Kosten um die Zuständigkeit. Und die bewilligten Stunden reichen so gut wie nie aus für eine vollständige Teilnahme. So leben diese Familien überdurchschnittlich oft von nur einem Einkommen, was die nächsten Fallstricke mit sich bringt. Viele Ehen von Eltern mit behinderten Kindern, zerbrechen nicht zuletzt durch diese massiven Belastungen. Zurück bleiben meist alleinerziehende Mütter, die am Existenzminium leben und pflegen, so wie die Berlinerin Andrea Meyer* (41): „Ich arbeite weniger als halbtags, und bin daher noch auf Hartz IV Leistungen angewiesen. Dementsprechend sind die Finanzen immer knapp.“ Dabei muss vieles selbst finanziert werden: Bei barrierefreien Umbaumaßnahmen stellen die Pflegekassen beispielsweise nur einen maximalen Förderbeitrag von 3000€ zur Verfügung, das reicht aber bei weitem nicht aus, um beispielsweise eine Wohnung barrierefrei zu gestalten. Doch wie soll jemand der nur von Pflegegeld lebt, etwas beiseitelegen? Berechtigte Zukunftsängste sind daher unser Begleiter. Die wenigen Rentenpunkte, die für die Pflege eines Angehörigen angerechnet werden, ändern nichts an dem Risiko der Altersarmut, der überwiegend pflegenden Frauen. Eine Möglichkeit diese prekäre Lage zu ändern wäre, die Einführung eines Fürsorgegehalts, das diese wichtige Carearbeit würdigt und das Auskommen der Pflegenden dauerhaft sicherstellt.

Die Pflegekassen sparen schließlich durch jeden pflegenden Angehörigen: Sie zahlen durch das Pflegegeld – selbst bei Vorliegen des höchsten Pflegegrads – weniger als die Hälfte dessen, was sie für einem professionellen Pflegedienst zur Verfügung stellen würden! Das stellt eine unglaubliche Herabwürdigung dieser unverzichtbaren Carearbeit dar.

Bei Kindern mit Mehrfachbehinderungen, wie unserem Sohn, müssen wir auch zahlreiche pflegerische Tätigkeiten übernehmen, zu denen eigentlich kein Elternteil gezwungen sein sollte, wie z. B. das Auswechseln von Nahrungssonden, Legen von Darmrohren oder Absaugen der Atemwege. Diese medizinischen Aufgaben sollten von geschulten pflegerischen Fachkräften durchgeführt werden. Doch die fehlen häufig in der ambulanten Kinderkrankenpflege oder ihr Einsatz wird in zu geringem Maße oder überhaupt nicht genehmigt! Über diese Missstände ist unglaublich wenig gesellschaftlich bekannt, denn den Eltern fehlt in der Regel die Kraft, um neben der Pflege und den zermürbenden Streitigkeiten noch den Schritt an die Öffentlichkeit zu gehen.

 

Gerade im palliativen Bereichen, bei unheilbar und lebensverkürzt erkrankten Kindern, ist es unfassbar wie die Familien in dieser schweren Situation nicht nur im Stich gelassen werden, sondern noch mehr Probleme aufgebürdet bekommen. Der vierjährige Sohn von Nicole Wegle* (39) leidet an einem Tumor und einer lebenslimitierenden Stoffwechselerkrankung, die u.a. eine massive Aspirationsgefahr, schwere Spastikschmerzen und viele epileptische Anfälle mit sich bringt. Die Krankenkasse genehmigt ihnen lediglich 30 Stunden Intensivpflege in der Woche, was bei weitem nicht reicht, um den schwer kranken Jungen adäquat zu versorgen. Zudem wird die Verordnung stets nur für wenige Monate befristet gewährt. Dadurch sind Familien wie sie gezwungen neben all den Arzt-, Therapie- und Klinikterminen noch den Anwalt zu konsultieren, der sie unterstützt das Recht und die Versorgung ihres Kindes notfalls vor Gericht zu erkämpfen. Und das zu der ohnehin massiven Belastung im Alltag und in der begrenzten Zeit, die ihnen mit ihrem Kind bleibt.

Jeder, der sich um ein krankes Kind gekümmert hat, und sei so es “nur” bei einem vorüber gehenden Infekt, weiß wie sehr man als Eltern bangt und mitleidet, wenn es dem Nachwuchs nicht gut geht. Aber was tun, wenn diese Situation keine Ausnahme, sondern Alltag ist? Es ist ein anhaltendes Leben im Ausnahmezustand. Und nein, man gewöhnt sich nie völlig daran, auch nach Jahren stumpft man nicht ab, angesichts von Angstzuständen, Ausgrenzung und Schmerz, die das eigene Kind Krankheits- oder Behinderungsbedingt durchlebt. Immer wieder Bangen, neue Medikamente und Operationen mit ungewissem Verlauf. Das allein ist ein großes Paket, das wir zu tragen haben. Wir müssen uns einfühlen in unsere Kinder, abwägen was für sie Priorität hat und entscheiden welche Maßnahmen als nächstes ergriffen werden sollen.

Wir tragen so viel Verantwortung und sind dabei fruchtbar oft fremdbestimmt und abhängig. Die zusätzlichen und unnötigen Kämpfe mit Behörden, Pflege- und Krankenkassen laugen uns aus – oft bis zum Burnout oder zur Depression. Die Rechte pflegender Angehöriger müssen gestärkt werden. Wir brauchen mehr Entlastung im Pflegealltag (siehe P17 Petition!) und ein würdiges Fürsorgegehalt. Es kann nicht hingenommen werden, dass wir als Mütter und Väter von Kindern mit Behinderung und schwerer Erkrankung so lange gegen all die Mauern laufen bis wir daran zerschellen.  

Bitte helfen Sie uns, Frau Giffey – machen Sie sich stark für uns pflegenden Eltern!

Es grüßt Sie Ihre

 

Verena Sophie Niethammer M.A.

(*Name auf Wunsch der Person anonymisiert. Gerne kann ich persönliche Kontakte zu den betroffenen Familien vermitteln.

 

Reihe 》Wir brennen aus!《 Pflegende Eltern berichten I. Andrea, alleinerziehend

Es bleibt politisch in der Anderswelt! Ich bin froh darüber, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, einen Appell für das Magazin des Bundesverband Kinderhospiz zu verfassen in dem ich die Situation von uns pflegenden Eltern von schwer kranken und behinderten Kindern aus unserer Perspektive darstellen darf. Im Vordergrund stehen unsere unnötigen Kämpfe, die uns neben dem Pflegealltag und den mit der Behinderung oder Erkrankungen verbundenen Ängste, wohl am stärksten belasten.

Außerdem folge ich dem Aufruf der Carearbeit-Aktivistin Claire Funke. Ihr habe ich ebenfalls einen „Brandbrief pflegender Eltern“ geschickt, den sie demnächst zusammen mit ihrer erfolgreichen Petition für ein Fürsorgegehalt der Familienministerin Giffey übereichreichen wird. Da es mir wichtig ist möglichst viele Beispiele aufzuzeigen und will ich über mehr als unsere eigenen Erfahrungen berichten.

Deshalb rief ich via Facebook und weitere Kanäle auf mir von euren alltäglichen Schwierigkeiten als pflegende Mütter und Väter zu berichten, um öffentlich zu machen was uns die meiste Kraft kostet. Es ist mir ein großes Anliegen, dass wir endlich sichtbar zu werden als eine große Untergruppe pflegender Angehöriger,  die medial, gesellschaftlich und politisch meist unberücksichtigt bleibt. Viele haben sich gemeldet und einige werde ich hier als Gastbeiträge veröffentlichten.

Hier der erste Gastbeitrag:

Von Andrea* (41) aus Berlin und dem Pflegealltag als Alleinerziehende mit ihrem 8jähriger Sohn mit ICP.

(Ihre Nachricht hat mich sehr aufgewühlt, da es noch einmal ein ganz anderes Kaliber an Verantwortung und Belastung darstellt , wenn man als Mutter allein in ist und auch finanziell in ein „enges Korsett“ gezwängt wird.)

Lest selbst was sie zu sagen hat:

Ich versuche mal in einem kurzen Abriss zu beschreiben, was mich in meinem Leben als Alleinerziehende mit einem körperlich stark beeinträchtigten Kind so bewegt:


Mein Sohn ist 8 Jahre alt, hat eine Infantile Zerebralparese (ICP), aufgrund eines Sauerstoffmangels unter der Geburt. Er kann wenig, für ihn, in seinem Alter sinnvolles, alleine bewältigen. Er kann sehr langsam krabbeln, kann gestützt laufen und stehen. Alle seine Gliedmaßen sind betroffen, so dass er große Koordinationsschwierigkeiten mit den Armen und Händen hat, er muss gefüttert, auf Toilette gesetzt werden, braucht Hilfe beim Spielen etc. Also bei allen Verrichtungen. Da er kognitiv altersentsprechend entwickelt ist, möchte er wie Gleichaltrige am Leben teilhaben. Aufgrund seiner sehr undeutlichen und verlangsamten Sprache benötigt er immer einen ihm bekannten „Übersetzer“ um mit Aussenstehenden zu kommunizieren. Er nutzt einen Talker, das ist aber im Alltag noch langsamer (durch die verringerte Hand-Koordination) als das Sprechen.

Es gibt mehrere Bereiche die mich immer wieder auszehren:
1. Vereinbarkeit mit dem Beruf und die damit zusammenhängende  finanzielle Not
2.    Alles rum um Hilfsmittel und             Therapien
3.    Fehlende Hilfe im Alltag
4.    Allgemeine Einschränkungen          und Teilhabe („Inklusion“)

Zu 1.: Beruf/ Armut**
Ich habe in den letzten Jahren ein maximales Pensum von 16Std./Woche für mich herausgefunden.  Ich arbeite also weniger als Halbtags und bin daher noch auf Hartz IV Leistungen angewiesen. Dementsprechend sind die Finanzen immer knapp. Ich muss ein Zimmer in meiner Wohnung untervermieten, da die Miete sonst zu teuer ist. Eigentlich bräuchte ich den Platz aber, da mein Sohn viele große Hilfsmittel im Alltag benötigt. Wenn im Alltag alles gut läuft, es nur die regulären Termine gibt und mein Sohn gesund ist, schaffe ich mit den 16Std. Arbeit mein Leben ganz gut, Freizeit habe ich dann aber auch nicht. Wenn es nicht so gut läuft, wir mehrere wichtige Arzt-Termine haben oder mein Sohn krank ist, dann befinde ich mich in einem Dauer-Stress-Zustand. Ich renne dann nur noch den wichtigen Dingen hinterher.
Unnötige Dinge die ich hier machen muss: alle halbe Jahre die Weiterbewilligung von Hartz IV beantragen, zwischen drin immer wieder nachweise liefern, insbesondere, wenn ich durch Kind krank Tage weniger Gehalt und Krankenkassen-Zahlungen erhalten habe.
Ich wünsche mir hier wenigstens einen finanziellen Rahmen, der mir auch mal ermöglicht z.B. Erholungs-Urlaub zu machen, Betreuung zu zahlen oder mir ab und zu im Alltag eine Erholungs-Pause zu gönnen.


Zu 2.: Hilfsmittel /Therapien **
Häufig dauert es Monatelang bis wir z.B. den dringend benötigten Rollstuhl bekommen, da erst eine Verordnung beim SPZ angefordert werden muss, diese dann zum Hilfsmittelversorger geht, dieser das bei der Krankenkasse beantragen muss, diese hat mehrere Wochen Zeit zur Bewilligung und dann muss das Hilfsmittel bestellt und mehrfach angepasst werden. Die vielen Telefonate und Termine die damit verbunden sind, kann man sich vielleicht vorstellen. Zudem muss ich mich regelmäßig mit Therapeuten abstimmen um eine ganzheitliche Förderung zu gewährleisten.
Unnötige Dinge, die hiermit zusammenhängen: Ich muss jedes Quartal, also 4 mal im Jahr, persönlich (mit KK-Karte) zum Kinderarzt meines Sohnes um die Überweisung zum SPZ ab zu holen. Diese geht dann ans SPZ, damit ich von dort wiederum die Rezepte und Verordnungen für die Therapien und Hilfsmittel bekomme. Alle 10 Wochen müssen neue Verordnungen für die Therapien ausgestellt werden. Mein Sohn wird sein Leben lang behindert sein, auch so stark, dass eine Versorgung mit Therapien und Hilfsmitteln immer notwendig sein wird. Ich verstehe nicht, warum in diesen Fällen, nicht eine Regelung eingeführt werden kann, die ALLEN Beteiligten die Bürokratie vereinfacht. Z.B. SPZ-Überweisungen nur alle 2 Jahre ein zu holen, die Therapie-Verordnungen auf 1-2 Jahre aus zu stellen etc. Mein Sohn bekommt seit seiner Geburt Therapien, also seit 8 Jahren! Daher sind diese Zwischenschritte für mich so sinnlos und kosten Zeit, die ich lieber für meinen Sohn und meine Arbeit hätte (oder auch mal für Freizeit!)


Zu 3.: Fehlende Unterstützung**
Ich nutze Verhinderungspflege und auch die zusätzlichen Betreuungsleistungen, doch häufig reicht das nicht aus. Dadurch, dass mein Sohn regelmäßig mehr als die 20 Tage im Jahr krank ist, muss ich den Rest der Krank-Tage mit meinem Job irgendwie anders vereinbaren, dann meist über die Verhinderungspflege.
Hier würde ich mir wünschen, dass es bei chronisch kranken oder behinderten Kindern eine Anpassung der gesetzlichen Kranktage auf z.B. 30 Tage gibt. Zudem wünsche ich mir viel mehr Hilfe im Alltag. Mit den Zusätzlichen Betreuungsleistungen kann ich mir einmal im Monat für 3-4 Stunden eine Putzkraft leisten. Jedoch fällt, durch das vermehrte Speicheln und da meinem Sohn beim Essen viel aus dem Mund fällt, viel Wäsche pro Tag an. Auch der Haushalt muss gemacht werden. Mein Kind kann und wird mir nie helfen können.


Ich würde mir viel mehr Hilfe im Alltag wünschen um auch mal mehr Qualitätszeit mit meinem Sohn verbringen zu können. Nicht nur einen Babysitter oder eine Haushaltshilfe würde unseren Alltag erleichtern, auch jemand der mir ab und zu das körperlich schwere Handling meines Sohnes abnimmt, während ich aber für und mit meinem Sohn bin. Er ist mit 17 Kg, für sein Alter noch sehr leicht, jedoch muss ich ihn den ganzen Tag über heben, hin setzen, aufsetzen, mit ihm laufen, seine Hände führen, ihn füttern, ihn anziehen, ihn in den Rollstuhl setzen, die Orthesen anziehen etc.

Zudem hieve ich seinen Rollstuhl 2-6mal am Tag aus bzw. ins Auto. Wenn ich mit ihm rausgehe, muss ich immer viele Lätzchen und kleinere Hilfsmittel mitführen.
Konkret wäre eine große Erleichterung, wenn ich 1-2mal/Woche eine Haushaltshilfe hätte und das Budget der Verhinderungspflege aufgestockt werden würde (und das mehr als mit der Hälfte der Kurzzeitpflege).


Zu 4.: Teilhabe /Inklusion /Schule**
Da ich mit meinem Sohn für alles mindestens doppelt so viel Zeit benötige, da ich alles für zwei Personen mache und auch noch Hilfsmittel, Termine etc. dazu kommen, ist unsere Teilhabe am „normalen“ gesellschaftlichen Leben sowieso schon eingeschränkt. Zudem ist auch die immer noch sehr häufig fehlende Barrierefreiheit eine große Hürde im Alltag. Noch kann ich meinen Sohn im Rollstuhl mal 1-2 Stufen hochfahren, irgendwann geht das nicht mehr. Schon gar nicht mehr wenn er mal einen elektrischen Rollstuhl nutzen wird. In viele Veranstaltungen für Kinder (oder Familien) kommen wir nicht rein. Es wird immer schwerer, meinem Sohn zu erklären, warum er irgendwo nicht hin kann, wo andere Kinder hin gehen. Irgendwie versuche ich es immer noch möglich zu machen, mit starker körperlicher Anstrengung, doch irgendwann wird auch das nicht mehr gehen. Nicht seine Behinderung ist dann für mich schwierig, sondern zu sehen, dass er in seiner Teilhabe eingeschränkt wird, aufgrund fehlender Barrierefreiheit, das bricht mir das Herz!
Hier wünsche ich mir noch viel viel härtere Gesetze um Unternehmen, Betriebe etc. zur Barrierefreiheit zu verpflichten!


Und: Es gibt im Freizeitbereich kaum Angebote die mein Sohn nutzen kann. Hier wünsche ich mir Unterstützung anhand von finanziellen Zuschüssen für Träger oder soziale Unternehmen, denn ich glaube da gibt es viele die hier gerne Angebote machen würden. Jedoch müssen hier sowohl die Infrastrukturellen, als auch inhaltlichen und pädagogischen, fachlichen Strukturen unterstützt werden, denn häufig sind die Bedarfe der Kinder mit Beeinträchtigung höher, als die nicht beeinträchtigter Kinder.


In Bezug auf Schule könnte ich jetzt ein Buch schreiben! Aber ich schreibe nur so viel dazu: Ich habe in den letzten 3 Jahren ca. 40 (Regel)Schulen entweder persönlich angeschaut oder angerufen. Ca. 30 dieser Schulen haben auf ihrer Internetseite ganz groß Inklusion stehen, doch nur 2 davon sind für Rollstuhlfahrer zugänglich! Hier muss zum einen eine klare Transparenz bestehen, welche Kinder aufgenommen werden können und welche nicht, und wenn es hier Einschränkungen gibt, darf der Begriff Inklusion, meines Erachtens nach, von der jeweiligen Schule nicht verwendet werde.

 

Zudem, weiß ich, dass sich viele Schulen seit Jahren vergeblich bemühen Aufzüge für ihre Schulen genehmigt zu bekommen und die zuständigen Ämter hier nicht handeln oder sich hinter baurechtlichen Gesetzen verkriechen.
Ich möchte sehr gerne wissen ob die Gerüchte stimmen, dass in Berlin tatsächlich 65 neue Schulen gebaut werden, die NICHT alle barrierefrei gebaut werden. Ich werde dem nachgehen….

 

Meines Erachtens nach sind wir 9 Jahre nach Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention noch viel schlechter dran als vorher. Durch die schlechte Umsetzung der Inklusion an Schulen und die weitere Ausgrenzung aufgrund von feghlender Barrierfreiheit, werden weiterhin Kinder sehr distanziert mit meinem Sohn umgehen, da sie einfach keine behinderten Menschen in ihrer Umgebung kennen.


(…)Ich habe jetzt nur schnell was runter geschrieben, da fehlt natürlich noch eine riesige Menge, aber dafür fehlt mir die Zeit. Und ich hoffe es schreiben noch einige, so dass „unsere“ Themen alle auf den Tisch kommen.
Herzlichen Dank dafür!

Liebe Grüße von Andrea*

aus Berlin

 

P.S. noch eine Sache die ich extrem wichtig finde: Wartezeiten bei Ärzten! Da wir in unserem Alltag sowieso viel mehr Zeit benötigen, als die „Regel“-Familie, fänd ich es extrem sinnvoll und eine große Entlastung, wenn Wartezeiten bei Ärzten für mich und meinen Sohn verkürzt werden könnten.

Wir haben zum Glück eine Kinderärztin die sie bereits berücksichtigt, bei allen anderen Ärzten müssen wir aber genau so lange warten wie alle anderen auch. Ich gehe praktisch nie zum Arzt, auch nicht wenn ich krank bin, da ich dafür einfach keine Zeit habe. Würde es z.B. einen bestimmten Chip geben oder auf der Krankenkasse vermerkt werden, dass wir eine erhöht belastete Familie sind, dann könnte man ein System einführen, dass wir kürzer warten müssen.

Klar kommen dann wieder alle mit Gleichberechtigung. Aber Gleichberechtigung ist eben nicht immer auch Gerechtigkeit!!

 

*Name anonymisiert

** Schlagwörter ergänzt

Unperfekt ist genau richtig. Was ich allen Müttern wünsche.

2018 neigt sich dem Ende zu – und das ist auch gut so, denke ich mir bei jedem Rückblick. Immer wieder wundere ich mich warum am Ende der Kraft noch soviel Jahr übrig ist. Meistens geht mir schon im November die Puste aus. Dabei habe ich mir genau das vorgenommen: Durchschnaufen, Kraft sammeln und nicht Durchhängen in diesem Winter.

Und ich habe mich getraut Nein zu sagen zu Vielem. Ich war weder beim Elternbasteln noch dem Weihnachtskaffee. Smalltalk und weitere Termine waren einfach nicht drin mit meinem aufgebrauchten Energiespeicher. Wenn ich mich umsehe, erkenne ich so viele Mütter, die nicht in unserer schwierigen Konstellation leben, aber andere nicht weniger vereinnahmende Verpflichtungen und Probleme bewältigen müssem, die ihnen viel abverlangen. Doch die wenigsten trauen sich etwas zu streichen. Gerade zu Weihnachten laufen viele zu Hochform auf: Von Geschenke besorgen, dekorieren, Fotobücher gestalten, um alte Verwandte kümmern, Winterschuhe besorgen – Mama macht schon.

Sie wollen alles perfekt machen für ihre Lieben – oder weil sie denken, dass es ihr Job als Frau ist? Ich liebe Mareice Kaisers Essay  über “Das Unwohlsein der modernen Mutter”. Das sollte jeder, der Kinder hat oder über Mütter urteilt, sich zu Gemüte führen!

Das heißt nicht, dass ich zum Grinch mutiere, im Gegenteil, ich mag die Vorweihnachtszeit. Und ich habe auch etwas gebacken, war im Kindertheater und wir luden gerade erst Freunde zum Adventsbrunch ein. Aber nicht aus Pflichtgefühl, sondern weil es mich glücklich macht mit der kleinen Miss Kekse auszustechen, mit dem kleinen König russische Wintermärchen zu lauschen und mich gelegentlich mit lieben Menschen zu umgeben. Unsere Freunde haben zum Brunch alle etwas mitgebracht und es war so schön mal alles andere zu vergessen für einen Sonntag. Das Basteln und Dekorieren gab ich an meine Mutter ab, der das Spaß macht und der Adventskranz ist selbst gekauft wie der Bilder-Adventskalender von Pipa und Pelle für beide Kids zusammen. 

Diverse Anfragen zu neuen Ehrenämtern, auf die ich früher wohl eingegangen wäre, habe ich den letzten  Monaten bewusst abgelehnt. Auch mit Kopfschütteln, wenn ich mir Dinge anhören muss wie “Du arbeitest doch nicht wieder?”. Carearbeit ist nach wie vor unsichtbar. (Claire Funke es gibt noch viel für uns zu tun..) Und wer nicht selbst pflegt, kann sich wohl nicht vorstellen, was es bedeutet, dauerhaft ein Kind rundum zu versorgen, dass wie unser geliebter Räubersohn mit über vier Jahren körperlich auf dem Stand eines fünf Monate alten Babys bleibt.

Ich habe also wirklich versucht mit einem verbleibenden Energie zu haushalten. Leider haben mir verschiedene Ereignisse doch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Davon werde ich noch berichten.

Immerhin konnte ich ein paar Schreibprojekte an Land ziehen, die mir gut tun, weil ich mich dem widmen kann, was mir wichtig ist: Ich darf unter der Rubrik Blickpunkte für das Momo Family Magazin künftig von meiner Odyssee als pflegende Mutter berichten. Diese Logbucheinträge erscheinen viermal jährlich und ich bin auf das Feedback dazu gespannt. Mein erster Beitrag (nach der Vorstellung jetzt im der Dezember-Ausgabe) wird von Auszeiten und Bedürfnisse für alle handeln. Denn wir müssen als Special-Needs-Familie auf uns Acht geben. Auf alle – nicht nur die Kinder.

Ich finde: Unperfekt ist genau richtig und das gilt für alle, die sich kümmern. Kümmert euch auch mal um euch. Und lasst euch von niemandem vorschreiben wie das auszusehen hat. 

Kreisel, Kreisel dreh dich. Es geht immer weiter.

Die kleine Piratenprinzessin tanzt herum und singt in ihrer Da-da-Sprache. Ich summe das Kinderlied „Dreh dich kleiner Kreisel.“

Der Kreisel dreht sich weiter. Ich sehe verschwommen was um mich herum ist vorbei ziehen. Höre die klingende Melodie und taumele. Nur nicht umkippen. Weitermachen.  Im Lot bleiben.  Doch das Schlingern ist Teil des Kreiselstanz.

Dieses Bild sehe ich vor mir, so fühle ich mich seit einer Weile immer wieder. Mir ist schwummrig. Viel ist passiert im letzten Monat: Wir waren zum vierten Mal dieses Jahr stationär, was ziemlich anders ablief und uns, auch wenn der Aufenthalt nur 8 Tage dauerte, echt einiges an Nerven abverlangt hat.

Der kleine König ist vier geworden und wir haben ihm einen goldenen Festtag bereitet, so gut das einen Tag nach Entlassung geht. Wir waren beim ersten Kindergeburtstag in der Nachbarschaft eingeladen. Elternabende, Sitzungen, Termine bei Ämtern. Schöne Momente und geballter Alltag der Elternpflichten, denen wir nicht alleine hinterher hetzen. Nur verteilt sich als pflegende Eltern die Konzentration auf so Vieles. Und was man selbst als wichtig ansieht, kommt zu oft zu kurz, da die anderen am längeren Hebel sitzen.

Es hat sich einiges geändert und ist trotzdem irgendwie fast beim Alten geblieben. Das ist alles so verwirrend, irritierend. Es geht immer weiter – oder drehen wir uns im Kreis? Ist das etwas Positives? Das Leben geht immer weiter. Oder: Show must go on. Wir funktionieren. Ich möchte mich nicht nur fügen, abhaken was andere mir vorsetzen. Ich möchte mich gerne und aufmerksam um mein zwei Schätze kümmern. Aber es ist so oft ein Erledigen von To Do’s.  Die verdammte Liste wird nicht kürzer. Egal wieviel ich hinter mich gebracht habe, sie wächst weiter, rollt sich am Boden noch auf.

Und das alles zum Jahresende. Dabei hatten wir schon seit Frühjahr massiven Ärger mit der Versicherung und den Ärzten,  der die Energiereserven kontinuierlich leer gesaugt hat.

Die Kraft ist lange schon aufgebraucht. Doch der Kreisel dreht sich. Hilfsmittelanträge wollen bewilligt, Rechnungen bezahlt, Verordnungen besorgt, Arzttermine koordiniert werden. Dazwischen Laterne laufen und andere nette Familienaktionen im Kindergarten? Ich schlafe schon beim Abendessen fast ein. Selbst meine wenigen Hobbys, die doch auch Freude und Entspannung bringen sollen, stressen mich. Blöde Krankheiten kommen im unpassendsten Moment zurück.

Und das Komische – eigentlich haben wir gute Nachrichten bekommen. Doch fühlt es sich (noch) nicht so richtig danach an:

Wir haben tatsächlich noch in diesem Jahr einen Kinderintensivpflegedienst gefunden, der mehr Kapazität als unser bisheriger hat. Nur wollen sie nicht kooperieren – das bedeutet Ex oder Hopp. Wir können mehr Stunden bekommen,  auch weniger Lücken in der Versorgung, wenn wir unser altbewährtes Team opfern. Liebevolle Kinderkrankenpflegerinnen, die den kleinen Räubersohn teilweise schon über Jahre kennen und mir zur Seite gestanden sind. Da gibt es keinen guten Mittelweg. Das war eine so eine schwere Entscheidung und doch hatten wir keine Wahl. Wir haben gewechselt und sind jetzt noch lange von Normalität entfernt, weil das mehr ist als einfach ein Unternehmen gegen ein anderes zu ersetzen. Die Frauen fehlen auch als Menschen. Einziger Trost: Ich bin mir sicher das neue Team ist auch sehr gut und wird sich ebenso reinhängen. Und was mich auch betrübt: So schnell und plötzlich bekommt man bei einem Pflegedienst nur einen Platz, wenn ein anderes Kind verstirbt. Natürlich ist im Prinzip nichts anderes wie, wenn ein Angehöriger  durch die Organspende eines anderen weiterleben kann. Dankbarkeit mit traurigem Beigeschmack. Zumal wir mehrere Familien mit Lebenszeit limitierend erkankten Lieblingen kennen. – Das kann ich nicht täglich ausblenden.

Alles ist neu und wirkt befremdlich.  Alles muss sich einspielen. Nebenher soll der Alltag laufen und ich stehe oft neben mir,  fühle mich erdrückt, manchmal versteinert von all dem was noch zu tun ist. Es geht weiter…tröstlich? Oft beunruhigend. Ich verfalle zeitweise in Schockstarre.

Auch mein Herzensprojekt, das ich zu Jahresbeginn mit aus den Angeln hob, es hat sich sehr gewandelt.  Und doch finde ich Vieles daran richtig gut. Wir haben nun kein Buchcafé eröffnen können, dafür aber einen tollen kleinen Verein gegründet. Eine Initiative, die sich für Inklusion und Kultur einsetzt in Hölderlins Geburtsstadt. Und unsere erste Lesung gestern mit Marian Grau („Bruderherz. Ich hätte dir so gern die ganze Welt gezeigt“) war unglaublich. Dieser junge Kerl gibt mir soviel Mut, Vieles an ihm erinnert mich an mich selbst nur früher. Beim Moderieren des Gesprächs hatte ich das Gefühl seit langem einmal etwas zu tun, das richtig „meins“ ist. Mich für etwas einzusetzen das von Bedeutung ist und das auch gut zu machen. Ein Zuhause Gefühl.

Und heute bin ich wieder etwas wehmütig, hier daheim zwischen Wäschebergen, mit fieberndem König und hustender kleiner Miss, die trotzdem herum springt. Ich bin irgendwie wieder im Standby-Modus auf Sparflamme, weil die Energie einfach weg ist. Drehe mich weiter nur, weil es eben weiter gehen muss.